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Mercedes klagt über 2022er Autos
Muss die FIA jetzt handeln?

Mercedes schiebt eine Debatte über die Groundeffect-Autos an. Mit dem Verweis, dass das ständige Auf und Ab für die Fahrer nicht angenehm sei, und der Gesundheit schade. Die Konkurrenz reagiert verschnupft. Die FIA will sich dem Thema dem Vernehmen nach annehmen.

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Aserbaidschan 2022 - Baku - Rennen
Foto: Motorsport Images

Es war schon auffällig. Nach jeder Sitzung klagten Lewis Hamilton und George Russell über ihre Autos. Das Hoppeln über die vielen Bodenwellen des Baku City Circuit schmeckte den Piloten nicht. Es schüttelte sie durch wie in einer Waschmaschine. Ihr Silberpfeil bewegte sich so hochfrequent auf und ab, dass es bereits beim Zusehen wehtat.

Lewis Hamilton klagte über Rückenschmerzen. Er habe auf die Zähne gebissen, um überhaupt die 51 Rennrunden durchzuhalten. "Ich kann die Schmerzen nicht in Worte fassen, die man verspürt, besonders auf der Geraden hier." Nach Rennende ließ er sich aus dem Auto helfen. Ob er die Hilfe brauchte oder nicht: Das Bild erzeugte Wirkung. Teamkollege Russell berichtete von einem Kampf über 90 Minuten durch jede Kurve und über jede Gerade. Und der junge Engländer hatte bereits vorher die Frage in den Raum geworfen, ob die Formel 1 in den nächsten vier Jahren so weiterfahren kann – und will.

Unsere Highlights
George Russell - Mercedes - GP Aserbaidschan - Baku - Qualifikation - 11.6.2022
Wilhelm
Der Mercedes W13 leidet am stärksten unter dem Bouncing-Problem der neuen Fahrzeuggeneration.

Auch Sainz klagt

Russell glaubt, dass die Tiefflieger zwangsläufig irgendwann von einer Bodenwelle ausgehebelt werden, und es dann zu einem schweren Unfall kommen könnte. Mercedes-Teamchef Toto Wolff unterstützte nach dem GP Aserbaidschan seine Fahrer. "Lewis ist vielleicht der Fahrer, den es am härtesten trifft." Was daran liegt, dass der Rekordsieger im Dienst der Mannschaft oft Experimental-Setups radikalerer Natur fährt.

"Wir sind an einem Punkt angelegt, wo es nicht allein um die Muskulatur geht. Die Schläge gehen ins Mark. Wir haben festgestellt, dass Kräfte von bis zu 6g auf die Fahrer wirken. Das geht auf die Wirbelsäule, die Hüfte und hat gewisse Auswirkungen auf den Kopf", glaubt Wolff. Mit diesen Aussagen schieben Teamchef und Fahrer eine Debatte über die modernen Groundeffect-Autos an. Die müssen tiefer und härter gefahren werden als die Vorgänger-Generation bis 2021, um über den Unterboden viel Anpressdruck zu erzielen.

Die Federwege haben sich verkürzt. Der Chiropraktiker muss ran. Auch von Ferrari-Pilot Carlos Sainz hört man nachdenkliche Worte. Vielleicht nicht ohne Hintergedanken. Seit der Umstellung auf die neuen Autos fährt der Spanier seinem Teamkollegen Charles Leclerc hinterher – um mehrere Zehntel pro Runde. Im Fahrerlager wird auch Mercedes eine gewisse Agenda unterstellt.

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Aserbaidschan 2022 - Baku - Rennen
Motorsport Images
Lewis Hamilton hatte nach dem GP von Aserbaidschan sichtbare Rückenprobleme, die durch das Bouncing seines Mercedes entstanden sein sollen.

FIA stellt Untersuchungen an

Nur fragt man sich da, was die Abonnement-Weltmeister bezwecken wollten. Eine vorgeschriebene Erhöhung der Bodenfreiheit beispielsweise würde Mercedes aller Wahrscheinlichkeit nach nichts bringen. Weil das Aerodynamik-Konzept nur greift, wenn das Auto am Untergrund kauert und wenn es keine Bodenwellen gibt, die Unruhe ins Fahrwerk bringen. Ferrari und Red Bull haben deutlich gutmütigere Autos mit breiterem Arbeitsspektrum. Vielleicht wünscht sich Mercedes Änderungen an Federn und Dämpfern. Seit dieser Saison fallen diese Elemente konventionell aus. Im Vorjahr hatte der Silberpfeil das ausgefeilteste Aufhängungssystem.

