Red Bull ist nicht aufzuhalten. Das Weltmeisterteam gewann im sechsten Grand Prix der Saison zum sechsten Mal. Max Verstappen hatte den Speed, und das Glück auf seiner Seite. Ein paar Mauerküsse blieben für ihn ohne Konsequenzen. Aston Martin war der größte Herausforderer. In unserer Rennanalyse klären wir die wichtigsten Fragen zur Stadtrundfahrt der Formel 1 in Monte Carlo.
Hat sich Aston Martin verpokert?
Auf einer trockenen Strecke war Red Bull zu schnell für Aston Martin. Der Regen spielte Fernando Alonso eine kleine Siegchance zu. Der 41-jährige Spanier ergriff sie nicht, weil er und seine Mannschaft die Wetterlage falsch einschätzten. Sie trafen daher eine konservative Entscheidung bei den Reifen.
Die entscheidende Situation passierte in Runde 54 von 78. Die Intensität des Regens legte langsam zu, doch der Kurs war noch zu weiten Teilen trocken. "Fernando hat nur zwei Kurven als wirklich nass angesehen", schilderte Aston-Martin-Teammanager Andy Stevenson das Dilemma. Die Gefahr eines Abflugs erhöhte sich, besonders auf abgefahrenen harten Reifen. Alonsos verloren bereits Temperatur. Daher wollte er lieber an die Box.
Deshalb fiel die Wahl gegen eine Verlängerung des Stints, und der Spanier trat am Ende der 54. Runde seinen Boxenstopp an. Zu diesem Zeitpunkt lag er mit einem Rückstand von mehr als 13 Sekunden an zweiter Stelle, und über 24 Sekunden vor George Russell. Aston Martin wechselte auf die Mediumreifen, und nicht auf Intermediates, was bis dahin nur die Überrundeten und Hinterbänkler getan hatten. Aston rechnete maximal mit einem kurzen Schauer. Die Fehleinschätzung verhinderte womöglich den ganz großen Wurf. Der Regen verstärkte sich just in dem Moment, als Alonso auf der Outlap war. Der Altmeister musste sofort wieder die Boxenstraße ansteuern. Diesmal gab es die profilierten Reifen.
Man kann von einer verpassten Gelegenheit sprechen. Doch das Team hatte gute Gründe für die Entscheidung, erst auf Mediumreifen umzustecken. Die Wetterlage war unklar. Keiner konnte sagen, wie stark es tatsächlich regnen würde. Es hingen keine wirklich dunklen Wolken über dem Fürstentum. "Der Regenradar taugte nicht für ein Urteil", sagte Stevenson. "Du musstest aus dem Fenster schauen, um die Situation einzuschätzen. Der letzte Abschnitt war staubtrocken." Intermediates hatte Aston Martin beim Stopp in Runde 54 gar nicht parat. Ein kurzfristiger Kurswechsel hätte nur zu Hektik in der Box und zu einem sehr langen Halt geführt.
Stevenson führte weiter aus: "Wir haben mit den Informationen, die uns zur Verfügung standen, keine falsche Entscheidung getroffen. Max ist ja auf uralten Slicks draußen geblieben. Hätten wir auf Intermediates getauscht, und es hätte nicht geregnet, hätten wir den zweiten Platz verloren und wären Vierter oder Fünfter geworden." Weil Alonso dann noch einmal hätte zurückwechseln müssen, und seine Verfolger auf Slicks hätten durchfahren können. Insofern war der Medium die sicherere Wahl, weil man keinen Platzverlust zu befürchten hatte. Die Hintermänner hatten das Glück, eine größere Lücke auf die Spitze zu haben. So hatten Russell, Esteban Ocon und Lewis Hamilton das bessere Timing für den Wechsel auf Intermediates. Sie führten den Tausch im 54. Umlauf durch.
Bei Aston Martin warf man zusätzlich ein. "Wir konnten ja nicht wissen, dass Max so eine chaotische 55. Runde haben wird." Der Weltmeister wäre dort beinahe in die Leitplanke geflogen. "Fernando hat im Briefing gesagt, dass er jede Entscheidung genauso wieder treffen würde."
Wieso wurde am Start so unterschiedlich taktiert?
Aston Martin scheute in der Phase des Wetterumschwungs das große Risiko. Am Start war man noch bereit, zu wagen und zu pokern. Alonso startete wie acht seiner Kollegen auf harten Reifen. Unüblich, wenn man aus der ersten Reihe ins Rennen geht. Auf den ersten 114 Metern rechnete man sich keine Chance aus, Verstappen zu überholen. Dafür wollte man länger als der Weltmeister fahren. In der Hoffnung, dass dieser wegen Überrundungen nicht zu weit flüchten kann, durch Graining eingebremst wird und früher an die Box muss. Dann hätte ein Safety Car Aston Martin womöglich zum Sieger gemacht.
Red Bull spielte die andere Karte. Verstappen startete auf den Mediums. Das Risiko einer frühen roten Flagge war dem Weltmeisterteam zu groß. Deshalb ließ man die Finger von der härtesten Mischung. In Monaco kann es immer zu Unfällen kommen. Im Falle einer raschen Unterbrechung wäre ein langer Stint auf den Mediums unausweichlich gewesen. "Das hätte uns auch treffen und zurückwerfen können", erzählten sie bei Aston Martin.
