F1 in Schools: Deutsche Schule gewinnt WM-Titel

Deutsche Schule gewinnt F1 in Schools
Die Neweys von Morgen

Veröffentlicht am 05.10.2023

Begeisterung für Motorsport beginnt in jungen Jahren. Wer Formel-1-Weltmeister werden will, muss mit sechs Jahren im Kart sitzen. Wer später einmal einen anderen Job im schnellsten Geschäft der Welt antreten will, der übt am besten in "F1 in Schools". Andrew Denford erfand den Wettbewerb im Jahr 2000. Und hatte sofort den Segen von Bernie Ecclestone.

Heute stehen alle Formel-1-Teams, die FIA, viele Sponsoren und das F1-Management hinter der Aktion, die vor 23 Jahren ganz klein angefangen hat. "Ich wollte junge Leute, die an Mathematik und Wissenschaft interessiert sind, eine Plattform bieten, um ein kleines Rennauto zu bauen und sich so für die Sache zu begeistern", erzählt sein Gründer. "Wir haben mit acht Schulen in Yorkshire begonnen. Heute haben wir 28.000 Schulen in 60 Ländern. 68 Teams haben es in das Weltfinale geschafft."

Die Schulen bewerben sich über Webseiten. Da können sie auch die Regeln nachlesen. Die Software, die sie brauchen, ist frei zugänglich. Wenn sie für die Fertigung der Autos bestimmte Maschinen benötigen, arbeiten die Teams mit Universitäten zusammen.

F1 in Schools - Singapur 2023 - Wettbewerb - Schulen
Formula 1

Zweimal 60 Seiten Regelwerk

Zunächst ging es nur um das Design und den Bau der Miniaturautos. Was erlaubt ist und was nicht steht in einem Regelbuch. "Fast so dick wie die FIA-Bibel. Das sind 60 Seiten Wettbewerbsregeln, 60 Seiten Technik", grinst Denford. Inzwischen geht es um mehr als den Bau eines Autos. Wie bei einem Formel-1-Team sind auch Projektmanagement, Marketing und Sponsorensuche gefragt. Die Schüler müssen ihren eigenen Geschäftsplan aufstellen.

Die Autos werden wie in der realen Welt mit CAD-Software konzipiert, an der Aerodynamik wird mit CFD gefeilt. Für den Bau des Autos besorgen sich die Neweys der Zukunft Zugang zu 3D-Druckern oder CNC-Maschinen. Der Motor, eine Gaspatrone, ist genormt. Am Ende kommt es auf einer 20 Meter langen Strecke zu einer Art Dragster-Rennen, das gerade mal ein bisschen mehr als eine Sekunde dauert. Aerodynamik und Gewicht sind die entscheidenden Faktoren.

Deutschland erstmals F1-Weltmeister

Alle Teams müssen sich über Vorausscheidungen auf regionaler und nationaler Ebene für das Weltfinale qualifizieren, das diesmal im Rahmen des Grand Prix in Singapur stattfand. Dieses Jahr traten rund 400 Studenten in 68 Teams aus 26 Ländern zur Endausscheidung an.

Gewertet wird nach einem Punktesystem in zehn unterschiedlichen Kategorien. Das geht vom schnellsten, am besten konstruierten, innovativsten Auto bis zum nachhaltigsten Konzept und der besten Präsentation. Sämtliche Projekte müssen in englischer Sprache vorgestellt werden. "Keine einfache Aufgabe für die jungen Leute, besonders aus nicht englischsprachigen Ländern", urteilt Denford.

Weltmeister wurde zum ersten Mal ein Deutsches Team mit dem Namen Recoil Racing. Sechs Schüler und Schülerinnen des Marie-Therese-Gymnasiums aus Erlangen bekamen den Preis von Formel-1-Chef Stefano Domenicali auf dem Siegerpodest des Marina Bay Circuits überreicht.

Außerdem wurden noch 20 weitere Trophäen in den einzelnen Disziplinen oder für herausragende Details verteilt. Darunter gingen auch die Titel für die beste Entwicklungsarbeit und die beste Präsentation an die Truppe aus Erlangen. Ein zweites deutsches Team aus Grootmoor, das unter dem Namen Cardiem antrat, wurde mit dem digitalen Medienpreis geehrt.

