Die Formel 1 nimmt Schritt für Schritt, um sich für die Zukunft aufzustellen. 2022 wird die Königsklasse ihr Gesicht mit Autos verändern, die auf ganz anderen Grundsätzen aufbauen als bisher. Der Ground Effekt kehrt zurück. 18-Zoll-Felgen bringen die schnellsten Rennautos des Planeten optisch näher an Straßenautos. Die Rennen sollen spannender werden, das Überholen einfacher, weil das vorausfahrende Auto weniger turbulente Luft nach hinten abwirft.
Die Chassis-Revolution vertagte die Formel 1 wegen Corona von 2021 auf 2022, um die Teams nicht doppelt zu belasten. Das neue Motorenformat soll von 2026 auf 2025 vorgezogen werden, um nicht zu spät ein emissionsfreies Produkt auf den Markt zu bringen. Eigentlich sollten 100 Prozent nachhaltige Kraftstoffe aus Bio-Abfällen oder aus dem Labor (E-Fuels) bereits 2023 kommen.
Doch die Formel 1 will es den Motorenherstellern ersparen, erst die aktuellen V6-Turbos umzurüsten und Jahre später einen völlig neuen Motor zu bauen. "Ich würde nachhaltiges Benzin lieber früher als heute haben", sagt FIA-Präsident Jean Todt. Aber manchmal müsse man auch akzeptieren, dass gewisse Dinge Zeit brauchen.
Billiger und mit mehr Elektro
Die groben Eckpunkte sind bekannt. Der Motor ab 2025 soll nur noch so viel CO2 ausstoßen, wie vorher bei der Produktion des Benzins aus der Atmosphäre gebunden wurde. Er soll um die Hälfte weniger kosten als das aktuelle Produkt. Mindestens unter 100 Millionen Dollar liegen. Red Bulls Teamchef Christian Horner sprach im Interview von einem Kostendeckel auf der Motorenseite von um die 80 Millionen. Das macht es für Red Bull attraktiv, selbst als Motorenhersteller einzusteigen.
Hybrid ist gesetzt. Der Elektroanteil an der Gesamtleistung soll aufgestockt werden. Es ist die Rede von 60 Prozent. Deshalb müsste viel in der Batterieentwicklung passieren, die Energiedichte steigen. "Der neue Motor sollte das Gewicht der Autos nicht noch mehr erhöhen", wünscht sich nämlich Formel 1-Chef Stefano Domenicali. Das Mindestgewicht der Autos ist ein großes Thema. Es klettert bereits 2022 von 749 auf 790 Kilogramm. Grund sind die größeren Räder, mehr Standardteile, mehr Sicherheits-Features.
Domenicali sagte im Interview Ende März zu uns, dass die Einzelheiten zum neuen Motoren-Reglement im Sommer stehen sollten. Das war das erklärte Ziel. Noch hat die Formel 1 Zeit. Doch es zeichnet sich ab, dass es länger dauern wird. Wir hören aus dem Fahrerlager, dass der Sommer nach aktuellem Stand doch optmistisch als Ziel sei, der Rahmen aber bis Ende 2021 gesteckt sein sollte.
Todt wünscht sich neue Hersteller
Mehr Elektrifizierung, 100 Prozent nachhaltiger Kraftstoff, einfachere Technik, geringere Kosten. "Es muss ein Motor sein, der uns bis 2030 stolz macht", sagt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Ein Motor, der die Wandlung auf der Welt abdeckt." Das verdeutlicht, wie kompliziert die Aufgabe ist. Die Formel 1 will Trends setzen, den Weg zu einer nachhaltigen Mobilität mit beeinflussen, gleichzeitig aber auch antizipieren. Nicht nur bis 2025, sondern bis 2030 und länger. Dieser neue Motor muss auf Jahre technisch die Spitze des Machbaren abdecken, aber auch relevant für die Serie sein.
Und die Plattform soll attraktiv und kostengünstig genug sein, um neue Hersteller und Motorenbauer anzulocken. "Wir arbeiten an der Power Unit für 2025. Wir hoffen, dass neue Hersteller sich dem Sport anschließen. Das wäre großartig", sagt Todt. "Wir müssen die beste Mischung finden aus Verbrenner, Hybrid, Elektro. Wir müssen eng mit den Mineralölkonzernen zusammenarbeiten, um Benzin mit null Emissionen zu bekommen."
Kompliziert ist der Sachverhalt auch deshalb, weil so eine neue Antriebseinheit als tragendes Teil auch Folgen für das Auto selbst hat. Teams und Hersteller wüssten deshalb lieber heute als morgen, was auf sie zukommt. Wie die Dimensionen sein werden, wo das Gewicht liegt. Hinzu kommt: Die involvierten Hersteller wollen ein Regelwerk für Bau und Kosten so schnell wie machbar, damit auch neue Hersteller, die erst 2025 eintreten, bereits ab sofort unter den gleichen Rahmenbedingungen arbeiten müssen. Sonst könnten sie einen Wettbewerbsvorteil haben.

Wie viel Technik braucht es wirklich?
Das Gewicht umtreibt die Fahrer, FIA und die Formel 1-Chefs Ross Brawn sowie Stefano Domenicali. Hochgestochene Technik hat ihren Preis. Genauso wie die Sicherheit. Die heutigen Power Units dürfen laut Regelwerk nicht weniger als 150 Kilogramm wiegen. Kein Vergleich zu den alten V8-Saugmotoren. Für sie war 2013 ein Mindestgewicht von 95 Kilo vorgeschrieben. Es wird ein Kraftakt, nicht noch weiter mit dem Gewicht der Motoren hochzugehen.
FIA-Präsident Todt: "Die Autos sind über die Jahre schwerer geworden. Darüber diskutieren wir. Ich finde, alles was mit der Sicherheit zusammenhängt, sollten wir akzeptieren. Aber wir sollten überprüfen, ob es Technik gibt, die wir nicht brauchen. Am Ende des Tages wollen wir, dass der Fahrer den Unterschied macht."
Vielleicht kann zum Beispiel die Elektronik entschlackt werden. Gewisse Elemente der Technik, die das Auto verkomplizierten, aber weder der Sicherheit noch der Show dienen. Todt mahnt, nicht den Überblick zu verlieren, sondern genau hinzusehen. "Evolution lässt sich nicht aufhalten. Die Formel 1 ist die Spitze des Motorsports, die Spitze des Autofahrens. Davon darf sie sich nicht zu weit entfernen."