Start/Ziel-Siege schreiben keine Geschichte. Sie sind das Horrorszenario jedes Regisseurs. Die Geschichte der Formel 1 hält aber auch das Gegenteil bereit. Die großen Aufholjagden passen schon besser in das Bild eines guten Hollywood-Filmes. Und es gab sie in jeder Epoche. Die erste ist vielleicht auch die berühmteste. Juan-Manuel Fangio machte sich mit seinem Sieg 1957 auf der Nordschleife des Nürburgrings unsterblich. Und der GP Deutschland dieser Saison schafft es in jeder Rangliste in die Top Ten der besten zehn Grand Prix.
Es ist unmöglich alle Aufholjagden des GP-Sport zu würdigen. Wir haben 12 Beispiele herausgesucht, zumeist jene, die einem gleich in den Sinn kommen. Nicht immer ging der Hauptdarsteller als Sieger hervor. Jim Clark hätte den Sieg beim GP Italien 1967 jeder gegönnt. Schließlich hatte er nach 12 Runden schon eine Runde Rückstand. Doch es sollte nicht sein. Lesen Sie selbst.
Juan-Manuel Fangio, GP Deutschland 1957
Früher gab es eine goldene Regel. Wer an den Boxen zu viel Zeit verliert, hat auch das Rennen verloren. Juan-Manuel Fangio stellte diese Statistik auf den Kopf, mit einem Sieg, den die gesamte Fachwelt als den größten seiner 24 GP-Triumphe feierte. Im Training zeigte der Maestro seinen Gegnern bereits, wer der Herr der Nordschleife war. Der 46-jährige Argentinier wuchtete seinen Maserati 250F in 9.25,6 Minuten um die 22,8 Kilometer lange Eifelpiste, fast drei Sekunden schneller als Ferrari-Pilot Mike Hawthorn.
Doch nach dem Start lag Fangio hinter den Ferrari von Mike Hawthorn und Peter Collins. Eingangs der dritten Runde zog er an Collins vorbei, im Adenauer Forst auch noch am zweiten Ferrari. Nach 10 von 22 Runden war Fangios Vorsprung auf 28 Sekunden angewachsen. Ungefähr das Polster, dass Fangio nach Berechnungen von Maserati brauchte, um einen Boxenstopp einzulegen, nachzutanken und vier neue Reifen zu bekommen.
Die Boxenmannschaft schlampte, und so kehrte Fangio mit 45 Sekunden Rückstand auf Hawthorn und Collins ins Rennen zurück. Zu Beginn konnte Fangio kaum Boden gutmachen. Erst als sich der Tank zunehmend leerte und die Reifen angefahren waren, blies „El Chueco“zum Angriff. Mit fünf Rekordrunden in Folge, wovon die schnellste um 8,2 Sekunden unter seiner eigenen Trainingsbestzeit lag, pirschte sich Fangio an das Ferrari-Duo heran. In der 22. Runde überholte Fangio zuerst Collins, dann Hawthorn. Den Konter von Hawthorn wehrte Fangio lässig ab. Nach 502 Kilometern und 3.30 Stunden Fahrzeit wurde der Maserati-Pilot mit 3,6 Sekunden Vorsprung abgewinkt. Es war Fangios letzter GP-Sieg vor seinem Rücktritt im Sommer 1958.
Jim Clark, GP Italien 1967
Trotz Hondas Sternstunde war es das Rennen des Jim Clark. Die meisten Experten sind sich darüber einig, dass der Bauernsohn aus dem schottischen Hochland in Monza 1967 sein bestes Rennen gefahren war. Bis zur 12. Runde lag Clark in Führung. Dann zwang ihn ein schleichender Plattfuß an die Boxen. Als der Lotus-Pilot wieder ins Rennen ging, lag er eine komplette Runde hinter dem Spitzenpulk. Dann passierte das Unglaubliche. Clark überholte die gesamte Spitzengruppe und machte innerhalb von 47 Runden eine ganze Runde gut.
