McLaren setzt seine Show an der Spitze fort. Dafür ist bei Red Bull Feuer unter dem Dach. Max Verstappen tauchte im Mittelfeld ab und musste im Anschluss auch noch zur Anhörung zu den Sportkommissaren. Er hatte im Bereich von Kurve 3 ein Handtuch aus dem Cockpit geworfen.
Sportdirektor Helmut Marko stand für eine Aussage nicht bereit. Böswillige Zungen sprachen von einem Rede-Verbot. Vielleicht aber ging der Grazer auch nur aus Enttäuschung über das Trainingsergebnis auf Tauchstation. Es schmerzt umso mehr, da Red Bull erneut ein Upgrade an die Strecke gebracht haben. Der Effekt des neuen Frontflügels und der modifizierten Bremsbelüftungen sind bis jetzt ohne Wirkung verpufft. Weder auf eine Runde noch im Longrun war Verstappen konkurrenzfähig. Sogar Yuki Tsunoda platzierte sich vor dem Holländer.
Hinter den übermächtigen McLaren bestätigte Ferrari seinen Aufwärtstrend. Mercedes hat den freien Fall ins Bodenlose mit der Rückkehr zur alten Hinterachse abgebremst. "Wenigstens mal wieder gute Nachrichten", atmete Teamchef Toto Wolff auf. Die Überraschung in den Top-Ten waren die Plätz 4 und 5 für die Aston Martin. Bis sich herausstellte, dass Lance Stroll und Fernando Alonso explizit für die auf dem Hungaroring so wichtige Qualifikation geübt haben und dabei wohl weniger Sprit an Bord hatten als die Konkurrenz.
Im Mittelfeld hinterließen Toro Rosso und Haas auf eine Runde den stärksten Eindruck. Im Longrun schreckt Sauber die Konkurrenz auf. Nico Hülkenberg war auf Medium-Reifen so schnell wie die McLaren, und Kollege Gabriel Bortoleto zeigte auf den harten Reifen, dass der Schweizer Rennstall bei der Musik ist. Jetzt müssen die Sauber-Piloten nur noch die Qualifikationshürden meistern. Sauber rechnet sich jedenfalls gute Hoffnungen aus, die Serie der Punkteplatzierungen in Budapest fortzusetzen. Der C45 mag am liebsten mittelschnelle Kurven.
Sechs Dinge, die Sie wissen müssen:

Lando Norris hatte am Freitag einen Lauf.
1) Ist McLaren schlagbar?
Nur wenn die Autos vom Blitz getroffen werden. Der Hungaroring mit seinen mittelschnellen Kurven ist wie gemalt für den MCL39. "Dieser Typ Kurve ist unsere Stärke", bestätigt Teamchef Andrea Stella. Die Konkurrenz wurde prompt verprügelt. Auf beiden Reifentypen. Mit dem Medium-Reifen waren die McLaren fünf Zehntel schneller als Ferrari, sechs als Mercedes und neun als Red Bull. Auf den Soft Reifen war das Bild das gleiche. Ferrari kam bis auf vier Zehntel heran.
In den Longruns haben die papaya-gelben Autos ihre Überlegenheit noch nicht ausgespielt. Da mussten sich Lando Norris und Oscar Piastri sogar von Sauber ärgern lassen. Ferrari liegt über die Distanz nur ein Zehntle, Mercedes zwei Zehntel zurück. Der interne Vergleich ging relativ klar an Norris. Der Engländer hängte Piastri um 0,291 Sekunden ab. Als der Australier versuchte, die Norris-Zeit zu egalisieren, kam er in Kurve 11 vom rechten Weg ab. Norris gewann schon das erste Training, das aber nur mit 0,019 Sekunden Vorsprung. Im Longrun dagegen herrscht praktisch Gleichstand.
2) Zeigt Ferrari weiter einen Aufwärtstrend?
Der dritte Platz von Charles Leclerc ist ein weiterer Beweis dafür, dass Ferrari mit dem neuen Unterboden und der neuen Hinterachse auf dem richtigen Weg ist. Allerdings nur mit einem Auto. Lewis Hamilton tut sich weiter schwer, sich an die geänderte Fahrcharakteristik anzupassen. Auf den Teamkollegen fehlten drei Zehntel. "Mir fehlt noch Grip, aber es geht in die richtige Richtung", lobte Hamilton.
Überzeugen konnte der Rekordsieger dafür im Soft-Longrun. Er hielt die weichen Reifen überraschend gut in Schuss. Fernando Alonso ist mit seinen vier Runden auf Soft-Reifen kein echter Vergleichsmaßstab. Hamilton legte die doppelte Distanz zurück. Leclerc sieht wenig Chancen die McLaren auf eine Runde zu schlagen. Mit seinem Longrun durfte er zufrieden sein. Die sieben Runden drehte er mit einem Schnitt von 1.22,213 Minuten. Norris war mit 1.22,132 Minuten nur knapp besser.

