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George Russell im Interview
„Feuer von Lewis zieht mich mit“

George Russell überzeugt in seinem ersten Jahr mit Mercedes. Im Interview spricht er über den Vergleich mit Teamkollege Lewis Hamilton, den Umgang mit einem schwiergen Auto, zieht Vergleiche zu seiner Zeit bei Williams und verrät, ob er 2022 noch an Siege glaubt.

George Russell - Mercedes - GP Ungarn 2022 - Budapest
Foto: Wilhelm

Sie kamen von Williams zu Mercedes. Ist es schön, nun regelmäßig um Punkte und Podeste zu fahren oder sind Sie doch eher enttäuscht?

Russell: Es haut mich nicht um, unter die Top 5 zu fahren. Aber ich bin auch nicht enttäuscht, weil ich das Gefühl habe, dass wir aus jeder Möglichkeit das Maximale gemacht haben. Es gibt vielleicht ein, zwei Rennen, wo eine Position mehr drin war. Aber insgesamt haben wir das Maximum erreicht. Die Fortschritte, die wir erzielen, geben Motivation für die restliche Saison. Das Feuer ist da, weil wir sehen, dass Erfolge vor uns liegen.

Unsere Highlights

Die Erwartung war aber eine andere, oder nicht?

Russell: Wir waren uns alle bewusst, dass es keine Garantie auf ein gutes Auto gab. Ich war mir aber sicher, dass dieses Team im Falle eines Fehlstarts die Fähigkeit hat, zurückzuschlagen. Das sehen wir jetzt. Ich bin nicht zu Mercedes gekommen, um kurzfristig Erfolg zu haben, sondern auf lange Sicht. Das hier ist der beste Ort, um mir diese Möglichkeit zu geben. Ich schaue auf eine Zeitspanne von fünf bis zehn Jahren.

Russell & Hamilton - GP Frankreich 2022
Wilhelm
George Russell landete in dieser Saison fünf Mal auf dem Podest.

Sie mussten bei Williams um jeden Punkt kämpfen. Fällt es Ihnen leichter als Lewis Hamilton mit einem nicht siegfähigen Auto umzugehen?

Russell: Sicher haben sich meine Ergebnisse verbessert, während seine schlechter wurden. Aber Lewis ist hungrig. Diese Herausforderung motiviert ihn noch mehr. Er wird noch viele Jahre dabei sein. Ich sehe nicht, dass er langsamer wird. Die Energie, das Feuer, das in ihm lodert, ist außergewöhnlich. Das zieht mich mit.

Zunächst hatten Sie im Duell die Oberhand. Dann drehte sich das Bild etwas.

Russell: Manchmal hast du einen guten Lauf und weißt nicht, warum. Manchmal ist es umgekehrt. Ich weiß, warum ich zuletzt hinten lag. In Montreal habe ich in der Qualifikation mit Slicks gepokert. Wäre ich mit dem Strom geschwommen, wäre ich unter den ersten vier gelandet. Dann wäre es wohl ein Podium geworden.

Und das Heimspiel in England danach?

Russell: Silverstone war ein schlechtes Wochenende. Aber ein Top-5-Platz wäre immer noch verdient. In Österreich wäre ich ohne den Frontflügelschaden nach dem Pérez-Kontakt wahrscheinlich auch aufs Podium gefahren. Es waren Kleinigkeiten, die dazu beigetragen haben, dass ich hinter Lewis lag. Daraus lerne ich. Jede einzelne Runde, jede Kurve ist wichtig.

Vergleichen Sie sich selbst immer mit Ihrem Teamkollegen?

Russell: In der Formel 1 hast du viele Informationen, die manchmal aber auch kontraproduktiv sind. Verlässt du dich als Fahrer zu sehr auf die Zahlen, fährst du nicht mehr instinktiv. Du musst die Daten nutzen, um dir ein Bild zu zeichnen. Es gibt Bereiche, in denen er anders fährt als ich. Deshalb braucht es leicht unterschiedliche Setups. Da kann man nicht einfach kopieren. Du musst maximieren, was für dich selbst funktioniert. Wenn ich das Auto bestmöglich für mich einstelle, kann ich jeden schlagen. Statt mich auf Lewis zu konzentrieren, schaue ich darauf, was ich von den Reifen brauche. Von meinem Auto. Vom Motor.

