Formel 1: Das Rätsel mit der schwankenden Form

Formel-1-Rätsel um die Autos
Selbst Red Bull nicht konstant

GP Großbritannien 2023
Veröffentlicht am 07.07.2023

Diese Formel-1-Saison ist nur schwer zu erklären. Es gibt nur eine Konstante, die man nicht erklären muss. Red Bull fährt vorneweg. Egal auf welcher Rennstrecke. Egal bei welchem Wetter. Egal auf welchen Reifenmischungen.

Die Verfolger zeigen starke Schwankungen. Mercedes ist stark in Barcelona und schwach in Spielberg. Aston Martin hinterlässt seine Visitenkarte in Montreal, bleibt aber farblos in Barcelona. Ferrari fährt in Barcelona am Ende des Verfolgerpulks und in Spielberg an der Spitze.

Die Stärken und Schwächen der einzelnen Auto bestimmen die Form. Aston Martin verliert Zeit auf den Geraden und in schnellen Kurven. Mercedes leidet, wenn Topspeed und Traktion gefragt sind. Ferrari hat ein Problem mit den lang gezogenen Kurven, weil dort Balanceverschiebungen am meisten dem Fahrer das Vertrauen rauben.

Das führte dazu, dass Red Bull in den letzten drei Rennen drei Mal ein anderes Team im Rückspiegel hatte. In Barcelona Mercedes, in Montreal Aston Martin, in Spielberg Ferrari. Aston-Martin-Teamchef Mike Krack urteilt: "Wir haben von den drei Verfolgern die geringsten Ausschläge."

Carlos Sainz - Ferrari - GP Österreich 2023
Motorsport Images

Streckenlayouts bestimmen das Ergebnis

Die Teams arbeiten an ihren Schwächen und bringen im Vierwochen-Rhythmus neue Teile an ihre Autos. Doch bis jetzt hat sich das Bild noch nicht entscheidend geändert. Auch wenn Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur protestiert: "Wir haben Konstanz gewonnen. In Spielberg waren wir im Vergleich Rennen zur Qualifikation zum ersten Mal besser als unsere direkten Gegner."

Fernando Alonso erkennt bei den einzelnen Autos eine gewisse Historie der Stärken und Schwächen. Mercedes war schon immer stark in Barcelona, Aston Martin schon immer besser in Montreal als in Spielberg, Ferrari schon immer eine Bank am Red-Bull-Ring.

Mike Krack bestätigt: "Ich glaube, Fernando hat da einen Punkt. Und es ist nicht leicht, aus diesem Muster auszubrechen." Das liegt daran, dass jedes Auto eine bestimmte DNA hat, die man nicht einfach so mit einem neuen Frontflügel oder Unterboden ändert. Eine Transformation braucht viele Schritte, die Hand in Hand greifen.

Auch Red Bull zeigt Schwankungen

Von außen sieht es so aus, als hätte Red Bull diese Transformation schon geschafft, seine Schwächen abgeschafft und gleichzeitig seine Stärken bewahrt. George Russell bestreitet das: "Auch Red Bull hat seine Schwankungen. Die äußern sich in ihrem Vorsprung. Manchmal beträgt er zehn Sekunden, manchmal 40."

Max Verstappen stimmt dieser Einschätzung zu: "Unser Auto ist nicht so fantastisch auf Straßenkursen mit vielen Bodenwellen. Deshalb waren unsere Gegner in Monte Carlo oder Montreal näher an uns dran. Uns liegen mehr die offenen Rennstrecken mit schnellen Kurven."

George Russell führt die zum Teil extremen und schwer erklärbaren Formschwankungen darauf zurück, dass es unheimlich schwierig ist, die Reifen in ihr Arbeitsfenster zu bringen und dort zu halten. Und da die Autos auf unterschiedlichen Streckenlayouts, Asphaltbeschaffenheiten und Temperaturen stark regieren, sind auch die Konsequenzen so extrem.

Mercedes - Formel 1 - GP England - Silverstone - Donnerstag - 6.7.2023
ams

Ändern die neuen Reifen das Bild?

Russell räumt ein, dass es möglicherweise unmöglich ist, mit diesen Groundeffect-Autos den perfekten Kompromiss zu finden. "Sie sind stark von der Bodenfreiheit abhängig, und jedes Auto hat seinen Wohlfühlbereich bei einer anderen Fahrzeughöhe." Für Red Bull gelten nur deshalb andere Regeln, weil das Auto so haushoch überlegen ist. Der RB19 fährt unter seinen schlechtesten Bedingungen immer noch schneller als die Konkurrenz unter besten Voraussetzungen.

Silverstone könnte deshalb ein guter Gradmesser für Mercedes werden. Es ist ein Streckentyp, der auf dem Papier dem Red Bull und dem Mercedes liegt. Also sollte man auf dem ehemaligen Flugplatzkurs auch den wahren Unterschied erkennen. Zumal Mercedes mit einem neuen Frontflügel nun nach eigener Aussage ein besseres Werkzeug hat, die Balanceverschiebungen zu kontrollieren.

Aston Martin bringt eine weitere Ausbaustufe seines AMR23, um die Handikaps auf schnellen Strecken zu reduzieren. Und Ferrari hofft, dass sich der Aufwärtstrend auch auf einer Strecke fortsetzt, die von der Papierform eher gegen den SF-23 spricht. "Unser Ziel ist es, einen guten Job unter schweren Bedingungen abzuliefern", gibt Vasseur die Richtung vor.

Eine Unbekannte bleibt für alle Teams. Pirelli liefert zum ersten Mal seine neue Reifenkonstruktion als Antwort auf die stark gestiegenen Kurvengeschwindigkeiten aus. Ein Satz wiegt mehr, weil der Unterbau des Reifens verstärkt werden musste. Vasseur wie Russell können sich nicht vorstellen, dass diese Maßnahme ohne Folgen bleibt. "Einigen Teams wird es nutzen, einigen schaden."