Drama kurz vor der Zielflagge: Die Last Minute-Siege

Drama kurz vor der Zielflagge
Last-Minute-Siege in der Formel 1

1000. GP
Veröffentlicht am 18.01.2019

Davon träumt jeder Rennveranstalter: Showdown in der allerletzten Runde. In 997 Grand Prix fand er insgesamt 24 Mal statt. Acht Mal fiel die Entscheidung in letzter Minute durch ein echtes Überholmanöver, zwei Mal durch Stallregie, ein Mal durch einen Boxenstopp, ein Mal durch einen Unfall. 12 Mal spielte die Technik Schicksal. Zuletzt immer seltener. Zu viele Werkzeuge und zu viel Geld im Spiel machen den Sport immer berechenbarer. Dabei sind es gerade die späten Dramen, an die man sich ein Leben lang erinnert. Weil sie so ungerecht sind.

Jack Brabham widerfuhr das größte Rennfahrerpech gleich drei Mal in seiner Karriere, davon zwei Mal in einer Saison. Der Australier verlor 1970 in Monte Carlo und Brands Hatch zwei sichere Siege. Einmal fehlten 300, einmal 600 Meter. Bruce McLaren dagegen war zwei Mal Profiteur. 1959 in Sebring schenkte ihm Brabhams Missgeschick den späten Sieg. Neun Jahre später machte Jackie Stewart in Spa den Weg frei für den Neuseeländer. Aus der modernen Zeit hat eigentlich nur der GP Aserbaidschan aus diesem Jahr diese Qualität. Valtteri Bottas verlor die Führung drei Runden vor Schluss durch einen Reifenplatzer. Lesen Sie bei uns die 12 dramatischsten letzten Runden der GP-Geschichte.

GP USA 1959 in Sebring

Jack Brabham, Stirling Moss und Tony Brooks dürfen vor dem Finale in Sebring noch vom WM-Titel träumen. Moss fällt schon nach 5 Runden mit Getriebeschaden aus dem Titelrennen. An der Spitze fährt Jack Brabham abgeschirmt von Cooper-Teamkollege Bruce McLaren einem sicheren Sieg und dem Titel entgegen. Glaubt man. 500 Meter vor dem Ziel rollt der Führende ohne Benzin aus. McLaren will seinem Mentor helfen, doch der winkt ihn weiter. McLaren hilft ihm am meisten, wenn er gewinnt. Sonst macht Brooks das Rennen und ist Weltmeister. Brabham schiebt seinen Cooper-Climax auf der leicht ansteigenden Passage ins Ziel und bricht dort zusammen. Platz 4 reicht für den Titel. Der Grund für den hohen Benzinverbrauch: Die Vergaser waren falsch eingestellt.

GP Belgien 1964 in Spa

Drei Runden vor Schluss führt Dan Gurney bequem vor Graham Hill, Jim Clark und Bruce McLaren. Dann biegt der Amerikaner an die Boxen ab. Sein Spritvorrat geht zur Neige. Es ist aber kein Benzin vorrätig. Also weiter. Auch Clark ist kurz an der Box. Lotus muss Kühlwasser nachfüllen. Im letzten Umlauf auf der 14,1 Kilometer langen Strecke bereitet sich Hill gedanklich schon auf die Siegerfeier vor. Gurney ist kein Problem mehr. Dem geht 5 Kilometer vor dem Ziel endgültig der Sprit aus. Einen Kilometer weiter parkt plötzlich Hills B.R.M. Die Benzinpumpe streikt. Also gewinnt McLaren. Weit gefehlt. Dem stirbt in der Zielkurve der Motor ab. Die Batterie ist leer gesaugt. Clark fängt den Cooper auf den letzten Metern noch ab.