Es heißt, die FIA nehme die Bedenken ernst. Der Weltverband wolle eine Untersuchung anschieben, um dem Sachverhalt auf den Grund zu gehen, meldet der Fahrerlager-Funk. Die FIA sucht das Gespräch mit den Fahrern und den Technikchefs. Bei Letzteren stößt sie wohl auf taube Ohren. Keiner wird freiwillig zurückstecken. Zehn Millimeter mehr Bodenfreiheit kosten gleich mehrere Punkte an Abtrieb. Und den will keiner herschenken.

Die FIA, so hört man, wolle sich ein umfassendes Bild machen, Fachärzte konsultieren und Daten aus anderen Rennserien zusammentragen. Zum Beispiel aus dem Rallye-Sport, wo die Fahrer ja auch nicht auf topfebenen Bahnen fahren, wo die Geschwindigkeiten allerdings geringer sind.

Max Verstappen - Red Bull - GP Aserbaidschan 2022 - Baku - Rennen
xpb
Andere Teams haben nicht die starken Bouncing-Probleme wie Mercedes. Der Red Bull RB18 zum Beispiel kommt viel besser mit dem Groundeffect zurecht.

Nur drei Piloten sprechen

Mercedes-Teamchef Wolff lässt anklingen, dass sich die Fahrer einig seien. "Soweit ich das verstehe, hat fast jeder gesagt, dass etwas passieren muss." Da hört man aus den Fahrerbesprechungen von anderen Seiten Gegenteiliges. Es sollen sich nur drei Piloten wirklich kritisch und aktiv geäußert haben am Freitag nach den beiden Trainings. Hamilton soll nicht dazu gehört haben. Die meisten scheint das Thema Bouncing und Bottoming, wie die Engländer sagen, nicht so zu beschäftigen wie etwa Russell oder Sainz.

Warum auch? Man hat das Gefühl, dass sich zum Großteil nur Mercedes so richtig mit den Nebenwirkungen der Groundeffect-Autos herumplagt. Aston Martin hat mit seiner B-Version einen Weg gefunden, weicher zu fahren. Red Bull betrifft das Schaukeln ohnehin nicht so sehr. Sportchef Helmut Marko erklärt: "Unsere Fahrer beeinträchtigt es nicht gravierend." Ferrari hat eine gewisse Auf- und Ab-Bewegung im Fahrzeug, kann es jedoch besser kontrollieren. Beziehungsweise kostet es kaum Performance. Es ist nicht so hochfrequent wie bei Mercedes.

Alfa Romeo hatte in Baku überhaupt kein Bouncing. Alpine kann es mehr oder weniger an- und abstellen. McLaren hat es nur in geringem Ausmaß, Alpha Tauri besser im Griff als zu Saisonbeginn, Haas kommt zurecht, indem man die Bodenfreiheit erhöht, und Williams hat wohl einfach zu wenig Abtrieb. Wobei man dem Baku-Rennen festhalten muss, dass sich mehrere Piloten beklagten. Zum Beispiel Alpha-Tauri-Pilot Pierre Gasly. Das Problem in Baku betraf aber weniger das aerodynamische Bouncing, sondern mehr die Bodenwellen, also das Bottoming – dieses brutale Aufsetzen bei Bodenwellen. Der Baku City Circuit ist eine Buckelpiste. Gift bei brettharten Fahrwerken.

"Soll Mercedes doch höher fahren"

Die Konkurrenz nimmt die Mercedes-Aussagen mit einer Portion Sarkasmus auf. "Sollen sie doch einfach höher fahren", heißt es von den Gegnern. Das ist laut Teamchef Toto Wolff aber nicht ohne Weiteres darstellbar. "Bei hohen Geschwindigkeiten gerät unser Auto in die Bump Stops. Selbst wenn wir es hochlegen würden, bliebe das Bouncing irgendwo erhalten."

Eine Stimme aus dem Fahrerlager meint: "Wenn alle das Problem hätten, wäre es eine andere Geschichte. Dann müsste die Formel 1 etwas unternehmen. Vor allem, wenn es eine Gefahr darstellen würde. Hier trifft es hauptsächlich Mercedes." Klingt so: Wieso sollte man dann etwas ändern?

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