Warum splittete McLaren die Strategie?
McLaren ging als Favorit ins Rennwochenende in Ungarn. Und kam mit einem Doppelsieg heraus. Dabei sah es zwischenzeitlich so aus, als könne man ernsthafte Konkurrenz von Ferrari bekommen. Nicht nur die Pole von Charles Leclerc sprach dafür, sondern auch seine Stärke zu Beginn des Rennens.
Für das 70 Runden dauernde Rennen galt die Zweistopp-Strategie als der Goldstandard. Und genau das hatte McLaren ursprünglich auch mit beiden Piloten vorgesehen. Genauso wie man diesen Ansatz bei Ferrari auch mit Leclerc verfolgte. Doch der Start beziehungsweise die erste Rennrunde brachte eine neue Situation hervor. Während Piastri auf Platz zwei hinter Leclerc herjagte, fiel Lando Norris von Rang drei um zwei Plätze auf fünf zurück.
Im Nachhinein war dieser vermeintlich schwache Start ins Rennen von Norris eigentlich sein großes Glück. Denn nur aufgrund dieser völlig neuen Situation dachte man am Kommandostand daran, ein bisschen etwas anderes zu probieren. Das dauerte allerdings eine Weile. Denn zunächst hatte man standardmäßig die Zweistopp-Strategie auf dem Schirm.

Lando Norris war bei McLaren der strahlende Sieger.
"Wir hielten einen Stopp zunächst gar nicht für möglich", sagte McLaren-Teamchef Andrea Stella. "Selbst zu dem Zeitpunkt nicht, als wir ihn zunächst draußen ließen. Aber Lando hat es geschafft, ziemlich gute Rundenzeiten mit diesem Reifen zu fahren, der ja schon gebraucht war. Wir sind also immer mehr zu der Überzeugung gekommen, als er seinen ersten Stint fuhr, dass das funktionieren könnte."
Norris fuhr beispielsweise selbst in Runde 20 noch eine 1.21,4 mit dem Medium-Reifen oder in Runde 25 eine 1.21,9. Piastri konnte schon ab Runde 12 nicht mehr unter 1.22 fahren und kam in Umlauf 18 an die Box zum Wechsel. In Runde 31 war es für Norris dann auch soweit, von Medium auf Hart zu gehen. Danach hatte er noch 39 Runden vor sich.
Aber auch hier verlor er mit dem Abbau der Reifen zum Ende hin nicht so viel Zeit, dass sich die 20,9 Sekunden, die Piastri für den zweiten Stopp in Runde 45 investieren musste, egalisiert hätten – auch wenn es im Finale verdammt knapp wurde. Denn kurz nach seinem zweiten Stopp war Piastri mit den frischen Gummis rund 1,2 Sekunden schneller als Norris. Der Abstand zwischen den beiden betrug 8,2 Sekunden – bei noch 19 zu fahrenden Runden. Das war kein Ding der Unmöglichkeit. Und beinahe hätte Piastri seinen Stallrivalen in der vorletzten Runde noch niedergerungen, musste aber zurückstecken.
Hat Ferrari die Siegchance weggeworfen?
Ferrari war ein einziges Mysterium in Ungarn. Erst die überraschende Pole von Leclerc, die unter anderem durch das richtige Timing und den wechselhaften Wind in der Qualifikation zustande kam. Dann der Aufgesang bis Runde 39, wo sich Leclerc bis zu seinem zweiten Stopp mit einem Abstand von rund 2 Sekunden souverän vor Piastri behaupten konnte.
Und dann der Absturz nach dem zweiten Stopp, was am Ende nach der Attacke von George Russell nur den vierten Rang für den Monegassen bedeutete. Für Ferrari lief das Rennen, bei dem man wie ein möglicher Siegkandidat aussah, am Ende katastrophal. Auch Lewis Hamilton konnte sich nach dem 12. Platz in der Qualifikation, für den er sich selbst als "nutzlos" bezeichnete, im Rennen nicht weiter verbessern.
Woran lag das, fragte man sich. Teamchef Frederic Vasseur hatte selbst keine Erklärung oder wollte nicht so recht damit rausrücken. "Wir müssen untersuchen, ob etwas am Chassis oder sonst wo kaputt ist. Es gab sogar einen Moment, in dem ich dachte, dass wir das Rennen niemals beenden würden."

