Takik-Sorgen in Monaco: Führen zwei Stopps zur Lotterie?

Was bringen zwei Pflicht-Boxenstopps?
„Mehr Lotterie, aber nicht mehr Show“

GP Monaco 2025
Zuletzt aktualisiert am 22.05.2025

Ferrari verbrachte den Mittwoch vor dem GP Monaco mit Strategie-Meetings. Nach stundenlangen Debatten kamen die Ingenieure und die Strategen zu dem Schluss. Mit zwei Pflicht-Boxenstopps lässt sich das Rennen nicht planen. Es gibt zu viele Szenarien, die man unmöglich alle abdecken kann. Frédéric Vasseur kommt zu dem Schluss: "Sicher ist nur, dass die Lotterie größer wird. Die Show wird dadurch nicht unbedingt besser."

Das erste große Fragezeichen ist bereits die Qualifikation. Seit dem Grand Prix in Imola sind sich die Experten nicht mehr sicher, ob der Soft-Reifen auf eine Runde besser ist als der Medium. In Imola war es umgekehrt. Doch in Monte-Carlo sind die Geschwindigkeiten geringer und damit auch die Gefahr, dass der Reifen in der zweiten Hälfte der Runde überhitzt.

Der C6-Superkleber wird auf jeden Fall bessere Traktion bieten, und die ist Trumpf in Monte Carlo. Pirelli kann sich aber vorstellen, dass die bessere Seitenstabilität des Medium-Reifens einige Fahrer zum C5 greifen lässt. Auf einer schnellen Runde in Monaco ist Vertrauen die halbe Miete. Fernando Alonso gibt dem Gefühl nach dem C6 den Vorrang. "Der extra Grip sollte entscheidend sein."

Diese ungeklärten Fragen sind für die Strategen ein Alptraum. "Dein ganzes Trainingsprogramm hängt von der Wahl des Reifens in der Qualifikation ab. Du musst dich schon am Freitag festlegen, welchen Reifen du am Samstag nimmst. Sonst kann es dir am Sonntag passieren, dass du nicht genügend Sätze der härteren Mischungen für die drei Stints hast", warnt Vasseur. Sauber-Urgestein Beat Zehnder ergänzt: "Nach dem ersten freien Training solltest du wissen, welchen Reifen du am Samstag benutzen wirst."

Max Verstappen - Boxengasse - GP Monaco 2024
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Zufall hat größere Chance

Am Sonntag wartet ein neue Herausforderung auf die Teams. Das klassische Einstopp-Rennen von Monte Carlo wird zum Zweistopper. Aus Sicht der Teams ist einer der beiden Stopps völlig überflüssig. Eigentlich sogar beide, wie der GP Monaco 2024 gezeigt hat. Da nutzten alle im Feld die Unterbrechung nach der Startkollision dazu, die weichen Reifen abzulegen und mit den harten Gummis das Rennen im Bummeltempo zu Ende zu fahren.

Der Unterschied zum letzten Jahr: Alle Reifenmischungen im Angebot sind wie erwähnt eine Stufe weicher. Aston-Martin-Teamchef Andy Cowell glaubt trotzdem: "Der C4 sollte es über die komplette Distanz schaffen, wenn man sein Tempo anpasst." Im Gegensatz zu Vasseur erwartet der Brite ein interessanteres Rennen als in der Vergangenheit: "Weil es eine neue Herausforderung ist. Das haben wir noch nie gemacht, und die Teams konnten ihre Strategien nicht optimieren. Ich wette, dass viele am Montag sagen werden: Hätten wir es nur anders gemacht."

Die Bandbreite der Strategien ist riesengroß, auch wenn die Regel relativ einfach ist. Jeder Fahrer muss mindestens drei Reifensätze mit zwei unterschiedlichen Mischungen verwenden. bei einem Regenrennen entfällt die Pflicht mit den zwei Mischungen. Wüsste man, dass die 78 Runden ohne VSC, Safety-Car oder gar roter Flagge ablaufen, wäre die Aufgabe einfach. Doch genau das kann in Monte Carlo immer passieren. Alonso drückt es so aus: "Dem Zufall wird eine größere Chance gegeben."

