Rennanalyse GP Mexiko: Strafen-Ärger für Verstappen

Rennanalyse GP Mexiko 2024
Überreaktion oder gerechte Strafen?

GP Mexiko 2024
Zuletzt aktualisiert am 28.10.2024

Waren die Strafen gegen Verstappen gerechtfertigt?

In Austin wurde über eine Strafe gegen Lando Norris diskutiert. Sieben Tage später geriet Max Verstappen ins Visier der Schiedsrichter. Wieder lagen die beiden WM-Rivalen im direkten Clinch. Im Duell um Platz zwei griff Norris in Runde 10 auf der Außenbahn an, wurde von seinem Gegner aber neben die Strecke bugsiert. "Ich lag sowohl am Bremspunkt als auch am Scheitel vor Max. Am Ende musste ich ausweichen, um eine Kollision zu vermeiden", schimpfte der McLaren-Pilot.

Norris kürzte die Kurve ab und lag damit vor seinem Gegner. Doch Verstappen setzte nur wenig später zum Konter an. In Kurve 8 stach er innen rein, war dabei aber viel zu schnell und rutschte neben die Piste. Weil Norris nicht einlenken konnte, musste auch er in die Auslaufzone. Charles Leclerc nahm wie schon in Austin das Geschenk an und ging innen locker an beiden vorbei.

Norris vs. Verstappen - GP Mexiko 2024
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Die FIA-Kommissare kannten dieses Mal keine Gnade mit Verstappen. Für beide Manöver setzte es jeweils eine Zehn-Sekunden-Strafe, die der Red-Bull-Pilot beim Boxenstopp absitzen musste. Um keine Überhitzung zu riskieren, schaltete Verstappen beim Warten sogar den Motor aus. Die Strafe warf ihn am Ende hinter beide Mercedes auf Rang sechs.

"Es geht ihm nicht mehr um Siege. Es geht ihm nur noch darum, mich zu schlagen", gab Norris im Ziel zu Protokoll. "Ich habe viel Respekt vor Max, aber für mich war das heute kein sauberes Racing. Er weiß selbst, dass er über das Limit ging. Am Ende hat er dafür bezahlt." McLaren-Boss Zak Brown fand noch härtere Worte: "Die Strafen reichen wahrscheinlich nicht aus. Das wird langsam lächerlich. Genug ist genug! Es ist jetzt aber klar, dass die Stewards ein Auge auf ihn geworfen haben."

Christian Horner - GP Mexiko 2024
ams

Verstappen selbst wollte nicht viel zu den Strafen sagen. Dafür sprang die Führungsebene ihrem Schützling zu Seite: "Das war eine Überreaktion auf das, was in Austin passiert ist", klagte Sportchef Helmut Marko. Christian Horner brachte einen Ausdruck der Telemetriedaten zu seinem Pressetermin mit, der einen Vergleich zweier Runden von Norris zeigte.

"Lando war bei seinem Angriff 15 km/h schneller und später auf der Bremse als bei seiner schnellsten Runde", rechnete der Teamchef vor, während er mit dem Finger den Linien folgte. "Auch auf den Onboard-Aufnahmen sieht man, dass er die Kurve nie bekommen hätte." Horner nahm das Duell als Anlass für Kritik an den aktuellen Zweikampf-Regeln: "Normalerweise kontrolliert der Fahrer auf der Innenseite die Kurve, jetzt muss er Platz lassen. Wenn der Fahrer außen einen Vorteil hat, gibt es ein Chaos in den letzten fünf Rennen."

Auch Toto Wolff mischte sich in den Streit ein. Der Mercedes-Teamchef erkennt ein Umdenken bei der Regelauslegung: "Ein Fahrer wie Max wird immer ausnutzen, was die Regeln hergeben. Jetzt gibt es eine neue Interpretation. Das hat Auswirkungen darauf, wie die Fahrer künftig miteinander kämpfen. Mexiko hat also einen neuen Präzedenzfall geschaffen. Es ist nicht mehr erlaubt, einen Gegner von der Strecke zu fahren. Das sollte das Racing verbessern."

Lando Norris - GP Mexiko 2024
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Hätte Norris das Rennen gewinnen können?

Auch wenn sich Verstappen mit seiner Strafe selbst opferte, schaffte er es wenigstens, seinen WM-Rivalen im ersten Stint einzubremsen. Als der Red Bull in Runde 26 endlich an die Box ging, war der Rückstand von Norris auf Sainz schon auf 12,6 Sekunden angewachsen. Bei McLaren-Teamchef Andrea Stella hielt sich der Ärger zunächst in Grenzen: "Ich dachte, dass die Ferrari sowieso zu stark für uns sind. Doch dann war Lando im zweiten Stint plötzlich genauso schnell. Ohne die Zwischenfälle am Anfang hätte er vielleicht um den Sieg kämpfen können."

