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Fluktuation wegen Budget-Deckel
Unruhe auf dem Markt der Ingenieure

Auf dem Markt der Ingenieure gibt es mehr Bewegung als bei den Fahrern. Die Techniker wechseln in Scharen von Team zu Team. Manche verabschieden sich ganz in die Industrie. Schuld daran ist auch die Budgetdeckelung.

Aston Martin Kommandostand 2024
Foto: Aston Martin

Der Fahrermarkt ist in dieser Saison in Bewegung geraten. Viele Verträge laufen Ende des Jahres aus. Lewis Hamilton hat im Februar mit seinem Wechsel zu Ferrari das Karussell in Gang gesetzt. Mitten im Sommer gibt es immer noch sieben offene Cockpits.

Noch viel größer ist die Bewegung auf dem Markt der Ingenieure. Dort werden wöchentlich neue Wasserstände gemeldet. Aston Martin kündigte in den letzten zwei Wochen gleich zwei spektakuläre Neuzugänge an. Der frühere Mercedes-Motorenchef Andy Cowell ersetzt Martin Whitmarsh als CEO des Formel-1-Teams. Ferrari-Technikdirektor Enrico Cardile wechselt die Farben. Von Rot zu Grün. Es heißt, Aston Martin-Geschäftsführer Amedeo Felisa habe Cardile über den Kanal gelockt. Die beiden kennen sich aus alten Ferrari-Zeiten.

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Williams-Teamchef James Vowles baut ein komplett neues Team auf.

Jeder bedient sich bei jedem

Williams verkündete Ende Juni die Einstellung von 26 neuen Ingenieuren. Der ehemalige Alpine-Technikdirektor Matt Harman ist der prominenteste Neuzugang. Richard Frith kommt ebenfalls von Alpine, Fabrice Moncade von Ferrari, Juan Molina von Haas, Steve Winstantley von Red Bull.

Alpine ersetzte Harman schon zwei Monate zuvor durch David Sanchez. Der ehemalige Aerodynamikchef von Ferrari hatte zwischendurch ein kurzes Gastspiel bei McLaren gegeben. Außerdem wechselten die Red-Bull-Ingenieure Michael Broadhurst und Vin Dhanani, sowie Jacopo Fantoni von Ferrari nach Enstone.

Audi hat sich mit Stefano Sordo Verstärkung ins Haus geholt. Der Italiener arbeitete früher bei McLaren und hatte beim IndyCar-Team von Bobby Rahal Zwischenstation gemacht. Dazu wurde auch noch Stefan Strähnz als neuer Programmdirektor verpflichtet. Der erfahrene Ingenieur hatte seine F1-Karriere bei Toyota, BAR, Renault und Lotus begonnen und zuletzt mit Mercedes viele Titel gesammelt.

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Andreas Seidl will das Audi-Werksteam an die Spitze der Formel 1 führen. Dafür braucht es neues Personal.

Ferrari kommuniziert Neuzugänge nicht

Anfang des Jahres nahm Ex-Red-Bull-Chefdesigner Rob Marshall seine Arbeit bei McLaren auf. Loic Serra wird bei Ferrari die Rolle von Cardile übernehmen. Der ehemalige Fahrwerkschef von Mercedes hat noch bis Ende des Jahres Arbeitssperre. Mercedes verpflichtete Haas-Technikchef Simone Resta als neuen Koordinator im Technikbüro.

Tim Goss wird ab September die Technikabteilung von Toro Rosso leiten. Er kommt ursprünglich von McLaren, hat aber in der Zwischenzeit bei der FIA gearbeitet. Auch Alan Permane fand nach seiner Alpine-Kündigung bei Red Bulls Schwesterteam als Chefingenieur eine neue Anstellung. Guillaume Cattelani wechselte nicht die Firma aber das Team. Der neue stellvertretende Technikchef kommt von Red Bull.

Ferrari kommuniziert nur interne Umbesetzungen. Doch obwohl Maranello weit weg von England liegt, zieht es viele Ingenieure zum berühmtesten Rennstall der Szene. Teamchef Frédéric Vasseur mag nur nicht darüber sprechen: "Wir haben seit ich da bin etwa 50 Ingenieure von anderen Teams angestellt. Ich könnte jede Woche eine Pressemitteilung verschicken und die Namen kommunizieren. Was sollte das bringen? Ich mag es nicht einzelne Personen herauszuheben. Das Team ist wichtig."

