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F1-Interview mit Alpine-Technikchef Matt Harman
„Wollen am Ende das viertbeste Team sein“

Wir haben Alpine-Technikchef Matt Harman bei der Präsentation der Alpine A110 S Enstone Edition getroffen und ihn gefragt, warum seit dem GP Monaco Sand im Getriebe ist, welche Schlupflöcher der Kostendeckel bietet und wo Alpine Ende der Saison stehen will.

Matt Harman - Alpine
Foto: Alpine

Fahren Sie privat eine Alpine A110?

Harman: Ja, ich liebe dieses Auto. Meine Frau nicht so. Wir haben sieben Jahre alte Zwillinge. Da geht einem dann in einem Auto mit zwei Sitzen der Platz aus. Es ist gut für das Team, dass ein paar Teile für das jüngste A110-Modell hier im Haus gefertigt werden. Sie nehmen den gleichen Produktionsweg wie die Teile für unsere Formel-1-Autos. Und da könnte noch mehr kommen.

Wie viele Leute aus dem Formel-1-Team arbeiten an den Teilen für das Straßenauto?

Unsere Highlights

Harman: Vielleicht zehn Leute zu 100 Prozent. Andere sind nur zum Teil damit befasst. Zum Beispiel die Qualitätskontrolle. Die hat mit dem Serienmodell im Rahmen ihrer üblichen Arbeit zu tun. Aber das ist gut für die Motivation, weil es die Mitarbeiter aus ihrer Routine raus löst.

Gibt es mehr Teile, die das Formel-1-Team zum Straßenauto beisteuern könnte?

Harman: Ich glaube schon. Dort, wo wir an anderen Aspekten des Autos helfen können, werden wir das tun. Aber wir müssen die richtige Balance finden. Das Kerngeschäft hier in Enstone ist immer noch die Formel 1.

Alpine - Formel 1  - GP Ungarn 2023 - Budapest - Technik
ams

In Ungarn tauchte Alpine mit einer weiteren Variante des neuen Frontflügels auf.

Was haben Sie sich von dem neuen Frontflügel erwartet, der in Silverstone debütiert hat?

Harman: Er sollte mehr lokalen Abtrieb bringen, hat aber auch eine andere Charakteristik, die uns neue Möglichkeiten beim Abstimmen des Autos erlaubt.

In der alten Generation Autos war der Frontflügel die Spielwiese der Aerodynamiker, der den Rest des Autos mit bestimmt hat. Ist das mit den Groundeffect-Autos auch noch so?

Harman: Der Frontflügel ist immer noch immens wichtig. Er bestimmt die Strömungsstrukturen nach hinten und damit auch die Form der Verkleidung des Fahrzeugs. Es ist verführerisch, mit ihm mehr Abtrieb zu generieren, aber dann kannst du auch mit mehr Luftwiderstand oder Problemen mit der Balance bezahlen. Im letzten Jahr mit dem A522 hatten wir zeitweise den Eindruck, dass es da nicht mehr viel zu entwickeln gibt, aber mit mehr Verständnis für das Heck des Autos haben wir erkannt, dass da noch einiges brachliegt.

Ist es die erste große Änderung am Frontflügel?

Harman: Für uns schon. Man sieht auf den ersten Blick, dass der Abtrieb ganz anders über die ganze Flügelspannweite verteilt ist. Die Höhe des Flügels hat sich verändert, und das brachte einige strukturelle Herausforderungen mit sich. Da hat die dafür zuständige Abteilung einen großartigen Job gemacht. Wir haben kaum Gewicht zugelegt, um den Flügel steif genug auszulegen.

Stimmt es, dass der Flügel eigentlich schon eine Woche früher fertig war, man aber wegen des Sprints in Österreich einen Einsatz nicht riskieren wollte?

Harman: Wir haben uns aus zwei Gründen dafür entschieden, den Flügel nicht nach Österreich zu bringen. Erstens wollten wir noch ein paar abschließende Messungen durchführen, und zweitens hielten wir Silverstone für die geeignetere Strecke, den neuen Flügel auszuprobieren.

Warum stagniert Alpine seit dem GP Monaco?

Harman: Wir können nicht zu jedem Rennen größere Upgrades bringen. Zu Beginn der Saison haben wir viele neue Teile in die Schlacht geworfen. Unsere Mitbewerber waren später dran. Da haben wir gerade ein bisschen eine Verschnaufpause eingelegt. Mit dem Frontflügel begann unsere dritte Entwicklungsphase, die in Spa mit einem neuen Unterboden fortgesetzt wurde. Wir hoffen, dass sich das auch bald auf die Ergebnisse auswirkt. Wir haben unsere Ziele nicht geändert. Wir wollen das viertbeste Team sein, und ich sehe keinen Grund, warum wir das bis Ende der Saison nicht schaffen sollten.

Esteban Ocon - Alpine - GP Monaco - Formel 1 - Samstag - 27.5.2023
Wilhelm

Platz 3 von Esteban Ocon in Monte Carlo war das bisherige Saisonhighlight von Alpine.

Was mag das Auto lieber: Flüssige und schnelle Kurven oder langsame und eckige?

Harman: Ich glaube, die flüssigen Kurven liegen uns besser. Der neue Frontflügel sollte das noch unterstreichen. In den langsamen Kurven haben wir noch Arbeit vor uns.

Es gibt im Feld mit dem Red Bull nur einen echten Allrounder. Warum sind die anderen Autos nur auf bestimmten Strecken schnell?

