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F1 Budgetdeckel-Schlupflöcher enthüllt
So tricksen die Teams bei der Entwicklung

Die Budgetdeckelung sollte Chancengleichheit in der Formel 1 garantieren. Doch schon im dritten Jahr stellt sich heraus, dass es zu viele Schlupflöcher gibt, von denen hauptsächlich die Top-Teams profitieren. Wir verraten, wie bei der Entwicklung getrickst wird.

Aston Martin Valkyrie - Bahrain 2022 - Formel 1
Foto: Wilhelm

Die Idee war gut, doch die Umsetzung erweist sich als schwierig. Mit der Budgetdeckelung sollte das größte Problem der Formel 1 gelöst werden. Die neuen Rechteinhaber aus den USA nahmen den alten Plan von Max Mosley dankbar auf und installierten ihn, analog zu den Gehaltsobergrenzen in den großen US-Profiligen, um für mehr Chancengleichheit zu sorgen.

Die unterschiedlichen Voraussetzungen der Teams in der Formel 1 war doppelt ungerecht. Die reichen Rennställe hatten nicht nur die besten Leute, sondern auch noch mehr davon. So als würde man Real Madrid, Manchester City oder Bayern München erlauben, mit 33 Spielern statt mit elf anzutreten. Das führte dazu, dass zwischen 2013 und 2020 nur Fahrer von Mercedes, Ferrari oder Red Bull einen Grand Prix gewannen. Pierre Gasly im Alpha Tauri war in Monza der erste Überraschungssieger in acht Jahren.

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Budgetdeckel erhöht Teamwert

So viel Berechenbarkeit hält kein Sport auf Dauer aus. Mit Hilfe der Corona-Krise installierte die FIA im Jahr 2021 einen Budgetdeckel, der zunächst auf 145 Millionen Dollar festgesetzt wurde und seit Jahresbeginn 2023 an seinem Zielpunkt von 135 Millionen Dollar angelangt ist. Tatsächlich dürfen die Teams mit allen Zulagen für zusätzliche Rennen und Sprintwochenenden sowie dem Inflationsausgleich rund 153 Millionen ausgeben.

Kaum mussten die Rennställe innerhalb von finanziellen Grenzen wirtschaften, freundeten sie sich mit dem neuen System an. Weil es den Wert ihrer Lizenzen steigerte. Nach außen hin ist die Formel 1 jetzt ein profitables Geschäft und macht sie attraktiv für Investoren. Erst kürzlich verkaufte Alpine 24 Prozent seines Rennstalls für 200 Millionen Euro.

Wenn alle Teams sich an das Sparen halten würden, wäre die Kostendeckelung ein echter Schritt zu mehr Chancengleichheit. Doch schon die Saison 2022 hat gezeigt, dass es auch in dieser Disziplin Schlupflöcher gibt. Red Bull hat sie gesucht und gefunden.

Weil die Obergrenze um 1,8 Millionen Pfund überschritten wurde, musste der Rennstall eine Strafe von 7 Millionen Dollar zahlen und zehn Prozent weniger Windkanalzeit akzeptieren. Aston Martin wurde für inkorrekte Angaben bei der Kostenüberprüfung mit 450.000 Dollar zur Kasse gebeten.

Prüfergebnis schon im September

Die Ergebnisse der Buchprüfung wurden den Teams erst im Oktober mitgeteilt. Die FIA entschuldigte sich mit Personalmangel. 2022 standen drei Prüfer für zehn Teams bereit. Und die segelten zum Teil hart am Wind. Es liegt in der DNA dieses Sports, dass man überall ans Limit geht und die geringste Chance nutzt, Kosten zu verstecken.

Um den Prüfprozess zu beschleunigen und Sünder besser aufzuspüren, wurde die Abteilung von Finanzchef Federico Lodi auf zehn Mitarbeiter aufgestockt. Ab Ende März nahmen sich die Buchprüfer pro Monat jeweils zwei Teams vor, gingen durch die Bücher, führten Interviews, ließen sich den Mail-Verkehr oder WhatsApp-Nachrichten zeigen oder tauchten auch mal unangemeldet mit unangenehmen Fragen in der Fabrik auf, um zu schauen, ob die von den Teams eingereichten Geschäftsberichte den Tatsachen entsprechen.

Ende Juli soll die Prüfung abgeschlossen sein. Wer im Verdacht steht, das Limit überschritten zu haben, wird im August noch einmal Besuch von der FIA-Polizei bekommen. Anfang September sollen alle Teams formal über die Ergebnisse unterrichtet werden. Schon jetzt wird im Fahrerlager gemunkelt, dass wieder mindestens zwei Teams im Fokus der Ermittlungen stehen, den Bogen überspannt zu haben.

Sergio Perez - Red Bull - Lance Stroll - Aston Martin - GP England 2023 - Silverstone
Motorsport Images
Aston Martin und Red Bull: Der eine hat den Valkyrie, der andere bald den RB17.

F1-Teams: Trick mit Splitterfirmen

Im Zuge der Untersuchungen kam heraus, dass es viel mehr Grauzonen gibt, die von den Top-Teams genutzt wurden und werden. Deshalb verschickten Lodi und FIA-Technikdirektor Tim Goss am 19. April die Technische Direktive TD045, die einen Teil der festgestellten Tricksereien unterbinden soll.