John Surtees und Jack Brabham trauten ihren Augen kaum, als plötzlich der grüngelbe Lotus von Clark wieder in ihren Rückspiegeln auftauchte. In der 61. Runde lag Clark in Führung. Sicher auch begünstigt durch das Pech seines Teamkollegen Graham Hill, der klar an der Spitze lag, bevor in der 59. Runde der Cosworth-Motor festging. Eine Runde vor Schluss sah Clark wie der sichere Sieger aus, doch dann streikte auf halbem Weg plötzlich die Benzinzufuhr. Die Aufholjagd hatte zu viel Sprit gekostet. Während Surtees im Honda und Brabham vorbeizogen und den Sieg unter sich ausmachten, rollte Clark stotternd als Dritter ins Ziel.
Jochen Rindt, GP Monaco 1970
Im Training lief alles schief. Jochen Rindt verlor durch einen Motorschaden viel Zeit und landete nur auf dem achten Startplatz. Dort lag der Österreicher auch noch bis zur 11. Runde. Der Lotus-Pilot rollte ein wenig lustlos mit dem Pulk auf einer Strecke, die er nicht sonderlich mochte. Erst als Rindt in der 36.

Runde an Henri Pescarolo vorbei ging und damit auf Rang 4 lag, hatte er das Gefühl, dass dieses Rennen ihm noch etwas zu bieten hatte. Fünf Runden später wurde ihm der 3. Platz geschenkt, weil Denis Hulme Teile der Strecke mit einer Hand fahren musste. Mit der anderen hielt er den Schalthebel fest. Der erste Gang sprang immer wieder raus. Als Chris Amon in Runde 61 mit gebrochener Hinterradaufhängung das Feld räumte, da wurde Rindt ein Rückstand von 14 Sekunden auf Spitzenreiter Jack Brabham angezeigt. 19 Runden vor dem Ende schaltete Rindt in den Qualifikationsmodus um. Der Lotus-Pilot fuhr jede Runde am Limit und hatte drei Runden vor Schluss schon bis auf 5 Sekunden auf Brabham aufgeschlossen.
Jo Siffert spielte Brabhams Verfolger einen Ball ins Tor, als er beim Überrunden nicht aufpasste und den Führenden ein paar Kurven lang behinderte. Zu Beginn der letzten Runde trennten die beiden Spitzenreiter 1,5 Sekunden. In der Hafenschikane waren es noch zwei Wagenlängen. Auf der Anfahrt zur Gasometerkurve mussten Brabham und Rindt am de Tomaso von Courage vorbei. Brabham war etwas irritiert, bremste zu spät und landete in den Strohballen. Rindt zog innen vorbei zum Sieg. 23 Sekunden später schlich Brabham mit einem beschädigten Auto über den Zielstrich.
Clay Regazzoni, GP Monaco 1979
Jody Scheckter nutzte seine Pole Position, während Gilles Villeneuve für zwei Runden hinter Niki Lauda fiel. Damit war der Zieleinlauf vorbestimmt. Villeneuve durfte bis an den anderen Ferrari heranfahren, aber er durfte ihn nicht überholen. Als der Kanadier ausgefallen war, sah alles nach einem gemütlichen Nachmittag für Scheckter aus. Doch für den Südafrikaner wurde es noch einmal eng. Das Szenario erinnerte an 1970, als Jochen Rindt den Führenden Jack Brabham in einen Fehler hetzte. Wie Rindt kam auch Clay Regazzoni aus dem Nirgendwo.
Der Schweizer Veteran war aus der achten Reihe gestartet und lag in der 20. von 76 Runden noch auf Rang 10. Dann inszenierte der alte Mann im Williams eine Aufholjagd, die man ihm nicht mehr zugetraut hatte. In der 54. Runde tauchte der Grandseigneur des GP-Sports an zweiter Stelle auf. 18 Sekunden hinter Jody Scheckter. Obwohl Regazzoni Ärger mit dem zweiten Gang bekam, holte er den gesamten Rückstand auf und ging im Windschatten des Ferrari in die letzte Runde. Scheckter ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen wie 1970 Jack Brabham. Der spätere Weltmeister machte mit 0,44 Sekunden Vorsprung seinen zweiten Monte Carlo-Sieg nach 1977 perfekt.
