Die Formel-1-Saison 2025 besteht aus drei Rennen. Vorne kämpfen Oscar Piastri und Lando Norris um den Titel. Dahinter streiten sich Ferrari, Mercedes und Red Bull mit wechselndem Erfolg darum, wer die Rosinen aufpickt, die McLaren übriglässt. Die beste Show aber liefert die Schlacht um die Plätze fünf bis zehn. In jedem Grand Prix hat hier ein anderer die Nase vorn. Und keiner kann vor dem Rennen sagen, wer es sein wird.
Dieser Formel-1-Jahrgang ist gesegnet. Im Q1 liegt selten mehr als eine Sekunde zwischen dem Ersten und dem Letzten. Die zweite Tabellenhälfte trennt maximal eine halbe Sekunde. Noch nie war die Leistungsdichte so groß. Haas-Teamchef Ayao Komatsu stellt fest: "Es gibt keine schlechten Autos mehr."
Bei den Plätzen fünf bis zehn geht es um eine Preisgeld-Spanne zwischen 75 und 110 Millionen Dollar. Gleichzeitig aber sehen Williams, Aston Martin, Sauber, Toro Rosso, Haas und Alpine in der Saison 2026 die einmalige Chance, den Absprung nach vorne zu schaffen. Der komplette Neustart mit der größten Regelreform aller Zeiten stellt die Uhren auf null. Ein Team aus dem Mittelfeld kann es sich eher leisten, aus dem Wettrüsten mit den aktuellen Autos früh auszusteigen als die Spitze, die um Titel und Siege kämpft. Und es genießt den Luxus von mehr Windkanalzeit.
Wie groß sind die Opfer für 2026?
Jeder hat den Konflikt zwischen Weiterentwicklung des 2025er-Autos und Absprung zu 2026 auf seine Weise gelöst. Alpine und Williams haben die wenigste Windkanalzeit für das nächstjährige Auto geopfert, Haas und Aston Martin die meiste. Alpine begnügte sich in diesem Jahr mit nur einem Upgrade, Williams mit zwei.
Doch während Williams die Tabelle der Verfolger meistens anführte, lag Alpine meistens am Ende. Der Grund ist simpel: Der Williams FW47 war aus dem Stand das beste Auto der unteren Tabellenhälfte. Der Alpine A525 das schlechteste. Als die Konkurrenz anfing, näher zu rücken, zündete Williams in Spa eine zweite Ausbaustufe, die man lange in der Hinterhand hielt und sich am liebsten ganz gespart hätte.
Trotz momentan 18 Punkten Vorsprung kann sich der britische Traditionsrennstall nicht sicher sein, den fünften Platz zu halten. "Der fünfte Platz wäre eine schöne Zugabe, ist aber nicht wichtig", beteuert Teamchef James Vowles. "Wir haben unseren Fahrplan schon im Januar festgelegt und dann festgestellt, dass wir ein sehr gutes Auto haben. Der Windkanal war fast ausschließlich für das 2026er-Auto reserviert. Nur im März sind wir noch einmal für ein paar Sitzungen mit dem FW47 in den Kanal. Das war das Upgrade, das wir in Spa gebracht haben."

Noch befindet sich Williams in der besten Ausgangslage. Aber die Konkurrenz holt auf.
Alpine hilft nur noch ein Wunder
Wäre die Konkurrenz nicht näher gerückt, hätte man sich in Grove die Produktion des neuen Unterbodens, der modifizierten Kühleinlässe und Seitenkästen gespart. So aber wurde sie sogar um zwei Rennen vorgezogen. Laut Carlos Sainz wäre die Fleißaufgabe gar nicht nötig gewesen, hätte man sich nicht selbst das Leben unnötig schwer gemacht. "Der Speed des Autos war immer gut. Wir haben aber 20 bis 30 Punkte verschenkt durch Defekte oder falsche Strategien."
Alpine hält die französische Flagge nur mit halber Kraft hoch, wie Technikchef David Sanchez erklärt: "Es war von Anfang an so geplant, sich voll auf das 2026er-Auto zu konzentrieren. Wir stehen auch jetzt noch hinter dieser Entscheidung." Der heimliche Chef Flavio Briatore ergänzt: "Der Renault-Vorstand hat mir drei Jahre Zeit gegeben, wieder nach vorne zu kommen. Wir müssen jetzt ein Opfer bringen, damit wir nächstes Jahr den Trend umkehren können."
