GP Kanada 2025: Analyse Training & Longrun-Zeiten

Trainingsanalyse GP Kanada 2025
McLarens größter Gegner sind die Geraden

GP Kanada 2025
Zuletzt aktualisiert am 14.06.2025

Erste Bestzeit für Max Verstappen, zweite für George Russell: Wo sind die McLaren? Im ersten Training versteckten sich die WM-Spitzenreiter im Mittelfeld. Lando Norris und Oscar Piastri lieferten Daten für ein neues Aero-Paket. Ihr Angriff im zweiten Training brachte sie näher an die Spitze heran, aber trotzdem nicht ganz nach vorne. Piastris Fazit: "Der Tage endete besser als er angefangen hat. Aber es muss noch besser werden."

Russell stellte die Tagesbestzeit auf, die umso beeindruckender war, weil sie mit den härteren Medium-Reifen herausgefahren wurde. Die Fahrer auf den Ehrenplätzen waren fast ausnahmslos auf Soft-Reifen unterwegs. Was die Frage aufwirft, ob der C5-Gummi (Medium) so wie in Imola in der Qualifikation vielleicht nicht doch der bessere Reifen ist. Red Bull, Mercedes und Aston Martin würden sie mit Ja beantworten.

In den Longruns geht es so eng her wie in den schnellsten Runden. Russell hatte auf den Medium-Reifen nur einen hauchdünnen Vorsprung auf Norris, Piastri und Verstappen. Mercedes, McLaren und Red Bull sprachen davon, dass die Fahrzeugabstimmung noch Feintuning braucht. Red Bull will sogar auf den Stand des ersten Trainings zurückgehen, als sich das Auto noch stabiler anfühlte. Der Großteil des Feldes spulte den Longrun auf dem Medium-Reifen ab. Alonso schwamm mit Soft-Gummis und die Sauber-Piloten mit den harten Reifen gegen den Strom. Nico Hülkenberg meinte nach einem arbeitsreichen Trainingstag: "Wir werden in Bezug auf die Reifenwahl vielleicht umdenken müssen. Der Soft-Reifen hält länger als erwartet."

Lando Norris - McLaren  - GP Kanada 2025 - Montreal - Formel 1
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Sechs Dinge, die Sie wissen müssen:

1) Was ist mit McLaren los?

McLaren brauchte lang, um in den Top 6 aufzutauchen. Der halbe Vormittag ging mit Aerodynamikmessungen drauf. Oscar Piastri fuhr mit Aero-Messgittern, Lando Norris mit viel Flowviz. Das hatte Gründe. McLaren brachte ein neues Frontflügel-Konzept an den Start und einen effizienteren Heckflügel, der auch in Spa, Baku und Las Vegas funktionieren soll. Dazu eine neue Geometrie der Vorderachse, die Norris wieder mehr Gefühl beim Einlenken geben soll. Aber hilft sie auch Piastri? Der Australier lag so weit hinter Norris wie schon lange nicht mehr. Zwischen drei und fünf Zehntel.

Erst als die McLaren-Piloten im zweiten Training mit Soft-Reifen ausrücken durften, kamen sie ihren gewohnten Positionen ein Stückchen näher, aber nicht nahe genug. Norris landete mit 28 Tausendstel Rückstand auf George Russell auf dem zweiten Platz. Der Engländer fuhr aber bei seiner Bestzeit die härteren Reifen. Piastri verbesserte sich auf den sechsten Platz. Sein Rückstand auf die Freitags-Pole betrug aber stolze 0,439 Sekunden. Der WM-Spitzenreiter entschuldigte sich: "Ich war auf der Suche nach dem besten Fenster für die Reifen, habe aber noch nicht genug Fortschritte gemacht."

Piastri glaubt, dass McLaren in Montreal härter um den Sieg kämpfen muss als anderswo. "Das sieht man an den engen Abständen." Montreal ist sicher nicht die Paradestrecke für McLaren. Im Topspeed liegen die Papaya-Renner im hinteren Drittel, was bei drei langen Geraden ins Gewicht fällt. Der Unterschied zu Red Bull betrug bis zu sieben km/h, zu Mercedes waren es fünf km/h.

Max Verstappen - Red Bull - GP Kanada 2025 - Montreal - Formel 1
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2) Wer ist Favorit: Verstappen oder Russell?

Max Verstappen gewann das erste Training, George Russell das zweite. Während man bei Verstappens Bestzeit auf Soft-Reifen vom Max-Faktor sprechen darf, zeigte sich Mercedes als Team stark. Russell markierte mit 1.12,123 Minuten auf Medium-Reifen die Tagesbestzeit. Andrea Kimi Antonelli war knapp drei Zehntel dahinter auf Soft-Reifen Dritter. Neue Strecken beflügeln den Italiener. Antonelli hatte schon in Miami geglänzt.

Die Mercedes-Fahrer waren mit der Balance ihrer W16 prinzipiell zufrieden. Eine Modifikation am Unterboden hat ein bisschen mehr Abtrieb gebracht. Nach einem Vergleichstest zwischen alter und neuer Hinterachse im ersten Training waren beide Autos am Nachmittag mit der Neukonstruktion ausgerüstet. Ob die Reifen wegen der moderaten Asphalttemperaturen von 38 Grad oder wegen der geänderten Mechanik im Heck bi den Longruns im Lot blieben, konnten nicht ganz geklärt werden. Vermutlich ein Mix aus beidem.