Nigel Mansell, GP England 1987
Die Zuschauer kamen voll auf ihre Kosten. Nigel Mansell und Nelson Piquet setzten ihr Duell vom Vorjahr fort, und Mansell ließ erneut die Nummer eins im Stall hinter sich. Auf den vollbesetzten Rängen herrschte Volksfeststimmung. Die englischen Medien hatten den Zweikampf zusätzlich befeuert, indem sie die Hauptakteure verbal aufeinander losließen. Jeder durfte seine Boshaftigkeiten loswerden. Piquet schlug etwas mehr unter der Gürtellinie zu und machte sich so schon vor dem Rennen zum „bad boy“ bei den Fans. Daily Mirror titelte: „Rennen des Hasses“.
Der Brasilianer stand zum ersten Mal seit seinem schweren Unfall in Imola wieder auf der Pole Position. Ein kleiner Nadelstich im Land des Gegners. Im Rennen zunächst das gleiche Bild. Piquet bestimmte das Tempo, Mansell hetzte ihm hinterher. Weil er keinen Weg an Piquet vorbeifand, bog Mansell in der 35. von 65 Runden zum Reifenwechsel an die Boxen ab. Danach wurden ihm 28 Sekunden Rückstand auf seinen Widersacher angezeigt. Dann ließ sich Mansell von der Welle der Begeisterung tragen. Elf Mal verbesserte er den Rundenrekord. Längst kümmerte er sich nicht mehr um die Verbrauchsanzeige, die dick im Minus stand. In der 62. Runde klebte Mansell dem anderen Williams im Heck. Eine Runde später ging er spektakulär vor Stowe Corner in Führung. Piquet wehrte sich nur kurz. Seine Reifen waren am Ende. Und er war immer noch in der Meinung, dass Mansell das Benzin ausgehen müsse, da er selbst gerade so in der Marschroute lag. Auf der Ziellinie las Mansell ein Minus von 2,5 Litern auf seinem Display ab.
Gerhard Berger, GP Italien 1988
Das Autodrom von Monza stand Kopf, und die Formel 1-Gemeinde stieß einen Stoßseufzer der Erleichterung aus. Nur in der McLaren-Box trug man versteinerte Gesichter zur Schau, als ob man gerade die Weltmeisterschaft verloren hätte. Nach acht Doppelsiegen gab es in Monza eine doppelte Null. Der ehrgeizige Plan von Ron Dennis, alle Rennen zu gewinnen, wurde in der vorletzten Runde von einem ausgelöscht, der sein erstes Formel 1-Rennen fuhr. Mansell-Ersatz Jean-Louis Schlesser wurde mit seinem Auftritt in der ersten Schikane berühmt. Der Mann, der im Alter von 36 Jahren sein GP-Debüt gab, schob Spitzenreiter Ayrton Senna von der Bahn.

Senna hatte sich von den näher rückenden Ferrari in seinem Rücken nervös machen lassen und wollte sich zu Beginn der 50. Runde unbedingt vor der ersten Schikane noch an dem Williams-Judd vorbeibremsen. Schlesser machte zwar im letzten Moment Platz, doch Senna zog zu früh auf die Ideallinie zurück. Dabei sprang das rechte Hinterrad des McLaren über den linken Vorderreifen des Williams. Aus der Traum vom achten Sieg. Gerhard Berger meinte zu seinem ersten Saisonsieg: „Als hätte uns einer aus dem Himmel gelenkt.“ Und alle dachten an den einen Monat zuvor verstorbenen Enzo Ferrari. McLaren-Honda ging leer aus. Alain Prost war in der 35. Runde mit einem Motorschaden ausgefallen. Honda hatte seine Piloten wegen des unerwartet hohen Benzinverbrauchs angewiesen, den Ladedruck zurückzunehmen und das Benzingemisch abzumagern. Das vertrugen die Motoren nicht. Senna bekam daraufhin den Befehl: Gemisch wieder anreichern, langsam fahren. Gerhard Berger und Michele Alboreto holten mit Riesenschritten auf und flogen nach Sennas Ausfall unter dem Jubel von 120.000 siegestrunkenen Tifosi im Abstand von 0,502 Sekunden über die Ziellinie.