Pierre Gasly weiß, dass nur noch ein Wunder Alpine vom letzten Platz wegbringt: "Unser Auto ist auf dem Stand von Barcelona, und es bleibt auf dem Stand von Barcelona. Mit dieser Waffe müssen wir bis zum Saisonende kämpfen und realistisch mit unseren Zielen bleiben. Wenn uns das Wetter oder die Umstände Chancen zuspielen, müssen wir zur Stelle sein." Briatore glaubt, dass der Alpine besser ist als der Punktestand. "Wir verschenken in der Qualifikation zu viele Plätze, weil wir die Reifen nicht verstehen. Im Rennen verlieren wir durch den Motoren-Nachteil drei bis vier Zehntel pro Runde."
Haas: 380 Windkanal-Stunden, 1900 CFD-Runs
Toro Rosso: 400 Windkanal-Stunden, 2000 CFD-Runs
Aston Martin: 420 Windkanal-Stunden, 2100 CFD-Runs
Sauber: 440 Windkanal-Stunden, 2200 CFD-Runs
Alpine: 460 Windkanal-Stunden, 2300 CFD-Runs
Aston Martin im Aufwind
Eine Zeitlang sah es so aus, als könnte Aston Martin trotz all seiner Superstars im Technikbüro auf dem letzten Platz landen. Das änderte sich mit einer Serie großer Upgrades, die das Technik-Team um Bob Bell seit Imola abfeuerte. Der große Guru Adrian Newey hält sich angeblich raus aus der Entwicklung des AMR25, bis auf ein paar Tipps, die er seinen Kollegen in den Mittagspausen gibt.
Seit dem GP Spanien arbeitet sich Aston Martin in der Punktetabelle ständig nach oben. Nur Spa war ein Rückfall in schlechte Zeiten. Fernando Alonso sieht es als einmaligen Ausrutscher. Setup und Strecke passten nicht. Auf dem Hungaroring versuchten die Ingenieure, aus zwei Unterboden-Spezifikationen und zwei Frontflügeln die beste Kombination herauszufiltern. "Wir wollen bei den Überseerennen zum Schluss nicht zwei unterschiedliche Konfigurationen mitschleppen müssen", erklärt Chefingenieur Mike Krack.
Die grünen Autos sind viel berechenbarer, konstanter und genügsamer im Umgang mit den Reifen geworden. Einstopp-Rennen, wo andere zwei Mal Reifen wechseln, wären noch vor einem halben Jahr undenkbar gewesen. Der GP Ungarn brachte mit 16 Punkten das beste Saisonergebnis. Auch bei Fernando Alonso wurde der Killerinstinkt wieder geweckt: "So langsam schlagen die Upgrades an. Wir beginnen, sie immer besser zu verstehen. Seit Imola geht es immer nur bergauf."

Das Hülkenberg-Podium in Silverstone brachte Sauber 15 Punkte auf einen Schlag und den zwischenzeitlichen Sprung auf WM-Platz sechs.
Sauber hat Williams im Visier
Teamchef Andy Cowell beteuert: "Der Windkanal läuft seit Juni zu 99 Prozent für das 2026er-Auto." Nur wenn wir etwas entdecken, das einen echten Fortschritt verspricht, gehen wir noch mal mit dem aktuellen Auto in unseren Kanal. Wir profitieren auch für 2026 davon. Jede zusätzliche Entwicklungsschleife hilft uns, unsere neuen Simulationswerkzeuge besser mit der Rennstrecke zu korrelieren."
Auch für Sauber wurde seit Barcelona das Licht am Ende des Tunnels immer heller. Seitdem hat der Schweizer Rennstall sechs Mal in Folge gepunktet und dabei 29 Punkte auf Williams aufgeholt. Highlight war der dritte Platz von Nico Hülkenberg in Silverstone. Da ist in Hinwil ein kleines Wunder passiert. Die Eingriffe am Unterboden, dem Frontflügel und den Seitenkästen haben das Fahrverhalten stabilisiert, die Reifenabnutzung deutlich reduziert.
Gabriel Bortoleto erinnert sich: "Zu Beginn der Saison hatten wir das langsamste Auto im Feld. Jetzt holen wir Punkte aus eigener Kraft. Das erste Upgrade hat das Auto transformiert. Die nächsten beiden Schritte waren nicht so groß, haben aber in die gleiche Richtung gezielt." Nico Hülkenberg warnt mit der Erfahrung von 241 GP-Starts: "Die sechs Teams liegen so eng zusammen, dass das Pendel von Rennen zu Rennen hin- und herschwingt."