Die Teams sind den Regelhütern aber immer einen Schritt voraus. Ein beliebtes Mittel ist die Aufsplittung des Kerngeschäfts in viele unterschiedliche rechtlich eigenständige Firmen, die dann Boote, Fahrräder oder radikale Supercars für die Straße bauen. So lassen sich viele Ingenieure parken, die sonst wegen besserer Aufstiegschancen oder lukrativerer Bezahlung zu anderen Teams oder in die Industrie abwandern würden.

Diese Mitarbeiter betätigten sich dann nur noch zu 10, 25 oder 50 Prozent für das Formel-1-Team, und ihr Gehalt wurde entsprechend reduziert in der F1-Kostenstelle verbucht. Der nächste Schritt sah so aus, dass die Teams neue Firmen gründeten, um gewisse Dienstleistungen outzusourcen. Bei diesen "externen" Firmen kauften die Teams dann zu einem günstigeren Preis ein, als wenn man es selbst gemacht hätte.

Flatrate statt Eigenproduktion

Mercedes installierte eine Software-Firma, die hauptsächlich Mercedes beliefert. Aston Martin eine Karbon-Manufaktur, die im Haus Kohlefaserkomponenten baut, aber eine Firma in der Firma ist. Sie liefert an den Formel-1-Rennstall zum Selbstkostenpreis. Es lohnt sich für die Mitarbeiter trotzdem, bei diesem Sub-Unternehmer angestellt zu sein, weil der außerhalb der Stoßzeiten auch Fremdaufträge annehmen darf, die dann die Kasse aufbessern.

Das gleiche Modell bietet sich für die Entwicklungsabteilung an. Die könnte dem Team für eine Flatrate Neuentwicklungen verkaufen, die bei Selbsterstellung viel höhere Kosten verursachen würden. Weil in dem Fixpreis alle fehlgeschlagenen Entwicklungen gar nicht erscheinen. Die TD045 soll Auswüchse dieser Art nun proaktiv verhindern.

Jetzt aber hat sich ein neuer Trick herumgesprochen, der praktisch nicht in den Griff zu bekommen ist. Im Moment können ihn in der Theorie nur Red Bull und Aston Martin anwenden, aber er könnte Schule machen, sollte die FIA kein Gegenmittel finden.

Red Bull Advanced Technologies entwickelt gerade einen extremen Sportwagen für betuchte Kunden. Der RB17 ist ein Formel-1-Auto mit verkleideten Rädern. 50 Einheiten zum Preis von fünf Millionen Euro werden von dem Supercar bis 2025 gebaut. Das Gleiche gilt für die Rennstrecken-Version des Aston Martin Valkyrie, der einst von Red Bull entwickelt worden war, dessen Betreuung jetzt aber Aston Martin übernommen hat.

Adrian Newey - Christian Horner - Red Bull - Formel 1
Red Bull
Mit dem RB17 hat Star-Designer Adrian Newey (Mitte) eine neue Spielwiese.

Supercars als Entwicklungshilfe

An beiden Autos könnte man sowohl mechanisch als auch aerodynamisch Komponenten entwickeln, die auch für die Formel 1 relevant wären. Und sich somit Geld und Zeit sparen. Wenn die Autos mal fahren, könnte man auch Streckendaten sammeln. Es gibt keine Regeln für diese Art Fahrzeuge. Die entsprechenden Teams müssten nicht einmal etwas verheimlichen. Sie könnten ganz offen zeigen, dass beispielsweise der Unterboden des Supercars ein Abziehbild der Formel-1-Version ist. Niemand kann dem Hersteller dieser Autos verbieten, was drin steckt und was nicht.

Mit einem Le-Mans-Hypercar, wie es Ferrari und bald auch Alpine haben, geht das nicht. Dafür gibt es ein Reglement, das mit der Formel 1 nichts zu tun hat. Es würde auffallen, wenn Ferrari unter seinen 499P zu Testzwecken einen Unterboden schrauben würde, der dem SF-23 ähnlich sieht. Ferrari müsste den gleichen Weg wie Red Bull über einen Kunden-Sportler für die Rennstrecke gehen.

Red Bull behauptet natürlich, dass bei übergreifenden Themen der Informationsfluss nur von der Formel 1 zum Hypercar geht und dass die Kommunikation zwischen den beiden Abteilungen von der FIA genau geprüft wird. Aber wer kann schon belastbar nachweisen, dass es nicht doch umgekehrt passiert? Bei einem Gespräch in der Kantine oder im Pub?

Die Ingenieure kennen sich untereinander. Man spricht die gleiche Sprache, weil viele Techniker vorher in der Formel-1-Abteilung gearbeitet haben. Da reicht der Hinweis, dass sich diese oder jene Entwicklung lohnt oder nicht. Es braucht weder Daten noch Zeichnungen noch Telefongespräche oder Mail-Verkehr. Keiner wird so dumm sein und Spuren hinterlassen.

Kann Sumpf trockengelegt werden?

Es ist ein Sumpf, den die FIA fast nicht trockenlegen kann, der aber gegen den Geist der Regeln verstößt. Noch vertrauen Mercedes, Ferrari, McLaren und Alpine den Prüfmethoden und der strengen Regelauslegung der FIA. Sollte sich aber herausstellen, dass hier jede Kontrolle versagt, müsse man, so Toto Wolff, über ein ähnliches Modell nachdenken. Mit dem AMG Project One hätte Mercedes immerhin ein eigenes Supercar im Haus.

Am Ende geben die Top-Teams in Summe all ihrer Aktivitäten und Splitterfirmen so viel Geld aus wie früher. Es taucht nur nicht in den Formel-1-Büchern auf. Nach außen wahrt man so den Anschein eines profitablen Geschäfts, das es aber nicht ist.

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