Safety-Car - GP Monaco 2024
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Was passiert bei frühem Safety-Car?

Mercedes-Chefingenieur Andrew Shovlin vergleicht den GP Monaco nach neuen und alten Regeln. "Die Aufgabe ist doppelt so schwer. Weil du jetzt zwei Mal richtig oder falsch liegen kannst. Planen lässt es sich erst nach dem zweiten Boxenstopp. Du kannst dir nur überlegen, wie du auf extreme Szenarien reagierst."

Zum Beispiel: Was passiert bei einem frühen Safety-Car in den ersten fünf Runden? Werden dann wirklich alle Teams ihre Pflicht-Boxenstopps direkt hintereinander in die Neutralisation legen? Cowell glaubt nicht: "Es wird Ausreißer in die eine oder andere Richtung geben."

Für einen Fahrer auf den Plätzen 10 bis 15 kann es sich lohnen, entweder ganz auf die Chance eines Gratis-Stopps zu verzichten oder nach dem ersten Reifenwechsel auf der Strecke zu bleiben. Er ginge damit ziemlich sicher in Führung, wenn alle vor ihm wirklich zwei Mal in Folge stoppen.

Vasseur meint, dass draußenbleiben auch für Top-Fahrer eine Option sein kann: "Stell dir vor, ein paar im Mittelfeld übernehmen die Führung. Du hast zwar deine Boxenstopps hinter dir, steckst aber im Feld fest und einer oder zwei hauen vorne ab. Wenn sie schnell genug sind, brauchen sie unter Umständen nicht mal ein zweites Safety-Car für ihren zweiten Stopp."

Daniel Ricciardo - Boxengasse - GP Monaco 2024
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Teams werden Taktik splitten

Beat Zehnder kann sich vorstellen, dass die Teams ihre Fahrer bei Bedarf taktisch fahren. "Einer haut vorne ab, und der Teamkollege bremst das Feld." Genau das treibt auch die Mercedes-Strategen um. Teammanager Ron Meadows erinnert sich: "Alonso hat letztes Jahr innerhalb von wenigen Runden 20 Sekunden Platz für Stroll geschaffen. Solche Spielchen werden wir am Sonntag öfter sehen."

Nach Berechnungen von Aston Martin liegt das Überhol-Delta bei zwei Sekunden. Shovlin hält das für viel zu optimistisch: "Eigentlich gibt es hier in Monaco gar kein Überhol-Delta. Selbst wenn einer vier Sekunden langsamer ist, kommst du nicht vorbei, wenn der das nicht will. Der Fahrer vor dir wird sich auf die zwei Beschleunigungsstellen zu Beginn der Zielgerade und in den Tunnel rein konzentrieren, und du fährst hinterher."

Das beste für Pokerspieler und das Schreckens-Szenario für die Konservativen wäre eine späte rote Flagge. Dann kann jeder ohne Platzverlust gratis Reifen wechseln. "Die Position auf der Strecke ist weiter König", beharrt Vasseur. Vielleicht ein bisschen weniger als sonst.

Die neue Monaco-Regel kommt den kleinen Teams mehr entgegen als den großen. Sie haben weniger zu verlieren und können deshalb mehr riskieren. Eine Faustregel gibt es nicht. "Alles hängt von deiner Position auf der Strecke ab. Du musst in jedem Fall schnell entscheiden. Gut möglich, dass die Teams ihre Strategien splitten werden, um beide Extreme abzudecken", wagt Zehnder einen Blick voraus.

Carlos Sainz hält von Taktik-Splits gar nichts. Er ist ein gebranntes Kind. In den letzten beiden Rennen in Miami und Imola lief die Taktik gegen ihn. "Ein gutes Team sollte wissen, was die beste Strategie ist und diese auf beide Fahrer anwenden." Generell vielleicht richtig, aber im Spezialfall Monte-Carlo möglicherweise ein Eigentor.