Alle rechneten in Bahrain mit einer ersten Startreihe in Papaya und einem McLaren-Doppelsieg. Der Kurs von Bahrain schien wie gemalt für den McLaren, obwohl er es vom Layout her mit seinen vielen langsamen Kurven gar nicht ist. Doch der Mix aus rauem Asphalt und hohen Temperaturen spielte McLaren auch auf eine Runde einen Trumpf in die Hand.
Bis zur Hälfte der Runde konnten Mercedes, Red Bull und Ferrari mithalten. Dann gingen die Reifentemperaturen durch die Decke. Bei McLaren blieben sie im grünen Bereich. Das reichte für die Pole-Position mit einem Vorsprung von eineinhalb Zehntelsekunden. Hätte die Qualifikation in der Nachmittagshitze stattgefunden, wäre der Rest deklassiert worden. Im dritten Training distanzierte Oscar Piastri den schnellsten Nicht-McLaren um acht Zehntelsekunden.
Spätestens da wurde jedem klar, was für eine Waffe dieser McLaren MCL39 ist, wenn die Bedingungen in seine Richtung laufen. "Wenn die ersten Hitzerennen kommen, wie in Miami, fahren die in einer eigenen Liga", fürchtet Red-Bull-Sportchef Helmut Marko. Bahrain war mit seinen moderaten Temperaturen in den Abendstunden noch gnädig.

Norris bezahlte in Bahrain für einen Fehler im Qualifying.
Vorsprung zu klein, um sorglos zu sein
Piastri diktierte den GP Bahrain von der Spitze weg. Man darf sich da keine Illusionen machen. Der Australier fuhr nur so schnell, wie er musste. Und er war eigentlich nur einmal beim Re-Start nach der Safety-Car-Phase gefordert. Da reichten dann 22 Runden im Renntempo aus, um Mercedes um 15, Ferrari um 19 und Red Bull um 34 Sekunden abzuhängen.
Der zweifache Saisonsieger versucht, wie sein Teamchef Andrea Stella, den Ball möglichst flach zu halten. "Wir haben das schnellste Auto im Feld. Aber der Vorsprung ist nicht so groß, dass wir sorglos sein können. Der Sieg von Verstappen in Suzuka und von Hamilton im Sprint von Shanghai haben gezeigt, dass schon Kleinigkeiten ausreichen, um nicht zu gewinnen."
Stella verwies auf das Beispiel Norris in Bahrain. Zwei unsaubere Q3-Runden, und schon steht der zweite McLaren nicht neben dem anderen in der ersten Startreihe, sondern in der dritten. Norris bestätigt: "Es war ein Fehler, der eine Zehntel aber vier Startplätze gekostet hat." Im Rennen bezahlte der WM-Spitzenreiter dafür. Norris steckte die meiste Zeit im Verkehr, und schon wurde es nichts mit dem Doppelsieg. Wenn der McLaren verwirbelte Luft schlucken muss, ist er nicht besser als andere Autos im Feld."

Drei WM-Punkte trennen Norris und Piastri nach vier Rennen.
Piastri bezahlt für Melbourne-Fehler
Die ersten vier Rennen deuten bereits an, worauf das McLaren-Duell hinauslaufen wird. Gefragt ist nicht unbedingt der absolute Speed. Wer weniger Fehler macht, wird Weltmeister. Da die Konkurrenz höchstens zwei Zehntel pro Runde entfernt ist, tut jeder Fehler doppelt weh. Jederzeit könnte sich einer von Mercedes, Red Bull und Ferrari dazwischenschieben.
Da wird ein Dreher wie der von Piastri in Melbourne zu einem großen Handicap. Trotz zwei Siegen hat der Herausforderer im Team den Rückstand noch nicht ganz aufgeholt. Norris führt mit 77:74 Punkten. Der Engländer weiß spätestens jetzt, dass diese WM mit einem weißen Blatt Papier beginnt. Der Piastri von heute ist nicht mehr der Piastri von 2024.
Der 24-Jährige aus Melbourne hat über den Winter noch einmal einen Riesenschritt gemacht. Größer als der von 2023 auf 2024. "Es ist unglaublich, auf welchem Niveau Oscar nach nur 50 Grands Prix bereits ist. Er hat sich praktisch in jedem Punkt verbessert", lobt Stella. Dazu trägt auch die Konkurrenzsituation bei. "Unsere Fahrer lernen voneinander und komplimentieren sich."

