Der Fluch der modernen Technik wird wohl erst in ein paar Jahren so richtig erkennbar. Wenn irgendwann mal bei historischen Veranstaltungen Formel-1-Fahrzeuge aus verschiedenen Grand-Prix-Epochen vorgeführt werden, dürfte von der aktuellen Generation nicht viel zu sehen sein. Die Hybrid-Antriebe sind einfach zu kompliziert im Handling.
Alternde Batterien, sensible Steuergeräte, korrodierende Starkstromkabel, nichtstandardisierte Software, teures Spezial-Benzin und komplexe Elektromaschinen an der Kurbelwelle (MGU-K) sowie auf der Turbowelle (MGU-H) machen die 2014 eingeführten Power Units zu wahren Technologie-Monstern mit einem begrenzten Haltbarkeitsdatum.
Eigentlich trägt der Verbrennungsmotor den Hauptteil der Leistung bei. Doch beim Blick auf die gesamten Antriebseinheiten ist vom nur 1,6 Liter fassenden V6-Block und den beiden Zylinderköpfen nicht viel zu erkennen. Er liegt tief eingebuddelt in einem Gewirr aus Leitungen, Nebenaggregaten, Luftsammlern und Auspuffrohren.
Um die Triebwerke auf einer moderaten Betriebstemperatur zu halten, sind riesige Kühler in den Seitenkästen notwendig. Natürlich wird auch die Atemluft runtergekühlt, bevor sie vom Turbo in die Brennräume gepresst wird. Der ganze Antrieb wirkt wie ein Orchester mit vielen Instrumenten. Nur dass hier mehr als nur ein Dirigent nötig ist, um die Symphonien zum Klingen zu bringen.
Kein Zündschlüssel für Formel-1-Auto
Wir haben bei den Spezialisten von Mercedes nachgefragt, welcher Aufwand betrieben werden muss, bevor man den Motor anlassen kann. Einen einfachen Startknopf oder Zündschlüssel wie in einem Serienauto gibt es hier natürlich nicht. Stattdessen ist eine umfangreiche Prozedur notwendig, bei der Computer und Sensoren die Hauptrolle spielen.
Weil es an der Rennstrecke zu zeitraubend wäre, kommen die Motoren schon vormontiert an der Rennstrecke an. Hier müssen die Mechaniker "nur" noch Hybrid-Elemente sowie Kühler und Luftführungen anschließen. Aber selbst wenn die Power Unit komplett zusammengebaut ist, kann es nicht direkt losgehen.

Bis das Signal zum Anlassen gegeben werden kann, sind zahlreiche Vorbereitungen nötig.
Langer Countdown bis zur Zündung
Laut Mercedes dauert es noch einmal mindestens drei Stunden bis zur ersten Zündung. Der wichtige Punkt besteht darin, alles auf die richtige Betriebstemperatur zu bekommen. Die Komponenten sind so empfindlich, dass nichts läuft, wenn sich die Werte nicht im richtigen Fenster befinden. Dazu gehören zum Beispiel die Kühlflüssigkeit und das Motorenöl. Aber auch beim Hybrid-System müssen verschiedene Temperatur- und Druck-Vorgaben erreicht werden.
Erst wenn alle Zahlen im grünen Bereich liegen, kann der eigentliche Prozess des Anlassens starten. Hier sind alleine sechs bis sieben Mitarbeiter notwendig, darunter der Power-Unit-Ingenieur, der Nummer-1-Mechaniker, ein Hybrid-Techniker, ein Motoren-Techniker, der Chassis-System-Ingenieur und ein Hydraulik-Spezialist.
Um alle Parameter zu checken, läuft die Kurbelwelle zunächst ohne Zündung bei niedrigen Drehzahlen. Danach wird dann ein Check mit höheren Drehzahlen durchgeführt. Parallel dazu wird auch das Hochspannungssystem der Hybrid-Komponenten geprüft. Um die Gefahr von Stromschlägen zu vermeiden, müssen alle Elemente penibel isoliert sein. Erst wenn alle Spezialisten das Go geben, kann schließlich der Befehl zum Zünden gegeben werden.