Harman: Allrounder zu sein, ist eine echte Herausforderung. Weil es schwieriger geworden ist, die mechanische Balance mit der aerodynamischen zu verheiraten und sie zu verstehen. Du hast an einem Wochenende nicht viel Zeit, dein Auto abzustimmen. Deshalb musst du deinen Simulationswerkzeugen vertrauen können. Und ich glaube, das ist ein extrem starker Punkt von Red Bull. Wir arbeiten daran. Wir müssen unsere Simulationen verbessern, und wir sind gerade dabei. Selbst wenn man uns drei Tage Testfahrten geben würde, kannst du heute nicht mehr unvorbereitet auftauchen. Du musst vorher deine Arbeit so gut wie möglich erledigt haben und mit einer guten Idee auftauchen, was du machen willst. Mit besseren Werkzeugen kannst du diese Auf- und Ab-Bewegungen glätten.

Sind drei Testtage zu Beginn der Saison genug?

Harman: Wenn das Reglement gleich bleibt und du im neuen Jahr eine Evolution bringst, ist es das absolute Minimum, aber in Ordnung. Bei einem neuen Reglement brauchst du mehr.

Tritt Bouncing heute noch auf?

Harman: Wir haben das ganz gut unter Kontrolle. Ein Ziel der Aerodynamiker war, das Auto dafür so weit wie möglich zu desensibilisieren. Und wir haben mechanische Systeme an Bord, die es uns erlauben, damit umzugehen. Ich glaube, alle Teams haben das Phänomen einigermaßen gut verstanden. Es wird nie ganz verschwinden, wenn du das Limit überschreitest. Aber wir wissen heute besser, wo dieses Limit liegt. Die Korrelation zwischen dem Punkt, an dem wir Bouncing erwarten, und wo es tatsächlich eintritt, ist viel besser geworden.

Werden Sie nach der Sommerpause weiterentwickeln oder sich ganz auf das Auto von 2024 stürzen?

Harman: Sie werden auch nach der Sommerpause Upgrades sehen. Wir haben mit dem neuen Auto schon in Woche 40 des letzten Jahres begonnen, also bevor das Auto von 2023 zum ersten Mal ein Rennen gefahren ist. Das ist heute so üblich in unserem Geschäft. Der Designprozess für den A524 ist bereits in vollem Gang. Nach der Sommerpause werden wir uns zusammensetzen und den Zeitpunkt bestimmen, an dem wir den Großteil unserer Ressourcen auf das kommende Jahr legen.

Wie viel mehr Geld steht dieses Jahr für die Entwicklung bereit, da man ja im Gegensatz zu 2022 auf einem bestehenden Auto aufbauen konnte?

Harman: Wir haben unser neues Auto mit dem veranschlagten Budget auf die Räder gestellt. Deshalb mussten wir von unserem Entwicklungsbudget nichts streichen. Wir sind auch weiter im Plan. Auch, weil wir fast alles im Haus machen. Wir veranschlagen ein bestimmtes Budget für einen Unterboden, der die Rundenzeit X bringen soll, und sind damit kostengünstiger, als würden wir ihn auswärts herstellen lassen.

Was halten die von der Strategie anderer Teams, Splitterfirmen zu gründen, die dann im Auftrag der Formel-1-Abteilung bestimmte Dinge entwickeln und produzieren, um Geld zu sparen?

Harman: Finanzielle Optimierung ist ein neues Schlachtfeld. Dafür gibt es zum ersten Mal ein eigenes Reglement. Alle versuchen, da ans Limit zu gehen. Das ist unser Auftrag. Wir sollten uns aber einen Grad an Verständnis dafür bewahren, was diese Regeln bezwecken. Die FIA hat deshalb zu diesem Thema eine Technische Direktive verschickt, und es wird interessant sein zu sehen, wie sich diese auswirkt, und zwar nicht nur für dieses Jahr. Denn die TD gilt mit Beginn des Jahres. Ich bin auch gespannt, wie einige Teams ihre Organisationsstruktur jetzt anpassen müssen.

Sind Sie beunruhigt, dass einige Teams ein Hypercar für Kunden dazu nutzen könnten, Parallelentwicklung für die Formel 1 zu betreiben?

Harman: Wir haben einige Sorgen zu dieser Art von Interpretation. Aber wir vertrauen der FIA. Ich glaube, sie überwachen die Regeln sehr gründlich und fair. Und wir vertrauen auch darauf, dass sie die Schlupflöcher schließen wird.

Kann man von einem Hypercar viel für die Formel 1 lernen?

Harman: Es ist sicher möglich. Es geht nicht nur um die Dinge, die Sie physisch sehen, sondern auch um die Methoden, wie man dorthin kommt. Alles dreht sich um die Korrelation und das Verständnis, das man dann in sein Rennauto steckt. Ich glaube aber, dass die Direktive dem einen guten Riegel vorschiebt.

Wie schnell wird die Entwicklung mit diesen Autos ausgereizt sein? Wann wird jeder das Limit erreichen, an dem ihn das Bouncing automatisch einbremst?

Harman: Die Teams werden zusammenrücken, auch wenn wir noch nicht an dem Punkt angekommen sind. So weit weg sind wir aber gar nicht mehr, wenn man sich mal die Abstände zwischen dem Ersten und dem Letzten anschaut. Nur der Red Bull fällt da ein bisschen aus dem Raster. Die haben einfach einen mega Job gemacht. Das muss man anerkennen. Wir sind näher an Ferrari und Mercedes dran, als wir es je waren. Es gibt da mehrere Aspekte. Einmal der finanzielle Zusammenschluss, dann der technische. Ich glaube, dass wir 2024 erste Anzeichen auf beiden Gebieten sehen werden. Für 2025 erwarte ich ein Szenario wie 2021, wo die Teams viel enger zusammenlagen und es spannende Rennen gab.

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