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Interview mit Mercedes-Teamchef Toto Wolff
„Revolution ist nicht notwendig“

Mercedes-Teamchef Toto Wolff spricht im Interview mit auto motor und sport über die Lehren aus einer schwierigen Saison 2022 und die Entwicklung des neuen W14. Dazu äußert er sich zur Herausforderung, unter den Budgetdeckel zu kommen, zum Generationenduell Hamilton gegen Russell sowie zum Hype um die Formel 1.

Toto Wolff - F1 - 2022
Foto: Motorsport Images

Wie wichtig war der Sieg in Brasilien? Wäre der Winter ohne den Erfolg anders verlaufen?

Wolff: Der Sieg war sicher wichtig zur Bestätigung unserer Entwicklungsrichtung. Wir glauben, dass wir vor dem Sommer verstanden haben, wo wir falsch lagen. Das ist keine Sache, die du von einem auf den anderen Tag ändern kannst. Dazu brauchst du viele Monate an Vorlaufzeit. Wir haben ganz klar einen Trend zum Besseren festgestellt – auf Strecken, die der Konfiguration unseres Autos und den aerodynamischen Eigenschaften entgegenkommen. Das war in Austin und Mexiko schon gut, in Brasilien sogar noch besser.

Unsere Highlights

Durch den Sieg konnten wir auch diesen Punkt auf unserer Liste abhaken. Keiner kann sagen, dass Mercedes 2022 kein Rennen gewonnen hat. Und wir haben es nicht nur gewonnen, sondern haben den Sprint gewonnen, und sind Erster und Zweiter im Grand Prix geworden. Das war kein Zufall an diesem Wochenende. Wir hätten wahrscheinlich ein paar Rennen mehr gewinnen können, wenn wir entweder weniger Fehler gemacht oder etwas mehr Performance gehabt hätten.

Das Problem zu Saisonbeginn war das Bouncing, das alles bei Mercedes überlagerte. Gab es im Team keinen Adrian Newey, der dieses Phänomen kannte?

Wolff: Ich sehe am Kapitalmarkt heute Analysten und Investoren, die in ihren 40ern sind und die gleichen Fehler gemacht haben wie in den 2000er Jahren. Weil diese Leute die 2000er Jahre nicht miterlebt haben. Es reicht nicht, in einem Buch zu lesen, wie der Börsencrash passierte oder die Internetblase zerplatzte.

Es ist ein unheimlicher Vorteil – und das ist etwas, das ich persönlich miterlebt habe –, durch den gesamten Zyklus zu gehen. Von dem Augenblick, in dem alles durch die Decke geht bis hin zum Crash. Verbunden mit dem Glauben, dass das nur eine Momentaufnahme ist. Darauf folgt die Ernüchterung, dass es leider so weiter geht. Man gesteht sich ein, dass der Markt einfach überhitzt war, und die Bewertungen zu hoch. Spulen wir vor zu diesem Jahr. Genau das ist an den Börsen passiert. Astronomische Bewertungen für Internet- und Technologie-Startups, trotz eines negativen makroökonomischen Umfelds.

Mercedes - GP Brasilien 2022 - Sao Paulo - Rennen
Wilhelm
Doch noch ein Sieg: In Brasilien erlöste George Russell seine Mannschaft. Lewis Hamilton wurde Zweiter.

Und was heißt das auf die Formel 1 und Mercedes übertragen?

Wolff: Es war sicher ein Faktor für Red Bull, jemanden aus der damaligen Ground-Effect-Ära in der Mannschaft zu haben. Jemanden, dem es bewusst war, dass dieser Effekt des Bouncings auftritt, wenn man mit dem Auto zu tief am Boden fährt. Und dass damit Einschränkungen mit der Fahrbarkeit einhergehen. Das ist sicher etwas, das wir unterschätzt haben. Es lässt sich zurückführen auf einige wenige Entscheidungen im Oktober 2021. Damals haben wir nach tief hängenen Früchten gegriffen, weil die Entwicklungskurve so positiv war. Ich bin aber nach wie vor der Überzeugung, dass unsere Aerodynamik-Abteilung herausragend ist. Vielleicht ist diese Entwicklung, die wir durchgemacht haben, langfristig etwas Positives für uns.

Was macht es mit der Psychologie einer Mannschaft, die es gewohnt war, immer um Siege und Titel zu kämpfen, und die dann auf einmal eine Sekunde zurückliegt?

