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Interview mit McLaren-Pilot Daniel Ricciardo
„Neu bedeutet nicht immer besser“

Daniel Ricciardo erlebte trotz Sieg in Monza ein erstes schweres Jahr bei McLaren. Im Interview blickt der Australier zurück, erzählt von seinen Problemen mit dem Auto, spricht über seine Erwartungen für 2022 und erklärt, warum er sich bei McLaren so wohl fühlt.

Daniel Ricciardo - McLaren - Formel 1 - GP Saudi-Arabien - Jeddah Corniche Circuit - Donnerstag - 2.12.2021
Foto: xpb

Der Saisonstart war mehr als holprig. Die Umstellung auf den McLaren fiel Ihnen schwer. Es schien, Sie seien erst in der zweiten Saisonhälfte auf Touren gekommen. Welche Note würden Sie sich geben? Von 1 bis 10, von sehr schlecht bis außergewöhnlich.

Ricciardo: Ich werde Ihnen eine Zahl nennen. Davor will ich aber sagen, dass es mir stinkt, mir eine schlechte Note zu geben, weil ich sehr viel Arbeit und Mühe reingesteckt habe. Wenn ich mir also eine 3 gebe, kommt es so rüber, als hätte ich es nicht versucht, was aber nicht der Fall ist. Für den ersten Teil der Saison gebe ich mir eine 4, für den zweiten eine 7. Das macht im Schnitt 5,5.

Unsere Highlights

Was fehlte?

Ricciardo: Die Wahrheit ist, dass mir das Auto nicht erlaubt zu tun, was meiner Meinung nach natürlich mit meinem Fahrstil harmoniert. So wie ich die Kurve attackieren will, bereitet mir das ein paar Probleme mit dem Auto. Ich muss leicht anders fahren, und das ist nicht meine natürliche Art. Manchmal gelingt es mir, aber manchmal war es für mich schwieriger, es umzusetzen.

Glauben Sie, dass das 2022 besser wird? Sie konnten immerhin früh in den Entwicklungsprozess des neuen Autos eingreifen, und den Ingenieuren sagen, was Sie gerne hätten.

Ricciardo: Ich denke schon, und ich denke, es ist über die Saison hinweg ein bisschen besser geworden. Das Auto wurde für mich einfacher zu fahren. Ich denke, das Gute an 2021 war, dass ich nie wirklich wusste, was meine Stärken waren. Okay, ja, ich bin schnell, aber warum bin ich schnell? Wo bin ich schnell? In gewisser Weise haben mir die Schwächen gezeigt, wo meine Stärken liegen. Das war ganz interessant. Man würde eigentlich nicht annehmen, dass man in schlechten Zeiten, in einem schlechten Jahr, noch etwas Gutes entdeckt.

Daniel Ricciardo - GP Italien - Monza - 2021
xpb
Der Sieg in Monza war Lohn für ein Jahr harter Arbeit mit sonst durchwachsenen Ergebnissen.

Wäre es richtig zu behaupten, dass Sie trotz der Probleme auf der Strecke in diesem Team wirklich glücklich sind?

Ricciardo: Ja, das bin ich. Deshalb war die erste Saisonhälfte wahrscheinlich noch frustrierender, weil mir das Umfeld sehr gefällt und ich ein gutes Verhältnis zur Mannschaft habe. Alles andere als die Stoppuhr war ziemlich gut, aber offensichtlich gab ich ihnen einfach nicht das, was ich geben wollte. Das war hart. Aber Momente wie Monza, sogar Austin ... Austin war auch ein gutes Wochenende für mich. Diese Wochenenden sind so viel cooler, weil ich mich wirklich gut mit dem Team verstehe. Ich mag ihre Art, Rennsport zu betreiben. Ich freue mich über die Unterstützung, die ich hatte.

Können Sie das weiter ausführen?

Ricciardo: Helmut Marko ist ein Typ, der mir zu Junioren-Zeiten liebevolle Strenge gab. Ich glaube, das hat mir sehr gut getan, weil ich dadurch schneller erwachsen geworden bin. Bei McLaren, vor allem in der ersten Saisonhälfte, gab es viel Unterstützung. Sie haben nicht versucht, mich niederzumachen, als ich schon am Boden lag, sondern versuchten, mich aufzurichten. Ich sage nicht, dass ich die ganze Zeit verhätschelt werden möchte. Aber ich denke, ihre Art, damit umzugehen, es anzugehen und mich nicht zu überfordern, war wirklich nett, und das schätze ich. Ich fühle die Zuneigung im Team. Es ist wie in einer Familie.