Der Weltmeister wird dieses Jahr aus dem McLaren-Lager kommen.
Goldene Gelegenheit zum Titel
Piastri hat vor allem an der Konstanz seiner Qualifikationsrunden und am Reifenmanagement gearbeitet. "Das zweite Jahr ist oft das schwerste, weil du vom ersten so viel aufarbeiten musst. Der entscheidende Sprung kommt dann im dritten", erinnert sich sein Manager Mark Webber. Der neunfache GP-Sieger wacht mit Argusaugen darauf, dass sein Schützling die gleiche Behandlung bekommt, wenn wieder mal zum Schutz des Teams die Papaya-Regeln ausgerufen werden.
Beide McLaren-Piloten wissen, dass 2025 ihre goldene Gelegenheit ist, Weltmeister zu werden. So ein Auto bekommt man nur selten in seiner Karriere. Webber unterstreicht: "Das ist nicht der Moment, wo du dir sagst: Ich bin noch jung und habe Zeit. Das ist die Chance, die du mit beiden Händen greifen musst. Und Oscar weiß das."
Es sind die Momente, in denen auch der Kopf den Ausschlag gibt. Piastri ist ein Vollstrecker, den alle Nebengeräusche kaltlassen. Auch er gibt Fehler zu, spricht darüber aber nicht wie sein Teamkollege Norris in epischer Breite. So verhindert er, dass er sich damit runterzieht. Norris blickte wieder gewohnt selbstkritisch auf sein Rennen zurück: "Immer, wenn mir etwas Gutes gelungen ist, habe ich zwei Dinge falsch gemacht." Er sieht die Selbstgeißelung als Befreiung: "So lasse ich meinen Frust ab."

Lando Norris kommt mit dem neuen McLaren noch nicht zurecht.
Wann kommt es zum Schlagabtausch?
Die Selbstzweifel klingen auch bei der Beurteilung des Autos durch. Norris hadert damit, dass er sich im MCL39 noch nicht so wohl fühlt wie im Vorgänger. "Letztes Jahr hatte ich das Gefühl, das Auto im Griff zu haben. Dieses Jahr ist es das Gegenteil. Ich bin nicht annähernd dort, wo ich mit dem Auto sein möchte. Ich habe viel Zeit investiert, um herauszufinden, womit ich zu kämpfen habe und was sich seit letztem Jahr geändert hat. Liegt es an mir? Liegt es am Auto?"
Piastri im Gegenzug stellt trocken fest: "Es gibt Augenblicke, da beißt es dich. Aber die meiste Zeit ist es ein unglaubliches Rennauto." Der WM-Zweite hat sich damit abgefunden, dass ein Rennauto nie perfekt ist: "Es gab ein paar Dinge, die wir gerne ausgebügelt hatten. Das ist geschehen. Im Großen und Ganzen fühle ich mich wohl in diesem Auto."
Andrea Stella hofft, dass er seinen Fahrern noch viele solche Gelegenheiten bieten kann. Doch bei einer so großen Regelreform wie der von 2026 sind alle Versprechungen Schall und Rauch. Es muss jetzt passieren oder schlimmstenfalls nie. Der Italiener ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass solche Konstellationen irgendwann an einen Punkt gelangen, wo die Fahrer nur an sich denken und alle Papaya-Regeln ignoriert werden. "Der Tag wird kommen. Es ist nicht die Frage ob, sondern wann."