Wolff: Plötzlich eine Sekunde hinten zu sein, war eine Ernüchterung. Was für uns besonders schwierig war: Es war nicht ein Ausrutscher an zwei oder drei Wochenenden, der uns klargemacht hätte, wo wir ansetzen müssen. Es hat viel länger gedauert. Und im Prozess sind sehr viel mehr Fragezeichen entstanden. Wenn diese unheimlich kompetente Truppe an Ingenieuren einfach nicht genau weiß, was passiert, und sich alles sehr mühsam erarbeiten muss, ist das für alle schwierig zu handhaben.

Mussten Sie Ihren Führungsstil anpassen?

Wolff: Das war ein Learning by doing. Das Verhaltensmuster ist natürlich zunächst stark geprägt von acht siegreichen Jahren. Wir hatten auch in diesen acht Jahren immer wieder schwere Momente. Wir sprachen davon, dass es den Tag geben wird, an dem wir verlieren. Uns war bewusst, dass es dann darum geht, zusammenzuhalten, uns unseren Werten bewusst zu sein, und wir einen Weg finden müssen, uns herauszuarbeiten. Am Ende war das der Schlüssel, dass wir bei der Performance auf ein respektableres Niveau zurückgekehrt sind.

Was heißt in diesem Fall Learning by doing?

Wolff: Während es passiert, und das ist mein Learning by doing, hinterfragt man natürlich Dinge. Du zweifelst. Die Stärke der Organisation war, diese Zweifel zu erlauben, ohne dass jemals jemand das Gefühl hatte, hier nicht in einem sicheren Umfeld zu arbeiten. Wenn die Angst einhergeht mit "Hire and Fire" sowie aktionistischem Verhalten des Topmanagements, dann holst du das Beste aus den Leuten nicht mehr heraus. Dann wird es schwerer, Fehler aufzudecken, weil jeder im Unternehmen den Kopf tief hält, um bloß nicht aufzufallen.

Hätte Mercedes die Probleme mit dem Auto ohne eine Budgetobergrenze schneller aus der Welt geschafft?

Wolff: Wir hätten natürlich mehr Kapital hineinschießen können. Am Ende bist du aber vor allem durch die wenigen Testtage limitiert. Die virtuelle Welt des Windkanals, von CFD und der Simulationen hat unser Problem nicht gelöst. Unsere Daten zeigten es schlichtweg nicht an. Das Bouncing lässt sich im Windkanal nicht simulieren. Das leitet natürlich die Simulationen in die Irre. Auch dort war es ein Learning by doing. Durch jeden Schritt, den wir auf der Rennstrecke gegangen sind, die Wochenenden als Test zu verwenden, sind wir unserem Verständnis über das Auto millimeterweise nähergekommen.

Wie schwer war es denn überhaupt für ein großes Team wie Mercedes, unter den Budgetdeckel zu kommen? Wie viele Leute haben Sie verloren, weil sie eventuell woanders bessere Angebote erhielten?

Wolff: Ich glaube, dass eine gewisse Fluktuation in jedem Team gar nicht schlecht ist. Wenn Leute sich weiterentwickeln können, in eine höhere Position aufsteigen und mehr Gehalt verdienen, sollte man das ihnen nicht verbauen. Das ist ein Verhalten, das ich menschlich akzeptiere. Es ermöglicht es gleichzeitig einer jüngeren Generation nach oben zu kommen, und zu Entscheidungsträgern zu werden. Das macht mir unheimlichen Spaß. Erfahrene und junge Mitarbeiter sind die optimale Kombination.

Und sonst?

Wolff: Wenn du 100 Millionen herausnehmen musst, bedeutet das Restrukturieren. Was heißt das? Prozesse nach ihren Kosten zu analysieren, Prioritäten zu setzen und anzupassen. Vorher hieß es: "Wir machen das und das". Nun ist die Entscheidung: "Wir machen das oder das". Wir sind durch eine sehr schwierige Zeit gegangen, um uns anzupassen. Unsere Finanzabteilung ist von 16 auf 45 Mitarbeiter gewachsen, um die Prozesse widerzuspiegeln. Ein Beispiel: Wenn ein Stück Aluminium-Rohr zum Radträger wird, müssen wir nicht nur wissen, was das Rohr kostet. Wir müssen den gesamten Prozess verstehen, der dahintersteckt. Daraus erarbeitest du Prioritäten – zwischen den Ingenieuren und den Buchhaltern. Das wird uns mittelfristig einen Vorteil geben. Da müssen alle durch. Selbst die Teams, die heute unter der Budgetobergrenze liegen.

