Kanada-Training: Was ist die Alonso-Bestzeit wert?

Fernando Alonso an der Spitze, Lando Norris ganz am Ende der Tabelle – ein kurzer Blick auf das Klassement zeigt, dass an diesem Freitag (8.6.) in Montreal nicht alles normal ablief. Regen in unterschiedlichen Intensitäten sorgte immer wieder für wechselnde Streckenbedingungen. Dazu fuhren die Teams auch noch unterschiedliche Programme. Der neue Asphalt sorgt für eine weitere Variable.

Die Aussagekraft der Zeiten ist somit begrenzt. Ganz vernachlässigen sollte man das Ergebnis aber nicht. In der ersten Hälfte der zweiten Session drehten die Piloten immerhin 30 Minuten lang Runden mit Slicks. Die Zeiten lagen am Ende nur zwei Sekunden über denen der zweiten Trainingseinheit des Vorjahres. So schlecht waren die Bedingungen also nicht.

Daten nicht unbrauchbar

Fernando Alonso wollte seine Bestzeit selbst natürlich nicht überbewerten: "Es gibt dazu nicht viel zu sagen. Wir haben keine Runden bei richtig trockenen oder richtig nassen Bedingungen drehen können. Das war immer irgendwo mittendrin. Aber so könnte es im Qualifying oder Rennen auch sein. Deshalb sind die Informationen nicht komplett unbrauchbar."

Bei mehr als viereinhalb Zehntel Vorsprung bedarf es dann aber doch einer genaueren Erklärung: "Wir haben nichts Besonderes gemacht", zuckte Teammanager Andy Stevenson mit den Schultern. "Was die Abläufe angeht, haben wir das zweite Training wie ein Qualifying behandelt, weil die Bedingungen morgen ähnlich sein können. Aber wir sind natürlich nicht mit komplett leeren Tanks gefahren", stellte der Brite klar.

In die Analyse muss man einbeziehen, dass Aston bei seinen schnellsten Runden das DRS geöffnet hatte, während andere Teams den Klappflügel nicht aktivierten. Einberechnen muss man auch, dass Ferrari und McLaren ihre Fahrer im Gegensatz zu allen anderen mit Medium-Reifen auf die Bahn schickte.

Allerdings darf auch nicht unerwähnt bleiben, dass Alonso am Ende der ersten Trainingshalbzeit, als die Strecke den meisten Grip bot, mit Graining kämpfte. Zu dem Zeitpunkt, als George Russell – ebenfalls mit Soft bereift – die zweitschnellste Runde der Session drehte, konnte Alonso nicht mehr nachlegen – und war trotzdem deutlich schneller.

Reifen-Nachteil als Trumpfkarte?

Der dritte Platz von Lance Stroll unterstrich die gute Form des Werksteams aus Silverstone. "Lance fühlt sich bei solchen Bedingungen immer wohl", lobt Stevenson den Lokalmatador. Und dann lieferte der Teammanager am Ende doch noch einen Erklärungsansatz, für die gute Vorstellung: "Vielleicht haben wir heute einfach die Reifen auf Temperatur gebracht, wo es anderen nicht so gut gelungen ist."

Hier könnte Aston Martin aus einer Schwäche eine Stärke machen. Das Auto ist bekannt für seinen erhöhten Reifenverschleiß. Dafür zündet der AMR24 die Gummis im Qualifying aber auch immer sehr schnell an. Das könnte bei kühlen und feuchten Bedingungen zur Trumpfkarte werden. Der Verschleiß ist auf Nässe dagegen kaum ein Thema. Und mit Alonso hat man einen Fahrer im Cockpit, der bei wechselnden Bedingungen weiß, wie er die Reifen behandeln muss.

Der Spanier wittert schon ein gutes Ergebnis – so wie im Vorjahr, als er in Montreal Zweiter wurde: "Ab morgen müssen wir hellwach sein. Im Rennen kann eine richtige Entscheidung fünf Sekunden wert sein. Bei einer falschen Entscheidung ist man schnell raus. Das wird für Euch da draußen ein interessantes Wochenende. Für uns wird es ein Glücksspiel, welche Reifen wir aufziehen müssen. Mal sehen, ob wir die richtigen Entscheidungen treffen."