Auf den harten Reifen holte Norris im Schlussspurt immer mehr auf. Es reichte immerhin noch, Charles Leclerc einzufangen und einen Ferrari-Doppelsieg zu verhindern. Der Monegasse konnte einen Quersteher in der Zielkurve in Runde 63 gerade noch abfangen, geriet aber neben die Piste und musste seinen Verfolger kampflos passieren lassen. Teamchef Frederic Vasseur regte sich nach dem Rennen auf, dass überrundete Fahrer nicht rechtzeitig Platz machten und Leclerc nur deshalb unter Druck geraten war.

Zak Brown - GP Mexiko 2024
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Warum war Sainz in Mexiko so überlegen?

Am Ende rollte Carlos Sainz mit 4,7 Sekunden vor Norris ins Ziel. McLaren-Chef Stella konnte mit der Niederlage leben. "Das Wichtigste ist für mich, dass unser upgegradetes Auto mit Ferrari mithalten kann – und das auf einer Strecke, die ihnen eigentlich mehr liegen müsste. Das ist ein gutes Zeichen für die nächsten Rennen." Sainz erwischte in Mexiko ein echtes Sahnewochenende. Dem Spanier half dabei, dass sein Auto von der ersten Runde an gut aufgestellt war.

Leclerc musste seinen Ferrari in der Auftaktsession an Juniorfahrer Ollie Bearman abgeben. Danach folgte ein Reifentest im zweiten Training, der keine Setup-Arbeit erlaubte. Das dritte Training reichte für Leclerc nicht aus, eine perfekte Balance und ein gutes Gefühl für den Grip zu finden. Vasseur deutete zudem an, dass der Monegasse im Rennen mehr in Sachen Kühlung managen musste als sein Teamkollege.

Auch Norris und Verstappen setzten im ersten Training unfreiwillig aus und hechelten der verlorenen Zeit anschließend hinterher. Bei Red Bull sorgte am Freitag auch noch ein Leck in der Turbo-Ansaugung für eine Rundendiät. Im Rennen musste Verstappen mit einem älteren Aggregat fahren, dem es an Leistung fehlte. "Da haben uns auf der Geraden 3 bis 5 km/h gefehlt", rechnete Marko vor. Der Grazer deutete an, dass Verstappen schon in Brasilien eine Startplatzstrafe für den Einbau eines neuen Triebwerks in Kauf nehmen könnte.

Lawson vs. Perez - GP Mexiko 2024
Red Bull

Was ging alles bei Perez schief?

Der erhoffte Befreiungsschlag beim Heimspiel fiel für Sergio Perez aus. Der Mexikaner beklagte wie schon in Austin ein fehlendes Gefühl auf der Bremse. Im Qualifying war schon nach der ersten K.O.-Runde Schluss. Das Rennen begann dann mit einem Fehlstart, weil er einen Meter über seine Startbox rollte. Vor dem Absitzen der Fünf-Sekunden-Strafe kollidierte Perez auch noch mit Toro-Rosso-Pilot Liam Lawson. "Der Seitenkasten hatte ein Loch und am Unterboden fehlte ein Teil", ärgerte sich Horner. "Insgesamt hat er 70 Punkte an Abtrieb verloren."

Dem Teamchef geht langsam die Geduld aus. Trotz Vertrag für 2025 droht Perez nun der Rauswurf: "Er weiß selbst, dass in der Formel 1 nur die Ergebnisse zählen. Bleiben die Leistungen regelmäßig unter den Erwartungen, muss man sich das genauer anschauen. Wir sind darauf angewiesen, dass beide Autos regelmäßig punkten." Horner wollte auf direkte Nachfrage nicht ausschließen, dass Perez noch vor Saisonende gehen muss: "Wir haben alles getan, was möglich ist. Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem einfach nichts mehr geht. Dann müssen schwierige Entscheidungen getroffen werden."

George Russell vs. Lewis Hamilton - GP Mexiko 2024
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Wie gut ist das Mercedes-Upgrade?

Mercedes nutzte das Mexiko-Wochenende notgedrungen für einen Vergleich des USA-Upgrades mit dem alten Paket. Russell hatte seinen neuen Unterboden in Austin beschädigt. Somit stand nur ein neues Kit für Lewis Hamilton zur Verfügung. Ein Unterschied war aber praktisch nicht zu erkennen. Im Qualifying brummte Russell seinem Teamkollegen sogar drei Zehntel auf. Im Rennen drehte Hamilton die Reihenfolge durch einen besseren Start kurzzeitig wieder um, doch dann schaffte sein Stallrivale in Runde 15 schnell den Konter.

Nur dank eines Frontflügel-Defekts bei Russell setzte sich das Upgrade am Ende doch noch durch. "Einer der Flaps ist gebrochen, als George aus der Box kam und im Duell mit Piastri eine Bodenwelle traf. Vielleicht haben auch Luftverwirbelungen eine Rolle gespielt", grübelte Wolff. Warum das Upgrade nicht deutlicher überlegen war, konnte der Teamchef nicht erklären: "Die Upgrade-Teile zeigen ein Verhalten, das wir nicht verstehen. Wir hatten die Unfälle in Austin. Das Auto ist wie auf einer Rasierklinge. Wir werden das in Brasilien noch einmal untersuchen. Aus der Leistung hier lässt sich aber noch nicht schließen, welches Paket besser ist."