Charles Leclerc stürzte im letzten Stint ab.
Es gab gleich mehrere kryptische Funksprüche von Leclerc. Zunächst sagte er in Runde 28: "Ich spüre, was wir vor dem Rennen besprochen haben. Wir müssen diese Dinge besprechen, bevor wir sie tun." Dann folgte: "Mit diesen Dingen werden wir dieses Rennen verlieren." Und schließlich in Runde 54: "Das ist unglaublich frustrierend. Wir haben jegliche Wettbewerbsfähigkeit verloren. Ihr hättet auf mich hören sollen. Ich hätte einen anderen Weg gefunden, mit diesen Problemen umzugehen. Jetzt ist es einfach nicht mehr fahrbar. Es wäre ein Wunder, wenn wir es noch aufs Podium schaffen würden."
Nach dem Rennen ruderte er zurück: "Ich war wohl zu vorschnell, denn als ich aus dem Auto stieg, erfuhr ich noch ein paar Details, was passiert war. Ich dachte, es ginge um etwas anderes, das wir besprochen hatten, aber leider war es ein Problem mit dem Chassis." Manche vermuteten, auch, Ferrari habe womöglich wieder Probleme mit zu viel Abnutzung des Unterbodens gehabt und musste deshalb Tempo rausnehmen. Eine andere Möglichkeit wäre ein Problem an der Hinterachse.
Hätte sich für Verstappen auch eine Einstopp-Strategie gelohnt?
Max Verstappen stand an diesem Wochenende auf verlorenem Posten. Mit dem achten Startplatz war nicht viel zu holen. Zumal alarmierend war, dass man bei Red Bull ausnahmsweise nicht die große Wende vom durchwachsenen Freitag hin zum akzeptablen Samstag schaffte. Man hatte immer noch Probleme, die Reifen ans Arbeiten zu bekommen. Es fehlte massiv Grip. Das Kuriose: Verstappen freute sich sogar über den achten Startplatz.
Insofern waren die Erwartungen für das Rennen nicht allzu groß. Und man konnte das Ruder auch nicht wirklich herumreißen. Verstappen fiel am Start zunächst einen Platz zurück, arbeitete sich dann bis auf Platz sieben vor, ehe er in Runde 17 als erster aus den Top-Ten zum Service kam. Denn Verstappen hing hinter Bortoleto fest und kam nicht vorbei.
"Natürlich kann man da verharren, aber wir wollten unser Glück im Verkehr versuchen", sagte Red Bull-Teamchef Laurent Mekies. "Wir haben auch eine kleine Chance gesehen, bis zum Ende durchzukommen. Aber niemand hat mit noch so viel zu fahrenden Runden geschafft. Klar, es geht, aber dann bist du nicht sehr schnell. Also haben wir nochmal gestoppt." In Runde 48 steuerte Verstappen als Letzter aus den Top-Ten die Box schließlich für den zweiten Stopp an.
Was war mit Hülkenberg am Start los?
Nico Hülkenberg sah in Budapest ein bisschen alt im Vergleich zu seinem Teamkollegen Gabriel Bortoleto aus. Der Rheinländer, der in Silverstone endlich sein erstes Podium holte, musste sich sowohl in der Qualifikation als auch im Rennen hinten anstellen. Dabei lief es zunächst vielversprechend. Hülkenberg war von Platz 18 mit Soft-Reifen losgefahren und wurde diese beim ersten Stopp in Runde 5 schnell los. Seine erste Rundenzeit auf dem Medium-Reifen war so schnell wie die Zeiten an der Spitze. Mit den extrem guten Longruns von Sauber im Hinterkopf, hatten sich viele Punkte für Hülkenberg ausgemalt.

Nico Hülkenberg hatte schon bessere Rennen.
Doch die Euphorie seiner Fans wurde schnell gedämpft. Beide Sauber-Fahrer standen im Verdacht, nicht richtig gestartet zu sein. Während Bortoleto keine Strafe kassierte, musste Hülkenberg beim nächsten Stopp fünf Sekunden länger stehen. Das geringste Strafmaß für so ein Vergehen, denn die Sportkommissare kamen zu dem Schluss, dass er keinen Vorteil daraus gezogen hatte, dass sich sein Auto zwischen dem Vier-Sekunden-Signal und dem Start bewegt hat.
"Ich habe nichts gemerkt", sagte Hülkenberg. "Ich habe nur den ersten Gang recht spät eingelegt. Hatte aber nicht das Gefühl, dass ich dabei massiv nach vorne gerollt wäre." Die Fünf-Sekunden-Strafe war aber ohnehin nicht ausschlaggebend. In sauberer Luft fuhr sich der C45 einwandfrei, im Verkehr hatte Hülkenberg aber so seine Probleme. Abgesehen davon: Lewis Hamilton kam 21 Sekunden vor Hülkenberg ins Ziel. Da machten die 5 Sekunden auch keinen Unterschied. Bortoleto glänzte hingegen mit dem sechsten Platz.
Hat Mercedes nun das Comeback geschafft?
Manchmal versteht man die Dinge erst rückwärts. Das gilt für Mercedes an diesem Wochenende. Eigentlich sollen Upgrades die Formel-1-Teams nach vorn bringen. Aber die neue Hinterachse, die in Imola debütierte, dann in Monaco und Barcelona wieder aussetzte, und schließlich ab Kanada wieder im Einsatz war, brachte keinen konstanten Fortschritt. Also rüstete man für das Rennen am Hungaroring auf die alte Hinterachse zurück. Und siehe da, die Fahrer nutzten das Potenzial. "Dadurch wurde das Auto deutlich stabiler und ausgewogener. Sie hatten mehr Vertrauen in das Auto, was sich auch in ihrer Pace widerspiegelte", sagte Teamchef Toto Wolff.

George Russell freute sich wieder mal über einen Pokal.
Es war der Schlüssel dafür, dass Mercedes nun wieder bei der Musik ist. Das zeigte unter anderem der Fakt, dass George Russell die Pole-Position nur um 53 Tausendstel verpasste. Im Rennen setzte er sich im Zweikampf gegen den strauchelnden Charles Leclerc konsequent durch und machte damit den Sprung aufs Podest möglich.
"Das Überholmanöver selbst war etwas riskant: Ich bin in die Kurve gefahren und er hat beim Bremsen deutlich herübergezogen, wofür er eine Strafe erhielt", sagte Russell. Immerhin wurde so sein insgesamt fünftes Podium der Saison möglich. "Dieses Ergebnis gibt uns Auftrieb für die Sommerpause, und wir können nun mit mehr Selbstvertrauen auf die letzten zehn Rennen des Jahres blicken", sagt Russell.