Denford erzählt stolz: "Alle Teams unterstützen das Projekt. Sie ermöglichen den Gewinnern Fabrikbesuche oder führen sie durch die Boxengasse. Und sie stellen Pokale bereit. Aramco stiftet den Meisterpokal, die Formel 1 die Nachhaltigkeitstrophäe und die FIA stiftet den Preis für das Auto, das bei der technischen Abnahme die wenigsten Fehler aufwies." Das Deutsche Team zum Beispiel bekam einen Punktabzug in der Scrutineering-Wertung, weil sich der Heckflügel zu weit nach hinten biegen ließ und damit der hintere Überhang überschritten wurde.

F1 in Schools - Singapur 2023 - Wettbewerb - Schulen
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Schulfrei für einen Workshop

Das Team aus Erlangen fand im November letzten Jahres zusammen. Im Mai begann die heiße Phase. In der Schulzeit investierten die sechs Teammitglieder drei bis vier Stunden in ihr Projekt, an freien Tagen war es ein Fulltime-Job. Die Chefkonstrukteurin erzählt von der Entwicklungsarbeit: "Ich habe das Auto in dem Programm Solid Edge von Siemens konzipiert. Die virtuelle Entwicklung macht der Benno mit CRD- und FCA-Analysen. Dann kommt das Modell wieder zur Optimierung zu mir."

In diesem Teil der Entwicklungsarbeit haben die angehenden Ingenieure Tests anhand eines Prototypen mit unterschiedlichen Frontflügeln durchgeführt. "Da haben wir dann auch mit dem Radstand, dem Massenschwerpunkt und der Patronenkammer herumexperimentiert. Wir haben bei der Software Hilfe von Siemens und der TH Nürnberg bekommen. Die haben uns einen Open Form Workshop angeboten. Da bekamen wir sogar schulfrei. An der Universität haben wir das Auto dann gebaut, die Räder aus POM (Polyoxymethylene) gefräst, die Anbauteile im 3D-Drucker hergestellt."

Sieg mit elf Punkten Vorsprung

Herausgekommen ist ein Auto, das exakt 50,05 Gramm wiegt. "Wir haben uns ein bisschen Spielraum zum Mindestgewicht gelassen und noch mal ein bisschen Lack aufgebracht, damit wir nicht unter das Limit fallen. Lack ist Vorschrift, auch dafür gibt es Punkte in der Kategorie "surface finishing", erzählt einer aus der siegreichen Mannschaft.

Besonderes Augenmerk wurde auf den Frontflügel gelegt. Dort lässt sich am meisten Rundenzeit gewinnen. Und da hatten die Deutschen die besten Ideen. Heckflügel und Halo sind Pflicht und werden so konzipiert, dass sie möglichst wenig Luftwiderstand bieten und keinen Auftrieb liefern. Das Erlanger Auto legte die 20-Meter-Strecke in einer Zeit von 1,090 Sekunden zurück. Es ließ sich verschmerzen, dass die Kreation der Shanghai Pinhe Schule ein bisschen schneller war.

Am Ende zählt die Gesamtpunktzahl und nicht allein der Speed. Und da lagen die Deutschen mit 845 von 1.000 möglichen Punkten vorne, elf Zähler mehr als das Propulsion Team des Charles Campbell College aus Australien.

Auch das Marketing und die Nachhaltigkeit des Projekts trugen zum Titelgewinn mit bei. "Wir müssen dafür Beweise bringen. Wir haben CO2 neutral produziert und die ganze Präsentation auf einem geliehenen Beamer gemacht", erzählt die dafür zuständige Schülerin. Sie war auch für das Budget zuständig. Sponsoren aus der Technologiebranche und Universitäten haben das Projekt unterstützt, das am Ende 50.000 Euro gekostet hat. "Die Hälfte ging für die Reise nach Singapur drauf, die alle Teams selbst finanzieren müssen."

Für das Marie-Therese Gymnasium ging mit dem WM-Titel eine lange Reise zu Ende. Als Weltmeister ist man nicht mehr teilnahmeberechtigt. Trotzdem gibt es noch etwas zu tun. Als Mentor für künftige Teams oder in Zukunft als Teil des Geschäfts. Nachdem die sechs Schüler zum ersten Mal Formel-1-Technik aus nächster Nähe erlebt haben, ist bei einigen der Funke übergesprungen.