Fühlt es sich so an, als ob Sie Ihr Zuhause für den Rest Ihrer Laufbahn gefunden haben? Oder wollen Sie einfach nur im besten Auto sitzen, egal wo?

Ricciardo: So ist es immer. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich denke, das ist ein Teil der Herausforderung in der Formel 1 und als Fahrer. Du strebst nicht nur danach, schnell zu sein, sondern auch im besten Auto zu sitzen. Aber ich befinde mich hier nicht auf der Jagd. Ich bin natürlich in den letzten drei oder vier Jahren ein bisschen herumgekommen. Weil mir die Umgebung bei McLaren so gut gefällt, und ich es so genieße, möchte ich dieses Projekt wirklich zum Funktionieren bringen. Ich will hier sein. Auch das Drumherum passt. Ich mag die Marke, ich mag die Straßensportwagen. Ich kann sagen, dass es mir wirklich gefällt, Teil dieser Firma, Teil der McLaren-Familie zu sein. Der Grund, warum ich nicht im entferntesten an ein anderes Team denke oder über meine weitere Zukunft hinaus ist, dass ich im vielleicht schwersten Jahr meiner Karriere sogar gewonnen habe. Mein Gedanke ist also: Wenn ich in einem solchen Jahr gewinne, was sagt das dann über die weitere Reise aus? Ich bin definitiv gespannt, und ich will hier sein, möglicherweise bis zum Ende meiner Karriere.

McLaren ist im Motorsport sehr breit aufgestellt. Ist das insofern auch verlockend für Sie, als dass Sie eines Tages in Indy oder in Le Mans mitfahren könnten?

Ricciardo: Ehrlich gesagt habe ich darüber noch nicht nachgedacht. Aber Sie haben recht. Das könnte mir tatsächlich nach der Formel 1 ein paar Türen öffnen, und ein weiterer Vorteil sein. Selbst als Botschafter der Marke oder als Testfahrer für Straßenautos. Momentan aber habe ich mit der Formel 1 beide Hände voll zu tun.

Sie konnten nach Ausbruch von Corona lange nicht zurück in Ihre Heimat Australien. Wie schwer war das?

Ricciardo: Das hat das Jahr noch schwerer gemacht. Die Tiefpunkte fühlen sich noch tiefer an. Ich habe zwar in McLaren eine Familie um mich herum. Aber nicht meine Familie. Es geht nicht mal darum, dass sie den Arm um mich legen. Sondern eher um das Abschalten. Eine Familie kann ein sehr schöner Zufluchtsort sein. Deshalb war es hart ohne sie. Dieser Job ist hart, weil er dich von deinen geliebten Menschen fernhält. Wenn sich die Welt wieder öffnen kann, werde ich es so weit wie möglich ausnutzen. Werde meine Familie und Freunde zu so vielen Rennen wie möglich mitnehmen.

Sie sind das neue Auto bereits im Simulator gefahren. Sind das ganz andere "Kaliber" durch den Ground Effect? Werden die Fahrer und Zuschauer eine ganz andere Formel 1 erleben?

Ricciardo: Ich denke, es werden andere Kaliber sein, auch weil die Autos so viel tiefer liegen werden. Offensichtlich sahen die Formel-1-Autos seit Jahren aus wie Dragster. Sie werden jetzt eher wie Formel 2-Autos aussehen mit deutlich niedrigeren Hecks. Ich denke, das wird sich auf die Straßenlage und das Fahrverhalten auf Kerbs auswirken. Ich bin mir sicher, dass das Auswirkungen auf die Balance haben wird. Das Gefühl im Auto sollte ganz anders sein. Ich hoffe, es wird tatsächlich eine neue Ära der Formel 1. Die Saison war zwar unglaublich, aber es gibt immer noch Strecken, auf denen das Hinterherfahren und Überholen sehr schwer ist. Ich hoffe, das wird mit den neuen Autos anders sein. In der Formel 2 sehen wir ziemlich spannende Rennen. Natürlich sind dort alle Autos gleich. Aber ich denke, manche der Regeln könnten der Formel 1 bei ihrem Problem helfen. Und in diese Richtung geht es jetzt.

