Pirelli bat um Testfahrten, und alle Teams mussten dem Ruf des Reifenlieferanten folgen. Bevor nicht jeder Fahrer seine 30 Pflichtrunden für Pirelli abgespult hatte, durfte nicht für die eigene Sache gearbeitet werden. Nur fünf Fahrer kamen so weit. George Russell verschrottete schon nach zwölf Minuten einen weiteren Silberpfeil.
Der Unfallschreiber im Mercedes mit der Startnummer 63 notierte 35 g Verzögerung in Querrichtung und 8 g frontal. Russell blieb beim Einschlag kurz die Luft weg. Damit war das Auto des Engländers innerhalb von sieben Tagen zum zweiten Mal eine Großbaustelle. Um 19 Uhr Ortszeit entschloss sich Mercedes das Monocoque zu tauschen. Motor und Getriebe schienen überlebt zu haben.

Verstappen hat am ersten Trainingstag von Mexiko nur 18 Runden zurückgelegt.
Motorsorgen bei Verstappen
Die Aufräumarbeiten an der Strecke dauerten 24 Minuten. Damit ging fast allen Fahrern die Zeit aus. Auch Max Verstappen hatte einen gebrauchten Tag. Die Probleme mit dem Turbolader vom Vormittag kehrten zurück. Der Weltmeister stand zunächst 28 Minuten lang an der Box, drehte dann noch eine Runde und stieg endgültig aus.
Der Motor musste raus. Strafen drohen in Mexiko angeblich noch nicht, aber Teamchef Christian Horner wollte nicht ausschließen, dass Verstappen bei einem der verbleibenden vier Rennen nicht doch noch einen sechsten Motor braucht. "Wir sind mit allem am Limit."
Das trifft auch auf Williams zu. Alexander Albon musste zuschauen. Sein Williams konnte nicht rechtzeitig wieder fahrbereit gemacht werden. Der Thailänder hatte ihn im ersten Training mit 210 km/h in die Tecpro-Barriere von Kurve 9 gesteckt. Auch Motor und Getriebe mussten getauscht werden. Es war der siebte große Unfall für Williams in diesem Jahr. Das belastet den Kostendeckel mehr als vorausberechnet.

McLaren sammelte Vergleichsdaten mit dem alten und dem neuen Unterboden.
McLaren mit Unterboden-Vergleich
Weil die Anzahl der Runden, das Setup, die Tankmenge und die Reifentypen vorgeschrieben waren, nutzten viele Teams die zweite Sitzung vom Vergleich unterschiedlicher Spezifikationen. Noch nie wurde so viel über Unterböden gesprochen wie am Freitag in Mexico-City. McLaren brachte eine Neukonstruktion an den Start, Toro Rosso einen zusätzlichen Schritt zu dem Austin-Boden. Was wegen der speziellen Streckencharakteristik und der Höhenlage 2.240 Meter über dem Meer ein Risiko ist.
McLaren halste sich ein Mammutprogramm auf. Oscar Piastri fährt das ganze Wochenende mit dem alten Unterboden. Der Australier ist die Referenz. Rookie Patricio O‘Ward probierte im ersten Training die neue und alte Version. Lando Norris saß ab dem zweiten Training im McLaren mit der jüngsten Unterboden-Spezifikation, die laut McLaren einen signifikanten Fortschritt bringen soll.
Alpine ließ sich auf keine Experimente ein. Beide Fahrer waren mit identischen Autos unterwegs. Esteben Ocon fuhr den neuen Unterboden zum ersten Mal und lobte: "Ich fühlte mich im Auto sofort wohl. Der Grip fühlte sich viel besser an als in den Jahren zuvor."