Jim Clark - Lotus 25 - Bruce McLaren - Cooper T73 - GP Belgien 1964 - Spa
sutton-images.com

GP Italien 1967 in Monza

Jim Clark hat 25 Grand Prix gewonnen, doch in seinem größten Rennen wird er nur Dritter. Ein Reifenplatzer zwingt ihn in der 13. von 68 Runden an die Box. Er ist danach überrundet und auf Platz 15 zurückgefallen. Doch Clark rundet sich zurück und fährt dann zwei Sekunden pro Umlauf schneller als die Spitze. In der 59. Runde hat Clark wieder zu John Surtees und Jack Brabham auf Platz 2 und 3 aufgeschlossen. Zwei Runden später ist Clark vorbei und fährt einem grandiosen Sieg entgegen, weil gleichzeitig Spitzenreiter Hill ausgefallen ist. In der letzten Runde passiert das Unfassbare. Die Benzinpumpe im Lotus saugt ins Leere. Vor der Lesmo-Kurve gehen Surtees und Brabham am moralischen Sieger vorbei.

GP Belgien 1968 in Spa

In der vorletzten Runde hat Jackie Stewart 30 Sekunden Vorsprung auf Bruce McLaren. Doch dann die Sensation. Stewart biegt eingangs der letzten Runde in die Boxengasse ab, um nachzutanken. McLaren gewinnt mit 12 Sekunden Vorsprung und weiß es nicht mal. Erst ein Mechaniker informiert ihn. Noch auf dem Siegerpodest zeigt McLaren ungläubig auf sich. „Was, ich soll gewonnen haben?“ Der Neuseeländer hatte Stewarts Panne nicht bemerkt. Es war der erste GP-Sieg für den Rennstall McLaren. Standesgemäß mit dem Chef im Cockpit.

GP England 1970 in Brands Hatch

Jochen Rindt und Jack Brabham duellieren sich 69 Runden lang. Dann nutzt Brabham einen Schaltfehler von Rindt und zieht dem Österreicher bis auf 13 Sekunden weg. Als Brabham zum letzten Mal aus Stirlings Bend beschleunigen will, stottert der Cosworth-V8 in seinem Brabham BT33. Der Australier schafft es gerade noch den Anstieg zur Clearways-Kurve hinauf. Dann lässt er die abfallende Zielgerade hinunter rollen. Die Markierungen der Startaufstellung sind schon zu sehen, als Rindt vorbeischießt. Des Rätsels Lösung: Ein Mechaniker hat nur sieben statt acht Kannen Sprit in den Tank gefüllt.

GP Frankreich 1977 in Dijon

John Watson liegt mit seinem Brabham-Alfa bei Halbzeit des Rennens klar vor Mario Andretti. Im Finale aber steckt der Lotus dem Spitzenreiter im Getriebe. Watson hat alles unter Kontrolle, nur die Spritzufuhr seines Alfa-Zwölfzylinder nicht. Als er in der letzten Runde in die Bergabpassage sticht, beginnen die Aussetzer. Als die beiden aus der Senke wieder über den Hügel fliegen, liegt ein schwarzes Auto vor einem roten. Andretti hat eiskalt die Unpässlichkeit seines Gegners genutzt.

GP Südafrika 1978 in Kyalami

Die Spitzenreiter verabschieden sich reihenweise. Jody Scheckter mit Unfall. Riccardo Patrese mit Motorschaden. Mario Andretti muss nachtanken. Teamchef Colin Chapman hat wieder mal zu knapp kalkuliert. Nur Ronnie Peterson und Patrick Depailler bleiben für den Showdown übrig. Eingangs der letzten Runde liegt Depailler vorn. Doch sein Tyrrell hat Probleme mit der Benzinzufuhr. Ein Motoraussetzer bringt Peterson längsseits. Die beiden durchfahren drei Kurven im Parallelflug. In der vierten liegt Peterson zufällig auf der günstigeren Innenspur. Der Schwede gewinnt hauchdünn.

Ronnie Peterson - Lotus - GP Südafrika 1978 - Kyalami
sutton-images.com

GP Monaco 1982 in Monte Carlo

73 Runden lang sieht Alain Prost wie der sichere Sieger aus. Dann crasht der Professor bei einsetzendem Regen in der Hafenschikane. Wenig später dreht sich sein ständiger Beschatter Ricciardo Patrese in der Lowes-Kurve. Die Streckenposten schieben ihn wieder in Fahrtrichtung, Patrese würgt den zweiten Gang rein und weiter geht‘s. Jetzt aber führen Didier Pironi und Andrea de Cesaris. Nicht lang. In der letzten Runde parkt erst de Cesaris ohne Benzin, dann Pironi. Patrese gewinnt, ohne es zu wissen. „Nach meiner Rechnung hatte Rosberg gewonnen. Er hatte mich doch bei meinem Dreher überholt. Erst im Ziel erfuhr ich, dass Keke ausgefallen war. Ich hatte ihn mit Derek Daly verwechselt, der schon eine Runde zurücklag.“