Lewis Hamilton - Mercedes - GP Singapur 2022
Wilhelm
Der Mercedes W13 funktionierte erst gar nicht, und dann nur auf bestimmten Rennstrecken.

Red Bulls Ingenieure sagen, der Mercedes hat in der Spitze den meisten Abtrieb. Das bringe aber wenig, wenn dieser über die Kurve nicht stabil sei. Ist das die größte Aufgabe für das neue Auto?

Wolff: Ich weiß nicht, ob stabil das richtige Wort ist. Wir brauchen schlichtweg ein breiteres Arbeitsfenster. Wir hatten auf High-Downforce-Strecken ein gutes Auto. Das haben wir schon in Barcelona gesehen. Auf Strecken, die wenige Bodenwellen und keine großen Kerbs haben. Wir müssen ein breiteres Aerodynamik-Fenster finden, als wir es 2022 hatten. Wir haben auch gesehen, gerade in Brasilien, dass wir ganz vorne mit dabei sind, sobald wir unser Fenster treffen. Jetzt müssen wir die Lehren daraus ziehen, warum unser Auto auf manchen Strecken in bestimmten Kurven so gut ist, und dagegen auf Low-Downforce-Strecken wie Spa oder Monza mit hohen Geschwindigkeiten nicht funktioniert.

Im Fahrerlager sagte uns ein Technikchef: Wenn Bayern München abgeschlagen die Meisterschaft verpasst, gibt es einen radikalen Schnitt. Was passiert bei Mercedes mit dem Auto?

Wolff: Revolution ist nicht notwendig, wenn du verstehst, wo du ansetzen musst. Ich weiß nicht, wie sehr sich das mit einem Fußballteam vergleichen lässt. Generell geht es darum, dass Stabilität und ein sicheres Umfeld enorm wichtig sind in der Formel 1. Das ist gerade unsere Stärke. Das hat uns 2022 schneller lernen lassen.

Das Auto wird also eine Evolution? Es gibt keinen radikalen Konzeptwechsel?

Wolff: Ich glaube, dass wir schon einige Dinge ändern müssen, wo wir festgestellt haben, dass sie nicht funktionierten. Wir hatten eine Diskussion mit einem Stakeholder. Der fragte uns: Verändert ihr das Konzept? Meine Antwort war: Was heißt Konzept? Bezieht sich das darauf, was von außen sichtbar ist – schmale oder breite Seitenkästen? Oder bedeutet Konzept Unterschiede in der Architektur, in der Gewichtsverteilung, mit dem aerodynamischen Fenster? Also Dinge, die nicht sichtbar sind. Bei uns gibt es keine heiligen Kühle. Wir stellen gnadenlos alles in Frage. Wenn wir etwas machen müssten, was wie bei einem anderen Auto aussähe, würden wir es ohne Zweifel tun. Im Moment geht alles in die Richtung, dass es Dinge sind, die unter dem Bodywork stattfinden. Die dazu beitragen können und hoffentlich werden, dass unsere Performance wieder besser wird.

Kommen wir zu den Fahrern: Lewis Hamilton bietet sich offen für eine Vertragsverlängerung an. Man hat fast schon den Eindruck, er bettelt darum.

Wolff: Das sehe ich überhaupt nicht so. Ich habe mich schon sehr früh ausgesprochen, dass Lewis bei uns immer einen Sitz haben wird. Eine Entscheidung wird immer zwischen uns diskutiert. Lewis wäre der erste, der sagen würde, wenn es ihm keinen Spaß mehr macht oder er glaubt, dass er Defizite habe. Insofern wollen wir weitermachen. Verhandeln werden wir sicher wie in den vergangenen Jahren. Ich sehe keinen Anhaltspunkt, dass wir etwas ändern müssten.

Hatten Sie erwartet, dass sich George Russell im ersten Jahr gegen einen der besten Rennfahrer der Geschichte so behaupten kann?

Wolff: Ich bin bei Ihnen: Lewis ist zusammen mit Michael Schumacher in dessen Ferrari-Zeit der beste Fahrer aller Zeiten. Ich würde Lewis und George 2022 auf Augenhöhe sehen. George ist aus einem Auto ausgestiegen, das sicher schwierig zu fahren war. Er kam in eines, das sicher auch schwierig zu fahren war. Lewis stieg aus einem perfekten Auto in den W13 um. Da musste er sich sehr anpassen. Wir hatten Rennen, in denen George stärker war, und welche, in denen es Lewis war. Es ging aber gar nicht darum, wer mehr Punkte macht, und den anderen schlägt. Sondern darum, gemeinsam ein siegfähiges Auto zu entwickeln. Beide haben großen Respekt voreinander. Und beide erkennen die Leistung des anderen an. Das ist schon eine gute Konstellation.