Ayrton Senna, GP Japan 1988
Ayrton Senna machte es spannend. Der Trainingsschnellste kehrte aus der ersten Runde nur als Achter zurück, weil ihm beim Start die Drehzahl des Motors in den Keller fiel. „Der Motor war gleich zwei Mal kurz vor dem Absterben“, berichtete der Brasilianer später. 13 Kollegen zogen an dem langsam dahinrollenden McLaren vorbei. Doch noch im Verlauf der ersten Runde holte sich Senna mit dem Mut der Verzweiflung sechs Positionen zurück. In der vierten Runde tauchte Senna auf dem 4. Platz auf. Nur Gerhard Berger und Ivan Capelli trennten ihn noch von Alain Prost, der allerdings bereits 13 Sekunden Vorsprung hatte. Ein bei gleichwertigen Autos fast uneinholbarer Rückstand im Zeitalter des Benzinsparens.
Zwei Umstände halfen Senna, die Lücke zu seinem Stallrivalen zu schließen. Ein leichter Schauer zwischen der 9. und der 16. Runde. Und Überrundungen, die Prost mehr Zeit kosteten als seinen Verfolger. Ab der 20. Runde fuhren die McLaren-Piloten im Tandem. Ivan Capelli, der in der 16. Runde für 400 Meter in Führung lag, war gerade mit einem Motorschaden ausgefallen. In der 28. Runde leitete Senna das Überholmanöver ein, das die Weltmeisterschaft entscheiden sollte. Der Brasilianer zwängt sich zwischen Prost und dem rechten Streckenrand vorbei. Der Gegner hatte ihm gerade eine Wagenbreite Platz gelassen. Bis zur 45. Runde hielt Prost noch Anschluss, dann setzte erneut Regen ein. Senna war seinen Verfolger zwar los, doch diesmal war Regen so stark, dass der angehende Weltmeister händeringend einen Abbruch forderte. Er wurde nicht erhört. Senna musste in Suzuka gewinnen, wenn er den ersten Matchball zum Titel verwandeln wollte. Mit Tränen in den Augen gestand Senna: „Mein Lebenstraum hat sich erfüllt.“
Alain Prost, GP Mexiko 1990
Dieser Grand Prix von Mexiko hielt sich nicht an den Regieplan. Es begann schon damit, dass nicht Ayrton Senna auf der Pole Position stand, sondern Gerhard Berger. Für Alain Prost schien das Rennen bereits gelaufen. Sennas Herausforderer fuhr nur die 13. schnellste Trainingszeit. Er hatte seine Qualifikationsreifen zu früh verschossen. Senna machte seine Trainingsniederlage schon vor der ersten Kurve wieder wett. Doch im Mittelfeld trumpften die im Training so enttäuschenden Ferrari groß auf. Alain Prost hatte den kleinstmöglichen Heckflügel gewählt, und er flog an einem nach dem anderen vorbei. Insgesamt zehn Kollegen überholte der Franzose auf der Strecke.