Russell - Leclerc - Formel 1 - GP Ungarn 2022 - Budapest - Rennen
xpb
Mit 158 Punkten belegt Russell nach 13 Rennen den vierten WM-Platz.

Was hat Sie an Hamilton überrascht?

Russell: Ich würde nicht von einer Überraschung sprechen. Ich hatte erwartet, dass er in allen Bereichen außergewöhnlich ist. Man erwartet von einem Fahrer dieses Kalibers nicht weniger. Er geht sehr gut mit Menschen um. Er hat mich mehr mit seiner Seite außerhalb der Rennstrecke überrascht. Den Rennfahrer kannte ich schon. Ich habe ihm mein Leben lang zugeschaut.

Die Ingenieure führten viele Setup-Experimente durch. Wer entscheidet, wer am Ende einen größeren Heckflügel aufschnallen muss?

Russell: Wir führen einen sehr offenen Dialog – auch Lewis und ich untereinander. Manchmal hat einer von uns eine leichte Präferenz, etwas auszuprobieren. Der andere sagt dann: Probier diesen Weg, ich mache dann das Gegenteil! Wenn es besser ist, hat natürlich der Fahrer einen Vorteil, der es zuerst am Auto hatte. Wenn es schlechter ist, wirkt sich das negativ für ihn aus. So läuft das Spiel. Als Team probieren wir derzeit so viele Sachen. Das ist aufregend. Je mehr wir lernen, desto wahrscheinlicher wird es, dass plötzlich der Durchbruch kommt.

Glauben Sie noch an Siege in dieser Saison?

Russell: In diesem Auto steckt ein großes Potenzial. Die Technische Direktive, die ab Spa zur Anwendung kommt, sollte die Teams treffen, die flexible Unterböden genutzt haben. Wir kommen immer näher heran. Speziell im Rennen. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, spricht nichts dagegen, dass wir um Siege kämpfen können. Ich glaube nicht, dass wir irgendwann das schnellste Auto haben. Aber ich glaube, dass wir unsere Chance bekommen. Max ist in Paul Ricard vielleicht herumgecruist. Aber wir lagen nur zehn beziehungsweise 13 Sekunden hinter ihm. Das ist nicht wirklich viel. Es war das erste Mal, dass wir einen Ferrari und Red Bull geschlagen haben, weil wir schneller waren.

George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP Frankreich - Le Castellet - 23. Juli 2022
Wilhelm
Russell glaubt daran, dass sich in den verbleibenden neun Saisonrennen noch Siegchancen auftun werden.

Wo sind Ferrari und Red Bull noch stärker als Mercedes?

Russell: Das ist unterschiedlich. Red Bull ist extrem schnell auf den Geraden. Sie kämpfen mehr mit maximalem Anpressdruck. Ich habe ein paar Gerüchte gehört, warum das so sein könnte. Ferrari hat mehr Abtrieb als wir. Sie haben einfach ein schnelleres Auto. Es gibt keinen speziellen Bereich, in dem sie besser sind, sondern überall. Sie kämpfen immer noch etwas mit Bouncing. Das hat man in Paul Ricard gesehen. Sie hüpfen durch die Kurven. Als Charles abgeflogen ist, hörte man vorher das Aufsetzen des Autos. So war es auch bei Schumacher im Training. Zwei sehr ähnliche Autos. Zwischen uns, Ferrari und Red Bull liegt dagegen ein ziemlich großer Unterschied in der Philosophie.

Warum fliegt das Auto immer noch nicht, obwohl das Bouncing abgestellt wurde?

Russell: Um das Bouncing-Problem zu lösen, haben wir viel Performance rausgenommen. Wahrscheinlich sogar zu viel. Wenn wir das Auto weiterentwickeln, besteht immer noch die Gefahr, dass es zurückkommt. Für die maximale Performance müssen wir wohl mit etwas Bouncing zurechtkommen. Dasselbe gilt auch für Ferrari. Wir wussten immer, dass wir das Bouncing lösen können. Sogar im Handumdrehen. Aber das hätte uns noch viel langsamer gemacht. Lewis und ich müssen akzeptieren, dass wir zumindest in diesem Jahr damit leben müssen, um das Auto wieder schneller zu machen.

Sind diese Autos schwerer zu verstehen und zu fahren?