Mercedes machte mit der alten Hinterachse wieder einen Schritt nach vorn.
3) Ist das die Wende für Mercedes?
Teamchef Toto Wolff, die Ingenieure und die Fahrer atmeten auf. Der Rückgriff auf die alte Hinterachse war der richtige Schritt. George Russell und Andrea Kimi Antonelli berichteten sofort, dass sich das Heck des Autos beruhigt hat. Im ersten Training passte das Setup noch nicht. Beide Fahrer klagten über eine schlechte Balance. Das Auto fiel vom Unter- ins Übersteuern. Das besserte sich im zweiten Training. Antonelli war trotzdem zufriedener als Russell. Der Italiener verlor in seiner schnellsten Runde drei Zehntel im Verkehr. Russell fühlte sich in seinem Silberpfeil noch nicht so wohl, wie er es braucht.
Auch die Reifenabnutzung hat sich verbessert, seit das Heck wieder besser auf der Straße klebt. "Nicht so gut wie McLaren, aber im Bereich von Ferrari", lobte Toto Wolff. Tatsächlich landete Antonelli in der Rennsimulation nur eine Zehntelsekunde hinter Leclerc. Russell war in weiteres Zehntel langsamer.

Bei Max Verstappen lief es alles andere als gut.
4) Was ist nur mit Verstappen los?
Der Weltmeister tauchte in Bereiche ab, die er zuletzt vor neun Jahren bei Toro Rosso erlebt hat. Platz 14 auf Soft-Reifen, Rang 12 auf Medium-Gummis. Beide Male langsamer als Teamkollege Yuki Tsunoda. Das stellt dem jüngsten Upgrade von Red Bull (Frontflügel, Bremsbelüftung vorne) kein gutes Zeugnis aus. Max Verstappen klagte sowohl in seiner schnellen Runde als auch im Dauerlauf: "Das Auto ist unfahrbar. Ich finde keine Balance. Vorder- und Hinterachse fühlen sich wie auf Eis an. Was geht hier vor sich?" So ratlos hörte sich der Weltmeister noch nie an. Im Longrun fehlte ihm im Schnitt fast eine Sekunde pro Runde auf die McLaren. Auch Ferrari und Mercedes waren über die Distanz deutlich schneller.
Dann bekam er auch noch Ärger mit den Sportkommissaren. Verstappen hatte im Verlauf des zweiten Trainings ausgangs Kurve 3 ein Handtuch aus dem Auto geworfen. Der Holländer kam mit einer Verwarnung davon. Die Sportkommissare rechneten strafmildernd an, dass sich das Handtuch in der Pedalerie hätte verheddern können, was zu einem Unfall hätte führen können. Außerdem hat Verstappen das Tuch so weit nach rechts geworfen wie möglich.
5) Wie fit ist Alonso?
Am Donnerstagabend meldete sich Fernando Alonso krank. Die Muskelverspannungen im Rücken sind eine alte Sache, die ihn schon letztes Jahr behindert haben. Deswegen hätte er fast den GP Brasilien absagen müssen. Weil sich nach Spa wieder Schmerzen einstellten, ließ der 44-jährige Spanier das erste Training aus. Felipe Drugovich übernahm seinen Job. "Wir wollten Fernando etwas mehr Erholungspause gönnen. Jede Runde weniger tut gut. Und da wir im ersten Training sowieso nur einen Vergleich zwischen Unterböden und Nasen gefahren sind, hat das Aussetzen keinen großen Unterschied gemacht", erzählte Chefingenieur Mike Krack.
Und dann die faustdicke Überraschung. Der neue Unterboden und die kürzere Nase gewannen vorerst den Vergleichstest. Damit fuhren Lance Stroll und Fernando Alonso mit Soft-Reifen auf die Plätze 4 und 5. Die Erklärung für das ungewöhnlich gute Ergebnis lag im Tankinhalt. Aston Martin übte ernsthaft für die Qualifikation. Der Startplatz auf dem Hungaroring ist fast so wichtig wie in Monte Carlo. Deshalb war auch nur eine repräsentative Menge Benzin im Tank. Welcher Unterboden am Samstag auf das Auto kommt, entscheidet der Datenvergleich. Um Alonso zu schonen, wurde nur Stroll auf eine längere Rennsimulation geschickt.

Sauber zeigte eine gute Leistung am Schweizer Nationalfeiertag.
6) Bahnt sich mit Sauber eine Sensation an?
Es war ein unrunder Start in ein Wochenende, von dem sich Audi F1-Chef Mattia Binotto viel verspricht: "In mittelschnellen Kurven ist unser Auto am besten." Paul Aron ersetzte im ersten Training Nico Hülkenberg, kam aber nur neun Runden weit. Dann schlug ein Sensor Alarm. Um den Motor zu retten, musste der Este auf der Strecke anhalten. Für Gabriel Bortoleto war nach 17 Runden Schluss. Ein Hydraulikleck stoppte den Brasilianer. Am Nachmittag lief es besser. Nico Hülkenberg belegte auf Medium und Soft jeweils den zwölften Platz.
Ihre wahre Stärke zeigten die Sauber-Piloten in den Longruns. Nico Hülkenberg rangiert damit im McLaren-Sandwich auf dem zweiten Platz. "Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl", berichtete Hülkenberg. Bortoleto wurde auf den harten Reifen auf den Dauerlauf geschickt. Die C3-Mischung ist noch konstanter als der Medium und am Sonntag ein echte Alternative zum Medium-Gummi. Bortoleto war über sechs Runden minimal schneller als Esteban Ocon. Der Franzose war ebenfalls auf harten Reifen unterwegs. Seit dem Upgrade beim GP England gilt der Haas VF-25 als bestes Mittelfeld-Auto.
Die starken Longruns machen Lust nach mehr. Die größte Hürde für die Sauber-Piloten war bislang die Qualifikation. Gute Dauerlaufeigenschaften bringen nichts, wenn man weit hinten startet. Auf eine Runde müssen die grellgrünen Autos noch schneller werden. Problemstelle ist Kurve 4. Dort verlieren Hülkenberg und Bortoleto die meiste Zeit.