Daniel Ricciardo - Nascar - GP USA - Austin - Samstag - 23.10.2021
Wilhelm
Im Nascar von Zak Brown in Austin: McLarens vielschichtiges Programm könnte für Ricciardo noch Türen öffnen.

Gibt es irgendwelche Anzeichen, dass es für Sie persönlich mit dem 2022er McLaren besser laufen wird? Dass Ihr Fahrstil besser mit dem Auto harmoniert?

Ricciardo: Ich gebe jedenfalls nie die Hoffnung auf. Ich bin nicht der erste Fahrer im Team, der über die Einschränkungen mit dem Auto berichtet hat, die ich gefühlt habe. Ich will nicht sagen, dass manches davon in der DNA des Autos steckt, weil sich ein Auto mit der Zeit verändert. Aber soweit ich es verstehe, beschäftigt es McLaren seit geraumer Zeit. Vielleicht wird darüber mehr gesprochen als in der Vergangenheit. Ich denke, es könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. Aber werden meine Probleme plötzlich weg sein? Das erwarte ich nicht. Wenn doch, denke ich, dass ich mich mit meiner natürlichen Fahrweise an die Regeln anpasse. Aber ich möchte vorbereitet sein, wenn es nicht so kommen sollte. Dass ich besser und besser mit dem 2021er Auto zurechtgekommen bin, sollte mir auch mit dem nächsten Auto zugutekommen.

Welche Eigenschaften am 2022er Auto könnten Ihnen helfen?

Ricciardo: Wenn Sie mich das im letzten Juli gefragt hätten, wäre die Antwort gewesen, dass es einfach ein Neustart wird. Ein neues Reglement ist immer aufregend. Aber nochmal: Du willst nicht einfach nur glauben, dass es dadurch garantiert besser laufen wird. Neu bedeutet nicht immer besser. Aber aus der Perspektive für das Rennfahren, wenn das Feld enger zusammenrückt, würde mich das reizen. Ich genieße Rad-an-Rad-Zweikämpfe, und will dort meine Fähigkeiten zeigen. Vielleicht ist das von Vorteil für mich, wenn es tatsächlich enger zugehen wird. Das würde ich begrüßen.

Glauben Sie daran, dass wir besonders am Saisonstart turbulente Rennen erleben könnten, weil die Technik der Autos noch so neu ist? Oder werden sich die Fahrer schnell daran gewöhnt haben?

Ricciardo: Ich denke, wir Fahrer sind gut genug, um mehr oder weniger sofort da zu sein. Wenn die Saison fortschreitet, werden wir uns parallel zur Entwicklung der Autos feintunen. Im abgelaufenen Jahr war es für mich, in der Rückschau, ziemlich schwierig mit nur eineinhalb Tagen im Auto vor dem Saisonstart. Mit drei Tagen bei den Wintertests sind es immerhin doppelt so viele. Deshalb sollte es in Ordnung sein. Wir testen ja erst in Barcelona und dann in Bahrain. Dort startet auch die Saison eine Woche später. Das hilft. Das erste Rennwochenende wird also in gewisser Weise ein ausgedehnter Test für uns alle.

Der Titelkampf zwischen Verstappen und Hamilton, zwischen Red Bull und Mercedes brachte die Formel 1 auf die Titelseiten. Wie hungrig sind Sie, in diesen Kampf einzugreifen?

Ricciardo: Ich bin natürlich neidisch auf sie. Aber das bin ich seit acht oder neun Jahren. Das ist also nichts Neues für mich. Der Gedanke daran ist natürlich aufregend. Ich bin zwar Fahrer, aber auch weiter ein Fan dieses Sports. Wenn ich den Neid beiseiteschiebe, ist dieser Zweikampf einfach nur großartig für die Formel 1. Ich kann kein Jahr nennen, in dem zwei Fahrer so oft in ein direktes Duell verstrickt waren. Es fühlt sich so an, als seien die beiden in 75 Prozent der Rennen zu irgendeinem Zeitpunkt aufeinander getroffen. Ich wünschte, ich wäre mittendrin. Es ist lange her gewesen, dass Lewis so herausgefordert wurde. Max ist zwar kein Youngster mehr, aber er gehört zur jungen Generation. Lewis ist dagegen einer der ältesten Fahrer. Es ist toll zu sehen, dass zwei Fahrer von verschiedenen Seiten des Spektrums gegeneinander kämpfen.

