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Robert Kubica über zwei F1-Generationen
„Heute fliegt man leichter ab“

Robert Kubica begann seine Formel 1-Karriere 2006. Er kennt die Autos der alten V8-Ära und vergleicht sie mit der aktuellen Hybridgeneration. Sein Fazit: Am Limit zu fahren, war immer gleich schwer.

Robert Kubica - Alfa Romeo  - GP Italien 2021
Foto: Alfa Romeo

Vergleichen Sie die Autos von 2007 bis 2010 mit denen von heute. Was unterscheidet Sie?

Kubica: Es gibt da vier Aspekte, die man vergleichen muss. Der erste ist das Gewicht. Die Autos sind heute deutlich schwerer. Der zweite ist die Antriebseinheit. Es ist ein komplexes System statt einem simplen V8. Der dritte sind die Reifen. Andere Charakteristik, mehr Auflagefläche, Slicks statt Rillenreifen. Und dann noch die Abmessungen des Autos. Die modernen Autos sind riesig im Vergleich zu denen aus den späten 2000er Jahren. Das fällt erst auf, wenn sie nebeneinander stehen. Mit den breiteren Autos ab 2017 haben wir auch mehr aerodynamische Flächen und mehr Abtrieb bekommen. Der zusätzlichen Grip von der Aerodynamik und den breiteren Autos kompensiert das höhere Gewicht, das in den letzten 15 Jahren von 605 auf 752 Kilogramm gestiegen ist.

Unsere Highlights

Wie wirkt sich das Gewicht beim Fahren aus?

Kubica: Der Gewichtsanstieg ging ja schleichend voran. Jedenfalls für die Fahrer, die seitdem permanent dabei sind. Ich war acht Jahre lang weg. Dann bin ich kurz hintereinander ein 2012er und ein 2017er Auto gefahren. Ich habe den Gewichtssprung mehr oder weniger an einem Tag erlebt. Das war ein ganz anderes Fahren. Es war fast ein Schock. Das zusätzliche Gewicht spürst du im Cockpit. Das Auto reagiert träger in langsamen Kurven. Es fühlt sich viel größer an. Fast so als würde man von einem Kleinwagen auf ein großes Auto auf der Straße umsteigen.

Der größte Unterschied aber ist die Massenträgheit des Autos. Was das Auto zum Beispiel macht, wenn der Grip abreißt. Wie einfach oder schwer es ist, das Auto wieder zurück auf seine Linie zu zwingen. Wenn Sie sich Videos aus der Vergangenheit anschauen, sehen Sie, dass die Autos viel schneller und direkter auf Lenkradbewegungen reagieren. Es war früher einfacher, das Auto unter Kontrolle zu halten. Wenn du heute das Limit zu sehr ausreizt, fliegst du ab.

Robert Kubica - Formel 1 - Monza - GP Italien 2021
Motorsport Images
Robert Kubica stand 2021 bei zwei Rennen als Ersatz von Kimi Räikkönen am Start.

Wie wirkt sich das im Rennen aus?

Kubica: Der Speed im Rennen ist ein ganz anderer. Es geht immer noch darum, die Renndistanz so schnell wie möglich zu bewältigen. Nur der Weg dorthin ist ein anderer. Als ich anfing, durfte noch getankt werden. Da bist du 60 Qualifikationsrunden gefahren. Es waren nie mehr als 50 Kilogramm Sprit an Bord, die Reifen haben den ganzen Stint gehalten, du bist immer voll gefahren. Die Rennen waren intensiver aus Sicht des Fahrers. Jetzt bist du schneller, wenn du langsamer fährst. Du fährst nicht absichtlich langsamer. Aber du musst mehr vorausdenken, Sprit sparen, Reifen schonen, die Motorpower einteilen.

Was ist schwieriger: Vollgas die ganze Zeit oder mit Kopf fahren?

Kubica: Am Limit fahren und das Maximum aus dem Auto rausholen, ist immer gleich schwierig. Die Formel 1 von heute, von vor 10, 20 oder 30 Jahren war unterschiedlich, aber die Herausforderung war immer die gleiche. Es waren unterschiedliche Dinge wichtig. Heute bezahlst du einen höheren Preis dafür, wenn du es übertreibst. Es ist besser, fünf Prozent auf der sicheren Seite zu sein als drei Prozent drüber. Früher bist du davon gekommen, wenn du mal 10 Prozent drüber warst. Das Maß, in dem du dein Material schonen musst, hängt auch ein bisschen von den Reifen und den äußeren Bedingungen ab. 2019 in Silverstone mit den harten Reifen war es fast so wie früher. Es war so ein Rennen, wo alle Fahrer danach happy waren. Wir wollen immer mehr Grip und mehr Power. Weil wir dann schneller fahren können.