In der 13. Runde tauchte er zum ersten Mal in den Punkterängen auf. In der 42. Runde war er Dritter. Und im 55. Umlauf rang er in einem Duell über drei Kurven Teamkollege Nigel Mansell nieder. Im Verlauf seiner Aufholjagd fuhr Prost mit 1.17,958 Minuten die schnellste Rennrunde. Sie war um 1,1 Sekunden besser als seine Trainingszeit. Damit blieb nur noch Senna übrig. Der Vorsprung des Brasilianers auf Prost schmolz mit jeder Runde dramatisch. Der rechte Hinterreifen am McLaren verlor langsam Luft. Senna wollte wechseln, aber Teamchef Ron Dennis lehnte ab. Seine Sturheit bezahlte Dennis damit, dass zuerst beide Ferrari an Senna vorbeigingen, und der Weltmeister von 1988 dann sein Auto mit zerfetztem Reifen an den Boxen parkte. Neun Punkte für Prost, null für Senna.
Michael Schumacher, GP Europa 1995
Neun Grad, Nebel, feuchte Fahrbahn. Eigentlich Schumacher-Wetter. Doch der deutsche Weltmeister fuhr in der ersten Rennhälfte mit der Bremse des Titelkampfes im Hinterkopf. Die favorisierten Williams-Piloten stolperten über hausgemachte Probleme, Abflüge der Fahrer, Fehler am Kommandostand. Doch da gab es noch einen Gegner, mit dem man nach dem Trainingsergebnis nicht rechnen konnte. Jean Alesi pokerte als einziger aus dem Spitzenpulk mit Slicks. Und der Ferrari-Pilot pokerte richtig. Der neue Spitzenreiter hatte zudem Benzin für ein Einstopp-Rennen an Bord.
Die Williams-Piloten planten mit zwei, Schumacher mit drei Stopps. Der Vorsprung von Alesi wuchs teilweise bis auf 40 Sekunden an. In seinem Rücken lieferten sich Michael Schumacher und Damon Hill einen Zweikampf auf Biegen und Brechen, den Hill mit einem Ausritt bezahlte. Damit hatte Schumacher freie Fahrt. Jetzt konnte der Benetton-Pilot, angefeuert von 91.000 Zuschauern, attackieren. Er zoomte sich an Alesi heran, nur um zu erfahren, dass noch ein dritter Boxenstopp auf dem Programm steht. 15 Runden vor Schluss ging Schumacher mit 22,3 Sekunden Rückstand auf den Ferrari zurück auf die Strecke. Und mit den frischeren Reifen. Die von Alesi waren zu dem Zeitpunkt bereits 18 Runden alt. Es dauerte nur 13 Runden, da hatte der Lokalheld die Lücke wieder geschlossen. Und ging drei Umläufe vor Schluss in der Veedol-Schikane mit Feindberührung an Alesi vorbei.
Jenson Button, GP Kanada 2011
Es war der längste Grand Prix der Geschichte. Das 31. Rennen in Montreal seit 1979 dauerte 4:04.39,537 Stunden. Der Schnitt sank auf 74,864 km/h. 122 Minuten lang passierte zwischen den Runden 24 und 25 wegen eines Wolkenbruchs gar nichts. Das Duell um den Sieg entschied sich erst drei Kilometer vor dem Ziel. Jenson Button nutzte einen Ausrutscher von Sebastian Vettel in der Chicane Pont de la Concorde und zog vorbei. Der Sieger kam auf insgesamt sechs Boxendurchfahrten in den Runden 8, 13, 19, 35, 37 und 51. Darunter eine Durchfahrtstrafe wegen einer Kollision mit Lewis Hamilton.