Russell: Diese Autos fühlen sich immer noch wie Formel-1-Autos an. Man spürt das höhere Gewicht und den geringeren Abtrieb in langsamen Kurven. Das ist nicht sehr angenehm. Sicher ist es komplexer denn je, die Autos zu verstehen. In den Jahren davor handelte es sich immer um Evolutionen der Vorgänger. Alles ab 2014 bis 2021. Es gab ab 2017 zwar breitere Autos, aber die Philosophie war gleich. Jetzt kämpfen die Teams mit Problemen, mit denen sie sich in den letzten 40 Jahren nicht herumschlagen mussten. Das hat viele überrascht.

George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP England - 1. Juli 2022
Motorsport Images
Das Bouncing hat Mercedes weitgehend im Griff, dafür aber viel Abtrieb opfern müssen.

Wie adaptiert sich ein Rennfahrer auf ein völlig anderes Auto?

Russell: Das passiert mit der Zeit auf natürliche Weise. Du springst nicht einfach in ein Auto, und weißt ab der ersten Runde, wie du es fahren musst. Diese Autos sind in langsamen Kurven schlechter, weil sie mehr untersteuern. Das ist aber auch eine Philosophiefrage. Wenn die Hinterreifen überhitzen, hast du kein Untersteuern mehr. Wenn der Wind aus einer gewissen Richtung bläst, hast du kein Untersteuern. Du musst immer dynamisch bleiben, und dich der Situation anpassen. Das ist wie mit den Daten, die ich vorher angesprochen hatte. Du solltest nicht zu viele Ideen im Voraus denken. Manchmal weiß ich gar nicht, warum ich so schnell war. Ich habe es einfach gemacht. Bin nach meinen Instinkten gefahren. Das mag im zweiten Training der beste Weg zur schnellsten Rundenzeit gewesen sein. Wenn aber wie in Ungarn der Wind von Freitag auf Samstag um 180 Grad dreht, macht das eine Sekunde in der Rundenzeit aus. Die Strecke wird um eine Sekunde langsamer, weil der Wind am Freitag auf der Zielgeraden von hinten geblasen hat. Im zweiten Sektor gab es dafür Gegenwind. Mehr Abtrieb, mehr Grip, mehr Selbstvertrauen. Am Samstag ist Gegenwind auf der Zielgerade. Du wirst langsamer. Im zweiten Sektor hast du Rückenwind und verlierst Abtrieb. Du musst dich also ständig anpassen.

Wenn Sie die Arbeit mit Mercedes und Williams vergleichen: Fühlen Sie sich jetzt wie im Paradies?

Russell: Die Kultur innerhalb dieses Teams ist außergewöhnlich. Die Art, wie es arbeitet und entwickelt: Das habe ich nie bei Williams gesehen. Aber Williams ist auch durch eine sehr schwere Zeit gegangen. Der Wechsel der Besitzer. Technikdirektoren oder Chef-Aerodynamiker, die das Team verlassen haben. Es gab viele Veränderungen. Dieses Team ist eine felsenfeste Organisation, die Jahr für Jahr weiter wächst. Ich genieße es wirklich, Teil dieser Technik-Maschine zu sein. Mercedes operiert auf einem ganz anderen Level als Williams.

Groß kann manchmal auch zu langsamen Prozessen führen. Dauert eine Änderung bei Mercedes länger?

Russell: Nein, ich würde fast das Gegenteil sagen. Williams hatte nicht die Ressourcen, manche der Features der Topteams am Auto zu haben. Das Auto war deutlich einfacher. Das war sehr schade. Immer, wenn die Designer etwas entwickeln wollten und es kein garantierter Erfolg war, hatten wir nicht das Budget, um es zu versuchen. Wenn diese Mentalität einzieht, schmälert das deine Vision für Innovationen. Bei Mercedes hat man in der Vergangenheit alles gemacht. Das DAS-System zum Beispiel. An was man auch immer gedacht hat – es hieß: Geht es an! Bei Williams wäre man für ein System wie DAS wahrscheinlich gefeuert worden. Weil der Ingenieur für verrückt erklärt worden wäre. Ich glaube aber daran, dass es für Williams nach vorne geht.

Das Interview mit George Russell haben wir vor dem GP Ungarn geführt.

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