Wie hat sich die Arbeit mit dem Team verändert?

Kubica: Der Fokus liegt auf anderen Dingen. Es wird viel mehr über Reifen gesprochen. Die Reifen müssen viel mehr aushalten. In der Vergangenheit war das kaum ein Thema. Weil du damit weder viel Zeit gewonnen noch verloren hast. Heute kannst du mit den Reifen zwar auch nicht viel gewinnen, aber sehr viel verlieren.

Im Vergleich der Qualifikationsrunden: War es früher schwerer als heute?

Kubica: Das war immer gleich schwierig. Voller Fokus, die schnellstmögliche Runde zu fahren. Es gibt aber Rennstrecken, wo du ein bisschen mit den Reifen taktieren musst. Budapest und Singapur sind zwei so Beispiele. Du kannst im ersten Sektor nicht voll fahren, weil dir dann die Reifen im letzten Sektor einbrechen. Besser zwei oder drei Zehntel im ersten Sektor verlieren, dafür eine Sekunde im letzten gewinnen.

Diese Motoren haben über 1.000 PS. Der V8 kam auf 750 PS. Spürt man als Fahrer den Unterschied?

Kubica: Nicht so stark. Wegen des Gewichts und des höheren Luftwiderstands. Ja, du spürst mehr Drehmoment. Wegen des Turbos und des Elektromotors. Das Auto reagiert ganz anders auf das Gaspedal. 2014 im ersten Jahr der Hybrid-Ära muss es noch extrem gewesen sein. Die Autos waren wahnsinnig schnell auf den Geraden und furchtbar langsam in den Kurven. Dafür waren die Autos zehn Sekunden auf eine Runde in Barcelona langsamer. 2013 dagegen im letzten Jahr mit Kers haben wir nur ein oder zwei Sekunden auf heute verloren. Wir haben heute mehr Abtrieb, mehr Power, breitere Reifen, aber auch mehr Gewicht. Die Rundenzeiten kommen anders zustande.

Kimi Räikkönen - Alfa Romeo - GP Bahrain  2021
Wilhelm
Im Verkehr verlieren die Autos viel Abtrieb.

Sind die Antriebseinheiten komplizierter geworden?

Kubica: 2009 im ersten Jahr mit Kers war es auch nicht einfach, speziell bei BMW nicht, weil sie Probleme mit dem System hatten. Manchmal mussten wir drei Mal pro Runde das Programm ändern.

Unterschiede beim Bremsen?

Kubica: Früher hattest du vorne wie hinten ein konventionelles Bremssystem. Heute bremst an der Hinterachse die Software mit. Es ist ein Mix aus mechanischer Bremse und Motorbremse, wenn das System im Ladebetrieb ist. Da kannst über die Bremsbalance etwas mehr spielen.

Wie benehmen sich heutigen Autos im Verkehr im Vergleich zu damals?

Kubica: Das war schon immer ein Problem. Ich hoffe, dass uns die 2022er Autos engere Rennen erlauben. Ich bin die letzten beiden Jahre in der DTM und der LMP2 gefahren, und ich sage ihnen: Egal, welches Auto, es ist immer schwer, hinter anderen herzufahren. Es ist einfacher als in der Formel 1, aber du verlierst Abtrieb und die Balance verändert sich. Die aktuellen Autos sind sehr sensibel, auch gegenüber Wind. Sie werden schnell instabil. Und dann zahlst du einen hohen Preis. Weil mehr Abtrieb verloren geht und mehr Gewicht wieder in Bewegung zu setzen ist. Dazu sind nicht alle Autos im Verkehr gleich. Du kannst manchen einfacher folgen als anderen. Wenn die Ingenieure zwei Aero-Pakete haben, die von der Rundenzeit her ähnlich sind, wählen sie immer das aus, das mehr Turbulenzen abstrahlt. Weil es für den Gegner schwieriger wird, dir zu folgen.

Sie haben heute mehr Werkzeuge zur Verfügung, das Auto zu verstehen. Ist es damit einfacher, das Auto perfekt abzustimmen?

Kubica: Wenn das Auto mal an der Rennstrecke ankommt, ist die meiste Arbeit schon getan. Du machst das Auto nicht mehr viel schneller. Du arbeitest nur noch daran, das Maximum aus dem Paket zu holen, das dir die Fabrik hingestellt hat. Die Formel 1 war immer sehr komplex. So wird sie jedenfalls gerne gesehen. Doch manchmal ist sie viel einfacher als wir denken. Manchmal bringt dich gesunder Menschenverstand und der Mensch mit seinen Fähigkeiten weiter. Das größte Rennen findet sowieso in den Fabriken statt. Speziell jetzt mit der großen Regeländerung.

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