Massa-Rechtsstreit: Präzedenzfall für Mercedes?

Mercedes beobachtet Massa-Klage
Präzedenzfall für Skandal-Finale 2021?

Zuletzt aktualisiert am 15.09.2023

Die Anwälte von Felipe Massa hatten in den letzten Wochen jede Menge Arbeit. Mitte August schickten sie Briefe an F1-Boss Stefano Domenicali und FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem, in denen von einer angeblichen Verschwörung die Rede war, die Massa den WM-Titel 2008 kostete.

Die Instanzen hätten das Fehlverhalten von Renault damals absichtlich ignoriert. Massa sei dadurch unrechtmäßig um eine Weltmeisterschaft betrogen worden. Durch ausgefallene Bonus-Zahlungen sei ein finanzieller Schaden in zweistelliger Millionenhöhe entstanden. Außerdem habe durch den ausgefallenen Titel auch die Reputation ihres Klienten gelitten.

Felipe Massa
Wilhelm

Prozess-Vorbereitungen laufen

Die Anwälte stellten ein Ultimatum. Sie forderten innerhalb von 14 Tagen eine angemessene Antwort. Doch in der Sommerpause tat sich erst einmal wenig. Auch einen Monat später ist nicht ganz klar, was hinter den Kulissen läuft. Noch scheint die Klage nicht offiziell vor dem Londoner High Court eingereicht worden zu sein. Das Massa-Camp bereitet den Prozess aber schon vor. Personen und Teams, die damals direkt beteiligt waren, wurden bereits kontaktiert.

Die Formel-1-Bosse werden sicher genau überlegen, ob sie es darauf ankommen lassen. Ein Streit in aller Öffentlichkeit wäre eine lästige Ablenkung vom sportlichen Geschehen auf der Strecke. Der 15 Jahre alte Skandal müsste noch einmal komplett aufgerollt werden. Auf der anderen Seite will man sich aber auch nicht einfach zu einem Vergleich erpressen lassen. Vor allem, wenn die Erfolgsaussichten von Massa vor Gericht ziemlich dünn aussehen.

Die mögliche Klage des Brasilianers soll vor allem auf Aussagen von Bernie Ecclestone fußen. Der ehemalige F1-Boss hatte in einem Interview zugegeben, noch vor dem Ende der Saison 2008 gewusst zu haben, dass Renault das Singapur-Rennen mit einem absichtlichen Crash manipuliert hatte. Allerdings will sich Ecclestone nun plötzlich doch nicht mehr so genau erinnern, was damals passiert war.

Bernie Ecclestone - F1 - 2019
Wilhelm

Geringe Erfolgsaussichten

Die wackelige Aussage des Kronzeugens ist nicht der einzige Knackpunkt. Es wird schwierig für Massa zu begründen, warum aus der Manipulation des Rennens eine Streichung des Ergebnisses folgen soll. Verstößt ein Fahrer oder ein Team in der Formel 1 gegen die Regeln, werden normalerweise nur die Sünder bestraft, aber nie der komplette Grand Prix aus der Wertung gestrichen. Und nur das würde Massa zum Weltmeister machen.

Eine weitere Frage lautet, ob solche sportlichen Entscheidungen überhaupt vor einem Zivilgericht angefochten werden können. In nachträglichen Streitfragen führt der normale Weg über das FIA-Berufungsgericht. Doch die FIA hat in diesem Fall bereits vor langer Zeit ihr Urteil gefällt. Die damaligen Drahtzieher, Teamchef Flavio Briatore und Chefingenieur Pat Symonds, wurden mit Arbeitssperren belegt. Das Ergebnis der WM blieb bestehen.

Auch wenn die Aussichten auf Erfolg gering erscheinen, blickt man im Fahrerlager gespannt darauf, wie es in dem Fall weitergeht. McLaren würde bei einem Erfolg Massas einen WM-Titel verlieren. Doch Rennstallboss Zak Brown sieht die Angelegenheit locker: "Das war vor meiner Zeit. Wir sind in diesem Fall nicht kontaktiert worden. Wir warten jetzt erstmal ab und schauen, wie sich das Ganze weiterentwickelt."

Toto Wolff - Christian Horner - Formel 1 - GP Abu Dhabi - 12. Dezember 2021
Motorsport Images

Ebnet Massa den Weg für Mercedes?

Bei Mercedes blickt man mit deutlich größerem Interesse auf die Massa-Bestrebungen, wie Teamchef Toto Wolff in Singapur zugab. "Das Ganze hat so sicher niemand kommen sehen. Die Frage lautet, ob es überhaupt ein Fall für ein Zivilgericht ist. Wir verfolgen das Ganze nun mit Neugier von der Seitenlinie."

Bei Mercedes geht es nicht nur darum, dass mit Lewis Hamilton der eigene Schützling um einen WM-Titel erleichtert werden soll. Das Team könnte ein mögliches Urteil im Sinne Massas auch als Präzedenzfall in eigener Sache nutzen. Hamilton war nach Ansicht von Mercedes unfair um den Titel beim Saisonfinale 2021 in Abu Dhabi gebracht worden, weil die FIA die eigenen Regeln nicht eingehalten hatte.

"Die FIA selbst hat damals ein klares Statement zu dem Rennen abgegeben. Deshalb schauen wir nun mit Interesse darauf, was passiert", gab Wolff zu. Die FIA hatte damals eine eigene Untersuchung zum Abu-Dhabi-Rennens eingeleitet und "menschliche Fehler" eingestanden. Am Ergebnis wurde aber nicht mehr gerüttelt. Sollte es Massa schaffen, mit einer Klage erfolgreich zu sein, würde das den Weg für Mercedes ebnen, sich ebenfalls einen Titel am Grünen Tisch zu holen.

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