Verstappen machte nach der ersten Trainingssitzung ein zufriedenes Gesicht. Endlich war sein Red Bull mal wieder von der ersten Runden in Form. Zwei minimale Setup-Änderungen für den zweiten Trainingsabschnitt hatten dann laut Sportchef Helmut Marko negative Folgen. Das Auto sprang wieder über die Randsteine und war instabil. "Das zeigt, wie eng das Fenster unseres Autos ist." Red Bull wird für Samstag wieder auf die Ausgangs-Spezifikation zurückbauen. Deshalb gab sich Marko optimistisch: "Wenn das Auto wieder so gut ist wie am Anfang, sind wir bei der Musik. Komischerweise haben sich die Änderungen im Longrun nicht so stark ausgewirkt wie auf eine Runde. Da sind wir auf einem Niveau mit Piastri." Neu ist: Mit Mercedes gibt es einen weiteren Gegner.

Lewis Hamilton - Ferrari - GP Kanada 2025 - Montreal - Formel 1
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3) Wie stark ist Ferrari?

Nach 14 Runden war Ferrari ein Einmann-Team. Charles Leclerc streifte in FP1 mit seinem Auto völlig unnötig die Mauer, schlug sich dabei auf der linken Seite beide Räder ab. Das linke Vorderrad beschädigte das Chassis. Damit war der Tag für Leclerc gelaufen. Da war es wenig Trost, dass er zu diesem Zeitpunkt an der Spitze lag.

Lewis Hamilton beendete die beiden Trainingssitzungen auf den Plätzen fünf und acht und sah dabei nicht zwingend wie ein möglicher Sieger aus. Auch der Longrun, die eigentliche Stärke des Ferrari, verlief enttäuschend. Hamilton war sogar langsamer als die Williams-Piloten und Pierre Gasly.

Alexander Albon - Williams - GP Kanada 2025 - Montreal - Formel 1
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4) Kann Williams den Favoriten in die Suppe spucken?

Williams ist nach der Nullrunde in Barcelona wieder zurück. Teamchef James Vowles schiebt es auf die Strecke: "Montreal ist das totale Gegenteil von Barcelona. Unser Auto verliert zu viel Zeit in Kurven mit langen Radien. Es ist zwar besser geworden, aber immer noch nicht gut genug. In Montreal ist alles das gefordert, was unser Auto kann. Topspeed, Bremsstabilität und Traktion."

Mit den Plätzen vier und sieben deuteten Alexander Albon und Carlos Sainz an, dass sie sichere Kandidaten für das Q3 sind. Sainz macht sich Hoffnungen auf eine gute Platzierung: "Das Ergebnis im ersten Training war sicher irreführend, aber wir haben auch im zweiten Training gezeigt, dass wir hier ein starkes Auto haben." Auch die Dauerläufe waren vielversprechend. Albon fehlten im Schnitt nur ein paar Hundertstel auf Antonelli. Der Thailänder war allerdings auch fünf Runden weniger lang unterwegs als der Mercedes-Pilot.

Fernando Alonso - Aston Martin - GP Kanada 2025 - Montreal - Formel 1
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5) Setzt Aston Martin Aufwärtstrend fort?

Fernando Alonso machte den ganzen Tag eine starke Figur. Der Spanier beschränkte sich auf den C6-Reifen und lag im direkten Zeitvergleich immer innerhalb einer halben Sekunde mit der Spitze. Am Ende wurde er mit nur 0,335 Sekunden Rückstand exzellenter Fünfter.

Montreal ist historisch betrachtet eine gute Strecke für Aston Martin und für Alonso. Es gibt nur einen Kurventyp. Darauf lässt sich auf ein eher heikles Auto gut abstimmen. Lance Stroll gab seiner verletzten rechten Hand unfreiwillig Schonung. Nach 25 Runden im ersten Training, schlug er sich im zweiten nach nur zwei Runden beim Beschleunigen aus Kurve 6 heraus das linke Vorderrad an der Mauer ab.

Pirelli - GP Kanada 2025 - Montreal - Formel 1
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6) Ist der Medium-Reifen schneller als der Soft?

Einige Teams haben sich im Vorfeld schon darauf festgelegt, mindestens einen Satz Medium-Reifen für die Qualifikation aufzuheben. Aston Martin und Mercedes wurden am ersten Trainingstag hauptsächlich Soft-Reifen los. Es sieht so aus, als wäre die bessere Seitenstabilität des Medium-Gummis die bessere Trumpfkarte als der bessere Grip der C6-Mischung. George Russell bestätigte das indirekt mit seiner Tagesbestzeit.

Max Verstappen dagegen bestritt das gesamte zweite Training auf den Medium-Reifen. Am Morgen hatte er mit der Soft-Mischung die Bestzeit erzielt. Da der Red Bull in den frühen Abendstunden etwas die Balance verlor, spricht das eher für den Medium-Reifentyp. Red-Bull-Sportchef Helmut Marko legte sich bereits fest: "Der Medium ist der bessere Reifen." Williams-Teamchef James Vowles würde, Stand heute, dem Soft-Reifen den Vorzug geben. "Wir fahren jetzt schon zum dritten Mal den C6-Reifen und verstehen ihn immer besser. Ich glaube, dass er am Ende leicht schneller sein wird."