Max Verstappen - Red Bull - Daniel Ricciardo - McLaren - Formel 1 - GP Abu Dhabi - 12. Dezember 2021
xpb
Ricciardo würde nur allzu gerne bald selbst um Weltmeisterschaften fahren.

Wenn Sie um die WM fahren möchten, brauchen Sie das Auto dazu und müssten Ihre Schwächen abstellen. Welche waren das genau?

Ricciardo: Ich weiß nicht, ob man es Schwächen nennen kann oder ob es einfach nur so war, dass ich meine Stärken nicht ausspielen konnte. Aber es kommt auf das gleiche heraus. Wie ich es gesagt habe. Sofern sich das Auto von der Charakteristik nicht in meine Richtung verändert, werde ich manche der Schwächen verbessern müssen. Das ist die Realität. Wenn ich wirklich in einem Titelkampf sein will, muss ich das Auto an schlechten Tagen einfach besser fahren. Ich denke, wahrscheinlich geht es auch darum, sich dessen bewusst zu sein. Manchmal, indem ich nur Runde um Runde um Runde fahre, verfalle ich in, sagen wir, meine alte Technik oder meinen alten Stil. Ich muss mir dessen bewusst sein, wenn es passiert. Dann muss ich mich konzentrieren. Das kostet etwas mehr Energie beim Fahren, weil es nicht natürlich ist. Ich muss nur aufpassen, wenn ich wieder in die Dinge zurückfalle, die gerade nicht funktionieren.

Meine Stärke, und das ist kein Geheimnis, beruht darauf, wie ich zum Scheitelpunkt einlenken kann. Wie früh ich einlenken und die Kurve attackieren kann. Wie progressiv ich mit der Bremse und dem Einlenken sein kann. Ich konnte das mit diesem Auto nicht immer umsetzen, weil es das nicht verkraftete. Deshalb musste ich mich umstellen, und mich darauf konzentrieren, die Kurve anders anzugehen. Das hat schlussendlich mit dem Bremsen, dem Einlenken und wie du zum Scheitel kommst zu tun.

Ihr Teamkollege ist zwar jünger, aber schon länger als Sie bei McLaren. Sie haben generell mehr Erfahrung, er mehr Erfahrung im Team. Wie ist da Ihr Ansatz? Schauen Sie sich viel von ihm ab? Wird dadurch Ihr Ego gekränkt?

Ricciardo: Ich denke, wir haben gegenseitig voneinander gelernt. Auch in den Phasen, in denen er schneller war als ich, glaube ich, dass er gewisse Sachen von mir mitgenommen hat. Ich will nicht sagen, dass es 50 zu 50 ist. Ich habe wahrscheinlich vom Fahren her mehr von ihm profitiert als andersherum. Wenn es sein erstes Jahr in der Formel 1 gewesen wäre, und er so gegen mich gefahren wäre, hätte mich das vielleicht etwas in meinem Stolz verletzt. Aber ich bin inzwischen so lange in diesem Sport, dass ich anerkenne, dass er der Mann ist, der länger im Team ist. Er kennt es besser.

Wenn er Rückmeldung gibt, bezieht er sich dabei auf das Jahr davor. Mir wurde also ziemlich schnell bewusst, dass ich die Jahre zuvor vergessen muss. Lando ist im Team der erfahrenere Pilot, wenn es um die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren geht. Ich muss also zuhören und verstehen, wie es um das Auto bestellt ist. Wenn ich darüber spreche, was ich mit dem Auto nicht anstellen kann, öffnet ihm das die Augen in Bezug auf das, was andere Teams können. Da müssen wir mehr Energie und Aufmerksamkeit reinstecken. Das ist das Gute an der Sache.

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