Russell - Hamilton - Sprint - GP Brasilien 2022 - Sao Paulo
Motorsport Images
Hamilton entschied das Quali-Duell für sich, Russell machte mehr Punkte in den 22 Rennen.

Bleibt es so harmonisch, wenn es um Siege und Weltmeisterschaften geht?

Wolff: Eine gute Dynamik zwischen den Fahrern hängt auch davon ab, was ihnen das Management vorlebt. Welche Rahmenbedingungen wir ihnen setzen. Und wie die Fahrer miteinander agieren im Sinne des Respekts. Ich glaube, wir sind in einer guten Ausgangsposition, weil sich beide fahrerisch respektieren. Menschlich respektieren. Wir akzeptieren, dass es eine Rivalität zwischen unseren Fahrern geben kann. Aber diese Rivalität darf niemals in einen Konflikt ausarten, der das Team beschädigen könnte. Das würde ich niemals zulassen. Das habe ich auch nie zugelassen.

Die Formel 1 boomt wie nie zuvor. So sehr, dass man fast schon Angst haben muss, sie geht vielleicht mal einen Schritt zu weit. Haben Sie diese Angst auch?

Wolff: Live-Sport ist eine Asset-Klasse, die meiner Meinung nach weiter sehr stark bleibt. Die Leute wollen unterhalten werden. Die verschiedensten Medienkanäle, von konventionellen Sendern über Pay-TV bis hin zu den Streamern und Social-Media-Kanälen, brauchen spannenden Live-Sport. Und schenken der Plattform Formel 1 darum viel Aufmerksamkeit. Dadurch erreichen wir ein relativ großes Publikum.

Wo wachsen Sie denn?

Wolff: Interessanterweise ist unsere am stärksten wachsende Zielgruppe nicht nur zwischen 15 und 35 Jahre alt, sondern zu 40 Prozent weiblich. Das alles zeigt schon, dass sich die Formel 1 rundherum positiv entwickelt hat. Einerseits der Zweikampf zwischen Lewis und Max 2021. Andererseits die jungen Fahrer, die sehr stark über Social Media kommunizieren, und so Einblicke in ihr Leben geben. In verschiedenen Weltregionen brachte "Drive to Survive" Wachstum, ganz besonders in den USA. Diese neue Zuseherschaft sind Hardcore-Fans, die sich alles reinziehen.

Trotzdem scheint uns die Formel 1 momentan etwas zu überdrehen …

Wolff: Man darf natürlich niemals glauben, dass ein Trend ohne Ende weitergeht. Das hängt davon ab, wie viel Unterhaltung wir weiter auf der Strecke bieten. Welche Persönlichkeiten in der Formel 1 heranwachsen, die Sympathien auslösen oder polarisieren. Beides ist gut. Gleichzeitig dürfen wir nicht den Fehler einer Übersättigung machen. Aber das sind alles Themen, die wir in Betracht ziehen. Was bei mir als Skeptiker übrigbleibt: Wir sollten immer vorsichtig bleiben. Es steht im Moment sehr gut um die Formel 1. Es kann immer besser werden. Aber es kann auch passieren, dass das Publikumsinteresse nachlässt, wenn wir weniger gut unterhalten.

Kein Team hat Anteile an der Formel 1 gekauft. Ärgern Sie sich im Nachhinein, weil der Aktienkurs stark angestiegen ist?

Wolff: Wir hätten uns im Kurs verdreifacht. Das wäre natürlich ein gutes Investment gewesen. Aber wir sind ja indirekt beteiligt. Wir nehmen einen Teil des Ergebnisses und profitieren so durch die steigenden Einnahmen. Wir sind als Team nur keine Beteiligungsgesellschaft.

Mercedes - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2022
Wilhelm
2023 will Mercedes wieder um Siege und die Weltmeisterschaft fahren.

Es gibt aber ein paar Schwellen im System der Ausschüttung: Wenn die Formel 1 diese übersteigt, dann sinkt der Anteil der Teams.