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Auch ohne F1-Lizenz wildert Andretti Global schon auf dem Ingenieursmarkt.

Andretti baut F1-Team auf

Mit Andretti mischt auch noch ein weiterer Player auf dem Markt mit, der noch gar keinen festen Platz in der Formel 1 hat. Zuletzt machte der US-Rennstall Schlagzeilen mit der Verpflichtung von Ex-F1-Technikchef Pat Symonds. Mit IT-Direktor Chris Green und Finanzchefin Laura Sturland hat der Neuling zuletzt auch erfolgreich bei Mercedes gewildert.

Ex-Renault Technikchef Nick Chester gehört quasi zu den Aufbauhelfern des Teams. Er wird unterstützt von Aerodynamikchef Jon Tomlinson (ehemals Williams und Renault) und Chefdesigner John McQuilliam, der seine F1-Karriere 1991 bei Jordan startete und zwischendurch bei Marussia angestellt war. Insgesamt umfasst die Belegschaft schon mehr als 120 Angestellte. Unter den Neuzugängen seien nach eigener Aussage auch viele Mitarbeiter von Red Bull, McLaren und Ferrari.

Adrian Newey - Red Bull - Formel 1 - GP Miami - 3. Mai 2024
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Beim Kampf um die Dienste von Adrian Newey sind Aston Martin, Ferrari, Williams und McLaren in der Verlosung.

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Die Königsfigur ist aber noch nicht vergeben. Adrian Neweys Abgang bei Red Bull hat für große Turbulenzen in der Szene gesorgt. Der Stardesigner wird mit Aston Martin, Ferrari, McLaren, Mercedes und sogar Williams in Verbindung gebracht. Auch der ehemalige Ferrari-Teamchef Mattia Binotto und Ex-Mercedes-Technikdirektor Mike Elliott sind noch auf dem Markt.

Alle drei haben bei aller Erfahrung und Expertise ein Problem einen Job zu finden. Sie sind teuer, und es muss in der Struktur des jeweiligen Teams eine Stelle geben, die ihrem Status entspricht. Mit ihrem Gehalt nehmen sie auf jeden Fall einen der drei Arbeitsplätze weg, die nicht zum Budgetdeckel zählen.

Das heißt im Umkehrschluss: Ein anderer Großverdiener rückt wieder zurück in die Kostenstelle Formel 1 und belastet dort den Etat. Die Tricksereien, sich mit Teilzeitjobs zu behelfen, sind 2026 endgültig vorbei. Dann zählt jeder Mitarbeiter des Formel-1-Projekts mit 100 Prozent seines Gehalts zum Budget, egal wie viel seiner Arbeitszeit er dafür widmet.

Red Bull Ford Powertrains - F1 - Formel 1- Milton Keynes - Motorenfabrik
Patric Otto

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Kleinere Teams oder mehr KI

Die starke Fluktuation in Technikerkreisen ist nach Ansicht vieler Teamchefs eine Folge der Budgetdeckelung. Teams am unteren Rand des Kostenlimits haben noch Luft nach oben und können mit besseren Gehältern oder attraktiven Posten werben. Ein Rob Marshall war für Red Bull nicht zu halten. McLaren konnte ihm mehr bieten. Doch irgendwann, so Red Bull-Teamchef Christian Horner, beißt sich die Katze in den Schwanz. Dann sind alle am Limit.

Viele Ingenieure wandern auch in andere Industrien ab. "Es gibt dort zum Teil für ein weniger stressiges Leben mehr Geld", klagt Horner. Auch von den Universitäten kann man sich nicht mehr bedingungslos bedienen. Die Zahl der Motorsport-Nerds sinkt. Viele junge Ingenieure wollen nicht mehr 40 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten, oder sie fordern mehr Homeoffice ein. Was im Endeffekt zu schlechteren Ergebnissen führt.

Das Ergebnis wird mittelfristig sein, dass die Teams schrumpfen. Sie werden sich überlegen müssen, ob es nicht besser ist, mit 900 statt 1.000 Angestellten zu arbeiten und dafür mehr Geld für die Hochbegabten in der Kasse zu haben. Einige Aufgaben werden auch durch künstliche Intelligenz ersetzt. Sie könnte sich zum Jobkiller am unteren Ende der Gehaltsliste entwickeln.

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