Alpine setzte Esteban Ocon wie Verstappen auf Mediums. Mercedes splittete die Taktik: Lewis Hamilton auf Mediums, George Russell auf harten Pirellis am Start. "Mit George konnten wir diesen Poker eingehen", erklärte Teamchef Toto Wolff. "Wir waren überrascht, dass so viele andere Fahrer auf den harten Reifen starteten." Zum Beispiel beide Ferrari-Fahrer. Carlos Sainz und Charles Leclerc sollten darauf so lange wie möglich fahren, und einen Overcut ausführen. Es gelang ihnen nicht.
Sainz wurde in Runde 33 von Hamilton in die Box gezogen. Der Spanier ärgerte sich, dass sein Team ihn nicht weiterfahren ließ. Die Scuderia traf aber die richtige Entscheidung. Hamilton flog auf frischen Reifen. "Wir mussten reagieren, um zu verhindern, die Position zu verlieren", rechtfertigte Teamchef Frederic Vasseur.
Warum war Alpine so stark?
Alpine mischte bei der Vergabe um die Pole Position mit. Ocon fühlte sich pudelwohl in seinem Auto. "Schon im Simulator hatte es sich gut angefühlt. Wir haben es über die Trainings dann stetig verbessert." Die Balance stimmte, der Alpine bekam die Reifen zuverlässig ins Arbeitsfenster – und das lässt das Vertrauen der Fahrer wachsen. Das zählt zwischen den Leitplanken besonders. So überperformte der französische Nationalrennstall und holte satte 21 Punkte. "Der Fahrer macht auf diesem Kurs einen größeren Unterschied. Wer bereit ist, Risiken zu nehmen und die Kurven zu schneiden, ist schnell", beurteilte Alpine-CEO Laurent Rossi.
Sein Schützling Ocon zeigte auch im Rennen eine beinahe fehlerfreie Vorstellung. "Das ist das Wunderbare an Esteban. Er bricht unter Druck nicht." Der war nicht klein, mit Sainz im Rückspiegel auf trockener Strecke und den Mercedes auf nasser Fahrbahn. Trotz eines leicht angeschlagenen Autos bot Ocon keine Angriffsfläche. Nach einem Treffer von Sainz im Heck fuhr er ab Runde elf mit ein paar Punkten weniger Abtrieb. Ocon fuhr so schnell, wie er musste und managte die Reifen. Das Timing der Boxenstopps passte.
Was war mit Ferrari und Mercedes los?
Weder Ferrari noch Mercedes hatten wirklich gut eingestellte Autos. Der rote Rennwagen hüpfte über die Bodenwellen, der runderneuerte Silberpfeil nahm seine Reifen stärker ran als üblich. Für Mercedes kam der Regen daher gelegen, um sich zu verbessern. "Unser Reifenverschleiß war höher als bei der Konkurrenz. Der Regen hat uns etwas geschmeichelt", urteilte Teamchef Wolff.
Russell erwischte es am besten. Er legte seinen einzigen Stopp in die Regenphase und sah sich für einen kurzen Augenblick sogar auf Podestkurs. Bis zu einem Patzer in Mirabeau. Dort schlüpften ihm dann Ocon und Hamilton durch, die ebenfalls in Runde 54 Intermediates bekommen hatten. "Wir waren gut mit dem Timing. Vielleicht hätte uns eine Runde früher sicher auf das Podium gebracht", rätselte Wolff.
Ferrari zögerte den Tausch auf die Intermediates bis zur 55. Runde heraus. Durch die vorigen Wechsel der Gegner waren Sainz und Leclerc Dritter und Vierter. Die Scuderia hoffte vergeblich auf Unfälle im Feld, die VSC-Phasen auslösten oder ein echtes Safety Car brachten. Dann hätte man profitieren können. Aber das Glück hat Ferrari schon lange nicht auf seiner Seite. So reiste man mit gesenktem Kopf ab.
Fahrer | Team | Zeit/Rückstand |
1. Max Verstappen | Red Bull | 1:48:51.980 h |
2. Fernando Alonso | Aston Martin | + 27.921 s |
3. Esteban Ocon | Alpine | + 36.990 s |
4. Lewis Hamilton | Mercedes | + 39.062 s |
5. George Russell | Mercedes | + 56.284 s |
6. Charles Leclerc | Ferrari | + 61.890 s |
7. Pierre Gasly | Alpine | + 62.362 s |
8. Carlos Sainz | Ferrari | + 63.391 s |
9. Lando Norris | McLaren | + 1 Runde |
10. Oscar Piastri | McLaren | + 1 Runde |
11. Valtteri Bottas | Alfa Romeo | + 1 Runde |
12. Nyck De Vries | Alpha Tauri | + 1 Runde |
13. Zhou Guanyu | Alfa Romeo | + 1 Runde |
14. Alexander Albon | Williams | + 1 Runde |
15. Yuki Tsunoda | Alpha Tauri | + 2 Runden |
16. Sergio Perez | Red Bull | + 2 Runden |
17. Nico Hülkenberg | Haas | + 2 Runden |
18. Logan Sargeant | Williams | + 2 Runden |
19. Kevin Magnussen | Haas | Ausfall |
20. Lance Stroll | Aston Martin | Ausfall |