Aston Martin ging zurück auf ganz alte Unterboden-Versionen.
Aston Martin stochert im Nebel
Aston Martin suchte den Fehler. Das Debüt des letzten Upgrades in Austin verlief enttäuschend. Bouncing und instabiles Fahrverhalten raubte den Piloten das Vertrauen. Das Auto war passabel in schnellen Kurven, verlor aber massiv Zeit in den langsamen Ecken. Das versprach für das Autodromo Hermanos Rodriguez nichts Gutes. Zehn der 17 Kurven sind langsam.
Der Tag begann mit einem Split. Lance Stroll fuhr im ersten Training den Austin-Unterboden, Reservepilot Felipe Drugovich die Budapest-Version. Am Nachmittag wurde ein Uralt-Boden an die Autos von Stroll und Fernando Alonso geschraubt. Die Konstruktion wurde in Imola eingeführt. Es ging darum, Daten zu sammeln, um herauszufinden, warum das Bouncing wieder zurückgekehrt war.
Das zeigt, wie Aston Martin im Nebel stochert. Die grünen Autos dümpelten den ganzen Tag im hinteren Mittelfeld herum. Offenbar brachte keiner der Böden den Durchbruch. Aber vielleicht Erkenntnisse, warum es immer schlechter statt besser läuft. Toro Rosso dagegen machte eine gute Figur. Yuki Tsunoda markierte in beiden Trainingssitzungen die drittschnellste Zeit. Die Longruns konnten mit den Einzelrunden allerdings nicht mithalten. In wieweit der Japaner von den Modifikationen an den Venturi-Kanälen und Unterboden-Kanten profitierte war schwer zu analysieren. Liam Lawson bekommt die jüngstze Spezifikation erst in Brasilien.

George Russell zerstörte den nächsten Unterboden. Dieses Mal war es ein altes Modell.
Mit dem Material am Limit
Bei Red Bull und Mercedes redete man mehr über Schäden an den Unterböden. Max Verstappen und Andrea Kimi Antonelli fuhren vier Minuten nach Trainingsbeginn über ein Metallteil, das von einer Fußgängerbrücke gefallen war. Die Unterseite des Weltmeister-Autos war so stark beschädigt, dass ein komplett neuer Unterboden an den Red Bull mit der Startnummer 1 geschraubt werden musste. Zum Glück hatte Red Bull noch Ersatz.
Den Luxus gab es bei Mercedes nicht. Antonellis Exemplar, das am Silberpfeil von Lewis Hamilton montiert war, musste vor Ort geflickt werden. Es gibt keinen Ersatz. Reparierte Böden sind allerdings nie so gut wie neue.
Mercedes verfolgt mit dem in Austin vorgestellten "Update-19-Boden" das Pech. Russell zerstörte ein Exemplar in Austin und muss bis zum GP Brasilien warten, bis er den reparierten Boden zurück hat. Hamiltons Rennen dauerte in Austin nur zwei Runden. Man hat also kaum Daten. Und jetzt noch der Zwischenfall mit dem Trümmerteil.
Die Misere ging noch weiter. Russell vernichtete bei seinem Crash im zweiten Training die Imola-Version des Bodens und viele andere Teile, die dazugehörten. Sie kam bis zum GP Belgien zum Einsatz und dann noch einmal in Baku und Singapur. Von dieser Spezifikation war das Ersatzteillager besser gefüllt als von den neuesten Komponenten. Dafür musste das Monocoque dran glauben. Trotzdem bringen die jüngsten Unfälle Mercedes langsam in Verlegenheit. "Das ist nicht ideal für den Kostendeckel", meinte Teamchef Toto Woff zerknirscht.

Ferrari hinterließ bei kurzen und langen Runs den besten Eindruck. Kann die Konkurrenz noch einmal kontern?
Ferrari ist unschlagbar
Sergio Perez freute sich, dass er bei seinem Heimspiel endlich einen identischen Unterboden am Auto hatte wie Verstappen. Das ist richtig und falsch zugleich. Laut Sportchef Helmut Marko bestand der Unterschied lediglich darin, dass Verstappen in Austin einen jungfräulichen Boden hatte, Perez wegen vieler Ausrutscher einen stark geflickten. Das ergibt aerodynamische Verluste.
Für den GP Mexiko wurden jetzt die größten Reparaturstellen durch neue Teile ersetzt. Auch bei Red Bull drückt die Budgetobergrenze. "Neue Unterböden suínd extrem teuer. Das gleiche gilt für ihren Transport rund um die Welt", erklärte Marko.
Für eine Analyse musste diesmal Perez herhalten. Dem Lokalmatador fehlten am Ende knapp sieben Zehntel auf die Spitze. "Optimistisch hochgerechnet sollten wir mit Max zwischen Ferrari und McLaren liegen." In einem Punkt waren sich alle einig: Ferrari ist im Moment unschlagbar. Auf eine Runde und über die Distanz.