Alpine hat bereits einen ordentlichen Rückstand und das schwächste Auto. Die anderen liegen eng zusammen.
Toro Rosso punktet mit Konstanz
Technik James Key erklärt den Fehlstart in die Saison mit Korrelationsproblemen zwischen Windkanal, Simulator und Wirklichkeit: "Das straft dich umso mehr, je wichtiger in der Entwicklung Details werden. Wir sind dabei, unsere Werkzeuge zu verbessern und können uns jetzt schon viel besser auf unsere Daten verlassen." Aus Sicht von Audi kommt der Aufschwung des Teams, das nächstes Jahr die vier Ringe vertreten wird, zur rechten Zeit.
Die Wende war wichtig für die Moral und das Selbstvertrauen. Sauber hat trotzdem seine Munition für das nächste Jahr nicht verschossen. Seit Mai haben nur noch zehn Leute am 2025er-Auto gearbeitet. Ab Juni war der Windkanal exklusiv für das 2026er-Auto reserviert. Die Truppe von James Key nutzte den Vorteil, die meiste Windkanalzeit zur Verfügung zu haben.
Toro Rosso holte in neun der 14 Rennen Punkte. Nur Williams ist ausgeglichener. Red Bulls B-Team hat mit Bedacht ein Auto gebaut, das einfach zu fahren und einfach abzustimmen ist. Das hilft den Rookies im Cockpit. Mit insgesamt 22 Detailänderungen an der Aerodynamik zählt das Team aus Faenza zu den fleißigsten im Feld. "Alle haben darauf abgezielt, das Auto so fahrbar wie möglich zu halten und für mehr Abtrieb nicht Effizienz zu opfern", erklärt Geschäftsführer Peter Bayer.
Zu Saisonbeginn war der VCARB02 noch ein Auto, das seine Stärken auf schnellen Strecken ausspielte. "Mittlerweile haben wir einen Allrounder", urteilt der neue Teamchef Alan Permane. "Unser Auto hat keine Vorlieben. Es kann schnelle wie langsame Kurven. Wenn alles passt, haben wir das beste Mittelfeld-Auto. Doch ein oder zwei Zehntel reichen schon aus, und du fällst auf die falsche Seite dieser Gruppe."
Haas mit Upgrade als Joker
Da würde Haas protestieren. Ayao Komatsu glaubt, dass sein VF-25 seit dem Upgrade in Silverstone das fünftschnellste Auto im Feld ist. Chefdesigner Jonathan Heal unterschreibt diese Einschätzung: "Wir haben mit dem neuen Unterboden und den geänderten Kühleinlässen einen großen Schritt nach vorne gemacht. Die Aerodynamik ist jetzt für alle Kurventypen stabiler. Das Bouncing, das uns Anfang der Saison gebremst hat, ist fast völlig verschwunden. Wenn es auftritt, bekommen wir es schnell weg. Unter dem Strich haben wir ein bis zwei Zehntel gefunden. Das ist viel bei den engen Abständen."
Trotzdem ist man beim US-Team nicht ganz zufrieden. Haas hat aus den letzten drei Rennen nur sechs Punkte geholt. "Wir machen auf allen Ebenen zu viele Fehler und verschenken damit zu viele Punkte", klagt Komatsu. Der Japaner fordert: "Es dauert zu lange, bis wir unseren Speed finden. Das kannst du dir heute nicht mehr leisten. Wir müssen lernen, dass wir seit Silverstone ein gutes Auto haben. Deshalb müssen wir mit dem Setup nicht mehr ins Risiko gehen oder im Rennen alternative Strategien fahren. Mit einem guten Auto musst du mit den Wölfen heulen."
Vielleicht kann der US-Rennstall in den letzten zehn Rennen ja doch noch eine Aufholjagd starten. Im Moment hat Haas halb so viele Punkte wie Williams. Doch Alexander Albon würde keinen abschreiben: "Vielleicht schmeißt der die Party, der das letzte Upgrade bringt." Das ist nach dem aktuellen Stand das kleinste Team im Feld. Haas will beim Heimspiel in Austin die letzte Ausbaustufe zünden. Jonathan Heal schränkt ein: "Wenn der Gewinn an Rundenzeit die Kosten rechtfertigt."