Carsten Sostmeier ging so richtig aus dem Sattel. Der ARD-Kommentator begleitete am Montag (29.7.) ekstatisch den Auftritt von Michael Jung und seinem Pferd Chipmunk bei den olympischen Spielen 2024. Jung gewann in Versailles zum dritten Mal in seiner Karriere im Einzel die Goldmedaille im Vielseitigkeitsreiten. Doch was hat das mit Motorsport zu tun? Mehr als man auf den ersten Blick vermuten dürfte.
Seit dem 27. Juli messen sich in Frankreich, hauptsächlich in und um Paris, für zwei Wochen die besten Sportler der Welt in den verschiedensten Disziplinen. Alle Athleten erfüllen sich mit der Teilnahme an den olympischen Spielen einen Traum.
Eine Gattung von Wettkämpfern schaut jedoch seit Jahrzehnten nur von außen zu: die Motorsportler. Bestrebungen, das zu ändern, verlaufen immer wieder im Sand oder existieren gar nicht. Lediglich bei den Sommerspielen von Paris im Jahr 1900 gab es Automobilwettfahrten, die jedoch nicht vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) anerkannter Bestandteil der Spiele waren.
Formel-1-Fahrer Fernando Alonso sah den "Ausschluss" im Vorfeld des Grand Prix von Ungarn nicht so eng. "Wir repräsentieren unsere Länder ohnehin alle zwei Wochen auf eine andere Art und Weise."

Fernando Alonso sieht sich auch ohne olympische Spiele als Repräsentant seines Landes.
Go-Karts als Option?
Der Aston-Martin-Pilot kennt die kritischen Stimmen der Gegner, die eine Aufnahme von Motorsport-Disziplinen ablehnen. Sie argumentieren, dass eine Maschine, beziehungsweise ein Rennauto, nichts bei Olympia zu suchen hat. Traditionell steht der menschliche Körper im Vordergrund, während der Motorsport stark von mechanischen Hilfsmitteln abhängt.
Alonso erklärte seine Gedanken. "Im Idealfall wäre es schön, wenn Sportler und Rennfahrer in Zukunft die Möglichkeit dazu hätten, bei Olympia zu sein, aber ich denke, das ist unwahrscheinlich, weil wir unsere Maschine brauchen. Selbst wenn man versucht, ein Rennen mit identischen Go-Karts zu veranstalten, wird es wahrscheinlich nie genau vergleichbar sein."
Der Spanier spielte dabei auf die Chancengleichheit der Athleten an. Selbst baugleiche Go-Karts können auf minimale Weise voneinander abweichen. Der Faktor Glück würde in den Augen der Fahrer eine erhebliche Rolle spielen. Sein Konkurrent Oscar Piastri (McLaren) pflichtete ihm bei. "Da der Motorsport in Bezug auf das Auto und das Team, das einen umgibt, so einzigartig ist, ist es sehr, sehr schwierig, das zu 100 Prozent auszugleichen, egal auf welchem Spielfeld." Williams-Pilot Alexander Albon hatte sogar einen anderen Vorschlag parat. "Wir sollten nicht im Go-Kart antreten. Da gibt es definitiv Schnellere als mich. Aber wie wäre es, wenn wir alle mit einem Mazda MX5 fahren würden? Das wäre ein Riesenspaß."
Glück mit dem Sportgerät spielt aber auch für die Reiter eine Rolle. Jedes Pferd ist unterschiedlich. Die Athleten sind von ihren Vierbeinern abhängig. Ohne sie könnten sie nicht um Medaillen kämpfen. Und es ist nicht unüblich, dass die Pferde zum Teil durch Doping und Gewalt gequält werden. Die Dressur-Olympiasiegerin Charlotte Dujardin wurde erst vor wenigen Tagen suspendiert und von den Spielen ausgeschlossen. Die Britin hatte ihr Pferd im Training ausgepeitscht.

24 Rennen trägt die Formel 1 dieses Jahr aus. Wo wäre da noch Platz für olympische Spiele?
Kein Platz für Olympia
Ein weiteres Problem für den Motorsport ist der enge Terminkalender. Alleine die Formel 1 wirft die Frage auf, wann sie ihre Rennfahrer für die olympischen Spiele entbehren könnte. Der Rekordkalender von 24 Rennen im Jahr lässt den Piloten heutzutage kaum noch Zeit durchzuschnaufen.
Die Verantwortlichen der Formel 1 müssten Rücksicht auf Olympia nehmen, wie es in anderen Sportarten auch der Fall ist. Bei den olympischen Winterspielen gibt es alle vier Jahre die Diskussion, ob die NHL (Nordamerikanische Hockey-Liga) den Spielbetrieb für mehrere Wochen pausiert, damit die besten Athleten für ihr Land bei Olympia antreten können. Die Formel 1 stünde vor einem ähnlichen Problem.
Der Motorsport erfordert außerdem eine teure und komplexe Infrastruktur sowie hohe Sicherheitsvorkehrungen, die nicht jede Austragungsstadt bietet. In Paris könnten keine Formel-1-Renner ohne großen Aufwand durch die Stadt rasen. Doch dem Problem könnte damit Abhilfe geschaffen werden, indem Rennstrecken in der Nähe aufgesucht werden. Viele Sportarten tragen ihre Wettkämpfe bei diesen Spielen außerhalb der französischen Hauptstadt aus.
Die kritische Frage der Nachhaltigkeit steht ebenfalls im Raum. Trotz Fortschritten in grünen Technologien bleibt Motorsport umweltschädlich, was den olympischen Prinzipien der Nachhaltigkeit widerspricht. Die aktuellen Sommerspiele sorgen in diesem Bereich aber auch ohne Rennautos für Stirnrunzeln. So finden die Surf-Wettbewerbe vor Tahiti statt. Die Doppelinsel liegt im Südpazifik, gehört zu Frankreich und ist schlappe 15.000 Kilometer von Paris entfernt.

Max Verstappen (links) und Lewis Hamilton (rechts) wären Botschafter des Motorsports bei Olympia.
Motorsport erzeugt Aufmerksamkeit
Surfen selbst ist erst seit Tokio 2020 eine olympische Sportart. Die Disziplin soll auch jüngeres Publikum anlocken und mediale Aufmerksamkeit erzeugen. Etwas, wofür der Motorsport prädestiniert wäre. Er ist populär und könnte neue Zuschauer vor die TV-Geräte locken. Das würde sich auch positiv auf das Sponsorengeld von Unternehmen bei Olympia auswirken.
Superstars wie Max Verstappen und Lewis Hamilton könnten mit ihrer Strahlkraft bei Olympia das Interesse und die Begeisterung anderer Sportfans wecken. Mit ihren Fähigkeiten könnten sie beweisen, dass auch der Motorsport Geschicklichkeit, Präzision und körperliche Fitness erfordert – ähnlich wie viele andere olympische Disziplinen. Zum Beispiel der Reitsport. Vielleicht würde das Talent der Rennfahrer auch ARD-Kommentator Carsten Sostmeier begeistern. So wie ihn das Zusammenspiel zwischen Ross und Reiter elektrisiert hat.