Die Hersteller von Formel-1-Motoren wollen uns Kunden gerne weismachen, dass das Engagement im Rennsport vor allem der Entwicklung ihrer Serienautos dient. Die Königsklasse fungiere als Testlabor für den Einsatz auf der Straße, erzählen die Marketing-Spezialisten. Doch schaut man sich die hochgezüchteten Triebwerke aus dem Grand-Prix-Zirkus mal genauer an, zeigen sich doch einige markante Unterschiede zu ihren Serienpendants.
Technik-Spezialitäten der F1 vielfach nicht für die Serie
Eine Vorkammerzündung, die in der Formel 1 bei der ultramageren Verbrennung hilft, hat sich im Serienbau noch genauso wenig durchgesetzt wie MGU-H-Elektromaschinen, die auf der Turbowelle überschüssige Energie rekuperieren. Apropos Hybrid-Technik: Während die Elektro-Komponenten in der Formel 1 auf schnelles Laden und Entladen sowie maximale Leistung ausgelegt sind, geht es bei Hybrid-Autos im Straßenverkehr fast immer um maximale Effizienz.
Die genannten Technik-Beispiele haben allerdings erst in den letzten Jahren Einzug in die Formel 1 gehalten. Es gibt aber auch grundlegende Unterschiede, die schon viel länger bestehen. So kamen Steuerketten und Zahnriemen zuletzt in den 80er und 90er-Jahren in Formel-1-Triebwerken zum Einsatz. Sie wurden ersetzt durch ein starres System aus Zahnrädern, das an der Stirnseite der Hochleistungsmotoren angebracht ist.

Die Zahnräder liegen an der Stirnseite hinter einer Abdeckung. Vom Verbrenner selbst ist bei modernen Power Units nicht viel zu sehen.
Feste Zahnräder statt Steuerkette
Bei der Entwicklung von regulären Hubkolbenmotoren für den Einsatz auf der Straße sind Zahnriemen und Steuerketten dagegen noch der aktuelle Stand der Technik, um die Kurbelwelle mit der Nockenwelle und den ganzen Nebenaggregaten zu verbinden. Doch warum geht die Formel 1 hier einen eigenen Weg? Wir haben bei den Mercedes-Ingenieuren nachgefragt und gleich mehrere Gründe genannt bekommen.
Ganz vorne steht natürlich immer die Performance. Bei der Verbindung über Zahnräder lassen sich die Nockenwelle und damit auch die Ventile deutlich exakter steuern. Im Hochleistungsbereich ist diese Präzision ein wichtiger Faktor, um beim Verbrennungsprozess den maximalen Output zu erzielen. Die Frage sollte also eher lauten: Warum kommt diese Technik nicht in den Serienautos zum Einsatz?
Auch hier ist die Antwort einfach: Die Zahnräder perfekt aufeinander abzustimmen, ist eine sehr komplexe Aufgabe. Sowohl der Aufwand bei der Entwicklung und der Fertigung als auch die verwendeten Materialien stellen einen hohen Kostenfaktor dar, der für die Serie einfach nicht gerechtfertigt ist. Hier kommt es nicht auf das letzte Prozent Performance, sondern vor allem um Langlebigkeit und Kosteneffizienz an.
Natürliches Drehzahl-Limit bei 12.500/min
Oft werden auch die hohen Drehzahlen als Argument gegen Steuerketten oder Zahnriemen angeführt. Das stimmt aber nur noch zum Teil. Moderne Turbo-Hybrid-Motoren in der Formel 1 drehen nämlich längst nicht mehr so hoch wie die kreischenden Sauger, die ihnen vorausgegangen waren. Gerne erinnern wir uns noch an die V10-Ära der frühen 2000er-Jahre, bei denen der rote Bereich erst bei knapp 20.000/min begann.
Solche Werte wären mit Zahnriemen und Steuerketten natürlich undenkbar. Bei der aktuellen Motorengeneration gibt es jedoch ein festes Drehzahllimit, das deutlich niedriger liegt. Mehr als 15.000/min sind vom Reglement nicht erlaubt. Von dieser Grenze sind die Triebwerke im normalen Rennbetrieb aber immer noch ein gutes Stück entfernt, was ebenfalls an den gesetzlichen Vorgaben liegt.
Weil die Spritmenge limitiert ist, verläuft die Leistungskurve im Gegensatz zu Saugmotoren mit ansteigender Drehzahl nicht linear immer weiter nach oben. Die Reibung und die Einspritzbegrenzung sorgen dafür, dass die PS-Werte im Bereich von 12.500/min ihr Plateau erreichen. Um die Rundenzeit zu verbessern, würde es also nichts bringen, einfach die Drehzahl oder den Ladedruck zu erhöhen. Das würde sich nur negativ auf die Dauerhaltbarkeit auswirken.
Mit den genannten maximalen Drehzahl-Werten liegen die Formel-1-Motoren also gar nicht mehr so weit von ihren Serienbrüdern entfernt. Trotzdem würde heute kein Motoren-Ingenieur auf die Idee kommen, wieder auf Zahnriemen oder Steuerkette zurückzurüsten – selbst wenn es die Drehzahlen zulassen würden.