Das Straßenauto wandelt sich. Vom Verbrenner hin zum Elektro-Auto. Doch es gibt gewisse Anwendungsbereiche, wo eine Elektrifizierung nur schwer oder wahrscheinlich überhaupt nicht darstellbar sein wird. Zum Beispiel in der Flugzeugindustrie. Mit schweren Batterien an Bord kommt ein Überseeflieger nicht vom Boden weg. Auch der Top-Motorsport steuert gegen eine vollständige Elektrifizierung. Die Formel E droht im Schatten des mächtigsten Baums im Motorsport-Universum zu verwelken: der Formel 1.
Audi und BMW sind weg. Mercedes steigt nach der achten Saison aus. Der Marketing-Wert ist viel zu gering. Der Lerneffekt (mit Einheitsbatterie) zu begrenzt. Motorsport muss man sehen, riechen und hören. Die Formel 1 macht sich gerade zu attraktiv, um nicht dazuzustoßen. Liberty Media hat ein Geschäftsmodell aus ihr gemacht. Mit einem Budgetdeckel für das Chassis und einem kommenden für die Motoren. Ausgaben und Einnahmen lassen sich genau ausrechnen.
Den Elektro-Zug konnte und kann die Formel 1 nicht an sich vorbeifahren lassen. Die ganze Autoindustrie arbeitet – getrieben von der Politik – darauf hin. Deshalb soll mit dem neuen Antrieb ein Gleichgewicht her: 350 Kilowatt elektrische Leistung (wie Formel E ab Saison 9), 350 kW vom Verbrenner. Das sind je 476 PS, um bei der vertrauten Größe zu bleiben. Das wird zu einer größeren Batterie führen und damit zu mehr Gewicht, auch wenn sich die Technik weiterentwickelt. Der 1,6 Liter große V6-Turbomotor bleibt, wird aber mit zu 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff betrieben.

Formel 1 versus Fußball
"Ich denke, wir sind der einzige internationale Sport, der einen klaren Weg in die Zukunft eingeschlagen hat. Mit Blick auf Nachhaltigkeit", sagt F1-Boss Stefano Domenicali. Man hat sich dazu verpflichtet, bis 2030 CO²-neutral zu werden. Für die Saison 2019 bezifferte die Formel 1 ihren Ausstoß mit einem CO²-Äquivalent von 256.551 Tonnen. Zum Vergleich: Für die Fußball-WM 2018 in Russland wurde laut FIFA ein Gesamtausstoß von fast 2,2 Millionen Tonnen CO² errechnet.
Es bringt nichts, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Deshalb geht die Formel 1 selbst in die Offensive. Mit der Einführung eines nachhaltigen Kraftstoffs. Manche sagen, der komme 2026 zu spät. Vielleicht ist es aber auch schlau, einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Weil dieser Schuss sitzen muss, um zukunftsfähig, und um nicht angreifbar zu sein. Die Zukunft wird zeigen, ob der zögerliche Ansatz der richtige war. Jedenfalls soll der synthetische Kraftstoff 65 Prozent der Treibhausgas-Emissionen einsparen.
Die Herstellung im Labor verschlingt viel Energie. Deshalb sei es wesentlich effizienter, mit Elektro-Antrieben zu arbeiten, lautet ein allgemeiner Kritikpunkt. Domenicali missfällt es, Techniken gegeneinander auszuspielen. "Diese Diskussionen verfolgen den Ansatz vom Krieg der Religionen. Meine Mentalität ist eine andere. Wir sprechen über den Fußabdruck. Wenn wir den der Elektrifizierung von heute hinterfragen, ist es besser, dass ich schweige. Wir schlagen einen anderen Kurs ein, um zu versuchen, den richtigen Weg zu finden, die Emissionen zu verringern. Ich glaube daran, dass diese Technologie kurzfristig sehr viel effizienter ist."
Es gibt weltweit mehr als eine Milliarde Autos, die mit fossilem Brennstoff fahren. Es wäre bestimmt nicht effizient, sie zu verschrotten und gegen neue zu tauschen. Man müsste mal allein die Emissionen für eine solche "Neuaufgleisung" ausrechnen. Viele Menschen könnten sich ein neues Auto gar nicht leisten. Oder anders: Der Verbrenner wird noch lange bleiben. Der Clou am F1- Benzin: Es soll mit Straßenautos kompatibel sein: anhalten, nachtanken, nur halt den künstlichen Brennstoff.

Kosten müssen runter
Mit dieser Strategie aus E-Offensive und E-Fuels schlägt die Formel 1 die Brücke für die involvierten Hersteller. Sie lockt neue Player wie Porsche und Audi an. Erhöhte Elektro-Leistung heißt erhöhter Lerneffekt. Mit synthetischem Kraftstoff lässt sich eine bestehende Flotte sauberer machen – auf Märkten, wo Elektromobilität in absehbarer Zeit nicht den Durchbruch schaffen wird.
Auch wenn man dazu sagen muss, dass Produktionsstätten erst hochgezogen werden müssen und die Branche noch kein echtes Geschäftsmodell in E- oder Bio-Fuels sieht. Es könnte so anfangs nur ein geringer Prozentsatz tatsächlich versorgt werden. Sportwagen zum Beispiel. Andererseits müssen E-Ladesäulen auch erst flächendeckend gebaut werden. Und ohne grünen Strom bringt auch das E-Auto nichts.
Der neue Antrieb wird durch einfachere Technik, durch mehr Standardteile und den Wegfall der MGU-H günstiger. Der Stückpreis soll von zwei auf 1,3 Millionen fallen. Die abgespeckte Technik sollte es Neueinsteigern erleichtern, schnell wettbewerbsfähig zu werden. Das ist der Pferdefuß am aktuellen Motorenreglement. Honda stieg mit Verspätung ein und brauchte Jahre, um auf Topniveau zu kommen.
Eine aktive Aerodynamik soll den Luftwiderstand auf Geraden senken – und damit die Verbräuche. Ein rein elektrischer Antrieb wäre für Spitzenmotorsport offensichtlich der falsche Weg. Schnelles Ent- und Aufladen verkraften die Energiespeicher nicht in dieser Form. Lange Distanzen sind auf absehbare Zeit ausgeschlossen. Einen Fehler will die Formel 1 nicht wiederholen: ihr Produkt zu verstecken. Jeder soll sehen und verstehen, warum es sie als Entwicklungslabor braucht – und als Motorsport für die Fans.