Wolff: Absolut gesehen nicht. Der Prozentsatz verschiebt sich zugunsten von Liberty, wenn sie einen sehr guten Job machen. Aber die absoluten Einnahmen gehen für die Teams in jedem Fall hoch.

Was verdient ein Team wie Mercedes durch den Budget Cap? Was generieren Sie an Überschuss?

Wolff: Wir erzielen im Jahr 2022 einen Umsatz von rund 550 Millionen Euro. Wir streben eine EBITDA-Marge zwischen 20 und 25 Prozent an (EBITDA = Ergebnis vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Abschreibungen auf immaterielle Vermögenswerte).

Würden Sie daher sagen, dass die Formel 1 relativ krisenfest ist?

Wolff: Der Vorteil am Geschäftsmodell der Formel 1 und dem der Teams ist die Vorhersehbarkeit der Umsatzentwicklung. Die Formel 1 schließt Promoter-Verträge mit einer Minimum-Laufzeit von drei Jahren ab. Manche dauern fünf oder sogar zehn Jahre. Das gleiche gilt für Verträge mit Sponsoren. Durch die Einnahmen Formel 1 haben die Teams eine Nachhaltigkeit und Kalkulierbarkeit in ihrem Geschäftsmodell. Gleichzeitig sind unsere Einnahmen über viele Jahre relativ klar vorhersehbar. Das macht es resilienter. Die obere Linie (der Einnahmen) steigt, die nach unten (Ausgaben) ist durch den Budget Cap gedeckelt. Dadurch hat sich unser Geschäftsmodell im Sinne einer Gewinn- und Verlustrechnung so verändert, dass wir wie amerikanische Sportteams wurden. Wie Sport-Franchises. Wir wurden profitabel. Vielleicht führen wir diese Entwicklung bei den Teams an. Aber da folgen einige bereits.

Im Motorenbereich wird man trotz Budget Cap aber wohl nie profitabel werden, oder?

Wolff: Ich glaube, dass wir die Verluste auf der Motorenseite sicher einschränken werden. Aber das ist natürlich die Kehrseite, dass die Motorenentwicklung immer noch Geld kostet. Unser Ziel ist es, mittelfristig durch den Gewinn des Teams die Kosten der Motorenentwicklung auszugleichen. Was zur Konsequenz hätte, dass der unheimlich positive Return on Investment durch Marketing und den erzielten Werbewert für umsonst wäre.

Dann ist es eigentlich keine Frage, für lange Zeit in der Formel 1 zu bleiben.

Wolff: Solange das Team erfolgreich ist – also Rennen gewinnt und um Meisterschaften kämpft, auch wenn es nicht jedes Jahr der Fall sein muss –, ist es definitiv ein "no-brainer", in der Formel 1 zu bleiben. Auch vor dem Hintergrund, wie sich die Formel 1 in Sachen Nachhaltigkeit entwickelt. Sie wird ab 2026 mit zu 100 Prozent nachhaltigen Kraftstoffen und ihrer führenden Technologie-Kompetenz ein Vorbild sein.

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass auch Motorenhersteller am Gewinn beteiligt werden könnten?

Wolff: Die Formel 1 macht einen sehr guten Job. Wir haben uns in der Vergangenheit sehr partnerschaftlich verhalten. Ich glaube, das wird auch in Zukunft so sein. Die Formel 1 und die FIA realisieren aber auch, dass das Cost Center Motoren eines ist, das man durch eine Obergrenze reduzieren muss. Und andererseits vielleicht ein bisschen mehr Marge hat, die Preise anzupassen.

Das klassische Kundenmodell könnte aber in naher Zukunft aussterben, sollten tatsächlich noch weitere Hersteller ab 2026 in die Formel 1 kommen. Dann hat auch Mercedes wahrscheinlich weniger zahlende Kunden für die Motoren.

Wolff: Es ist extrem positiv, dass sich große Hersteller für die Formel 1 interessieren. Weil solche multinationalen Unternehmen eine riesige Marketing-Maschine anwerfen. Davon profitiert nicht nur das eine Team, sondern auch alle anderen. Eine weitere Konsequenz ist, dass wir auf extrem hohem Niveau – sportlich und technisch – in Wettbewerb miteinander treten werden. Das Risiko, das es früher gab, dass sich Hersteller auch wieder zurückziehen können, wenn sich die Plattform nicht gut entwickelt, können wir so abfedern, indem wir wie in der Vergangenheit das Thema zu dritt als Kundenmodell spielen.

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