Vettel ging nur drei Mal an die Box und verlor trotzdem. Die Geschichte des Siegers hörte sich unglaublich an. Bei Halbzeit des Rennens lag er mit 75 Sekunden Rückstand auf Vettel auf dem letzten Platz. Button verbrachte 2.21 Minuten in der Boxengasse, überholte 23 Autos, fiel drei Mal zurück und kämpfte sich immer wieder nach vorne. Button überstand auch zwei Kollisionen. Er drückte Lewis Hamilton gegen die Boxenmauer und rempelte Fernando Alonso von der Strecke. Auf Regenreifen fand der McLaren keinen Grip, auf Intermediates lief es gut, und auf Slicks konnte ihn keiner halten. Es erwies sich als glückliche Fügung, dass McLaren aus Versehen Flügel mit zu viel Abtrieb mitgebracht hatte. Das half in der Schlussphase bei Asphalttemperaturen von nur 20 Grad die extraweichen Pirelli-Slicks auf Temperatur zu bringen. Vettel ärgerte sich am Ende über sich selbst. „Ich hätte nach der letzten SafetyCar-Phase sofort Tempo machen und mir ein Polster von sechs Sekunden auf Button herausfahren müssen. Das hätte Jenson nicht mehr aufgeholt.“
Fernando Alonso, GP Europa 2012
Mit diesem Sieg hatte Fernando Alonso nicht gerechnet. Weil Ferrari in der zweiten K.O.-Runde der Qualifikation Reifen sparen wollte, blieb der Spanier auf Startplatz 11 hängen. Dazu noch ein haushoch überlegener Sebastian Vettel. Für Alonso war ein Platz auf dem Podium ein Traumresultat. Nach einem Blitzstart, einem gut getimten ersten Boxenstopp und zwei Überholmanöver hatte der Ferrari-Pilot sein Maximalziel erreicht. Platz 3 vor der SafetyCar-Phase, ausgelöst durch eine Kollision zwischen Jean-Eric Vergne und Heikki Kovalainen.

Kaum war das SafetyCar wieder eingeschert, bewies Alonso Mut zum Risiko. Er bremste sich am überraschten Romain Grosjean vorbei. Zwei Runden danach parkte Vettel am Streckenrand, und wieder sieben Runden später auch Grosjean. Beide mit dem gleichen Defekt. Im Inneren der Lichtmaschine war alles verschmort. Renault beklagte einen ähnlichen Ausfall bereits mit Vitaly Petrov in Monte Carlo. Alonso spricht heute von seinem größten GP-Triumph: „In 99 Prozent aller Fälle wirst du bei der Konstellation nicht Erster. Aber an diesem Tag passte alles: Die Chancenauswertung, die Überholmanöver, der Speed und die Strategie.“
Vettel Abu Dhabi 2012
Fernando Alonso konnte sich über den zweiten Platz nicht so recht freuen. Weil Sebastian Vettel Dritter wurde und er im Titelrennen nur drei Punkte aufgeholt hatte. Damit war nach dem Training nicht zu rechnen. Vettel blieb nach der schnellen Trainingsrunde 400 Meter vor der Boxeneinfahrt auf der Strecke stehen. Laut Telemetrie befand sich im Kollektortank kein Benzin mehr. Beim Auslitern wurden noch 850 Milliliter zutage gefördert, 350 weniger als gefordert. Vettel verlor seinen dritten Startplatz. Red Bull entschied daraufhin aus der Boxengasse zu starten. So durfte man einen längeren siebten Gang einbauen und die Flügel flacher stellen. Topspeed-Gewinn: 10 km/h.
Der Red Bull-Pilot setzte voll auf Risiko, kam bis auf den elften Platz nach vorne, musste nach einer Kollision mit Bruno Senna den Frontflügel tauschen und fiel auf Rang 21 zurück, kämpfte sich wieder bis an die zweite Stelle, verlor beim programmgemäßen Reifenwechsel erneut zwei Positionen und kam als Dritter ins Ziel. Vettels Prellbock hieß Jenson Button. Zehn Runden lang fuhr ihm der McLaren vor der Nase herum. Vettel konnte vom DRS-Vorteil nicht profitieren, weil auch Button DRS aktivieren durfte. Alonso fuhr immer gerade so schnell, dass Button hinter ihm den Heckflügel flachstellen durfte. Erst acht Runden vor Schluss drehte der Ferrari-Pilot auf. Räikkönen verfehlte er um 0,8 Sekunden. Doch Vettel kam zu spät an Button vorbei, um Alonso noch gefährlich zu werden.
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