GP Kanada 1991 in Montreal

304 von 305 Kilometern gibt es über den Sieger keinen Zweifel. Nigel Mansell führt unangefochten mit 53 Sekunden Vorsprung auf Nelson Piquet. Der Engländer winkt in der letzten Runde schon dem Publikum zu, fährt nur noch Halbgas. Als er in die Haarnadel einbiegen will, ist der Hydraulikdruck so weit abgesunken, dass die Schaltung nur noch unzureichend funktioniert. Das Getriebe bleibt im Leerlauf hängen. Dann stirbt der Motor ab. Technikchef Patrick Head flucht: „Hätte sich Nigel nur einen Funken für die Technik interessiert, wäre das nicht passiert.“ Piquet freut sich diebisch über den geschenkten Sieg.

GP Ungarn 1997 in Budapest

Arrows hat bei 360 Starts nie gewonnen. Doch diesmal, in Budapest, machen die überlegenen Bridgestone-Reifen Damon Hill im Arrows-Yamaha zum Hauptdarsteller. Er bremst Michael Schumacher aus, er fährt Jacques Villeneuve davon. Zwei Kilometer vor dem Ziel raubt ihm ein Pfennigdefekt den Sieg. Eine Membran, die im Ausgleichsbehälter für die Hydraulikflüssigkeit Gas von Öl trennt, ist porös. Hill kann noch in den dritten Gang schalten. So schleicht er ins Ziel. Villeneuve überholt seinen Ex-Teamkollegen wie man es von ihm erwartet: auf dem Gras.

GP Spanien 2001 in Barcelona

Als Häkkinen zum vorletzten Mal die Ziellinie kreuzt, steigt eine Rauchwolke im Heck des McLaren auf und es gibt einen lauten Knall. Er hat 42,5 Sekunden Vorsprung auf Michael Schumacher. In der letzten Runde kommt der Spitzenreiter noch bis Kurve 4. Dann steht der McLaren. Die Kupplung ist explodiert. Ein Dichtring im Getriebe hat sich losvibriert. Daraufhin spritzt Öl auf die Kupplung, die immer mehr durchrutscht. 2,5 Kilometer vor dem Ziel explodiert sie. Michael Schumacher sagt Danke, gibt aber zu: „Mika hätte diesen Sieg verdient gehabt.“

Kimi Räikkönen - McLaren MP4-20 - GP Deutschland 2005 - Nürburgring
Wilhelm

GP Europa 2005, Nürburgring

Die entscheidende Szene des Rennens findet zuerst kaum Beachtung. Kimi Räikkönen führt mit 13 Sekunden vor Fernando Alonso, als er sich im 34. Umlauf beim Überrunden von Jacques Villeneuve das rechte Vorderrad eckig bremst. Ab da fährt der Finne mit starken Vibrationen Richtung Zielflagge. McLaren verzichtet auf einen Sicherheitsstopp, bei dem man nur den beschädigten Reifen hätte wechseln dürfen. „Wir wollten gewinnen“, richtet Teamchef Ron Dennis aus. Räikkönen reduziert das Tempo und geht mit 1,5 Sekunden Vorsprung auf Alonso in die letzten 5,148 Kilometer, als beim Anbremsen der Castrol-Kurve die rechte Vorderradaufhängung bricht. Zermürbt von der Rütteltour über 25 Runden. Alonso staubt den Sieg ab.

auto motor und sport feiert das 1.000. Formel-1-Rennen in dieser Saison mit einer großen Serie in 100 Teilen. Wir liefern Ihnen im täglichen Countdown spannende Geschichte und interessante Video-Features aus der Historie der Königsklasse. Alle bisherigen Artikel finden Sie auf unserer >> Übersichtsseite zum großen Jubiläums-Grand-Prix.