George Russell musste um Worte ringen. Der Engländer hatte wenige Augenblicke zuvor die erste Pole-Position bei seinem Heim-Grand-Prix gelandet. "Es ist eines der besten Gefühle, das ich jemals an einem Samstagnachmittag hatte." Als der 26-Jährige im dritten Qualifying-Segment auf die Strecke fuhr, konnte er noch mehr Speed aus seinem W15 herauskitzeln. "Das Auto ist quasi zum Leben erweckt. Es fuhr wie auf Schienen."
In die gleiche Kerbe schlug sein Teamkollege Lewis Hamilton, der innerlich zwar enttäuscht über die nächste Quali-Niederlage gegen Russell sein dürfte, aber das Sensationsergebnis für die Silbernen mit Platz zwei abrundete. "Das Auto hat sich großartig angefühlt. Das Ergebnis gibt dem Team einen riesigen Boost."
George Russell stellte den Mercedes in Silverstone auf die Pole-Position.
Mercedes-Updates fruchten
Die ehemaligen Formel-1-Dominatoren kehren peu à peu an die Spitze zurück. Das Ergebnis erinnert an die alten Zeiten, als Mercedes die Königsklasse im Würgegriff hatte. Die Gründe für die Wiederauferstehung von Mercedes liegen in der Fahrzeugentwicklung. Zu Beginn der Saison schien es noch so, dass die Ingenieure im Dunkeln tappten. In den vergangenen Jahren warfen die Mercedes-Techniker immer wieder große Upgrade-Pakete an die Autos. Die theoretische Zeitenverbesserung ließ sich auf der Strecke nicht immer in die Realität umsetzen.
Mercedes kehrte deshalb in dieser Saison davon ab, sich mit den Paketen selbst zu verwirren. Sie änderten die Philosophie und entschieden sich für die Politik der kleinen Schritte. Das Team bringt nun bei fast jedem Rennen Updates, aber viel kleinere als zuvor. Das hilft, die Teile besser zu verifizieren.
In Silverstone gab es etwas für den Front- und Heckflügel sowie an den Bremshülsen. Das waren jedoch eher streckenspezifische Updates. Nachdem es am Trainingsfreitag noch Probleme gegeben hatte, entschied man sich bei Mercedes dafür, das Setup zu verändern. Das Ergebnis gab ihnen recht. Bereits im feuchten dritten Training landeten Russell und Hamilton auf den ersten beiden Plätzen.
In Budapest gibt es schon die nächsten Updates für den Silberpfeil von Lewis Hamilton.
Wolff lobt die Resilienz im Team
Teamchef Toto Wolff zollte seiner Truppe Respekt und erinnerte an den Beginn des Jahres. "Wir haben in den letzten Monaten eine Achterbahnfahrt hingelegt und das war manchmal echt hart. Nach Silverstone zu kommen und die erste Startreihe zu belegen, ist eine großartige Belohnung für alle in Brackley."
Dennoch warnte der Österreicher davor, nach dem Qualifying nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. "Trotz des Ergebnisses zählt der heutige Tag nicht viel. Wir müssen morgen unseren Job machen. Lando Norris hat mit dem McLaren unglaublich schnell ausgesehen." Wolff sieht den Reifenverschleiß als Schlüssel. "Lando hinter uns zu halten, wird eine schwierige Aufgabe sein. Das Rennen morgen könnte vom Reifenabbau bestimmt werden."
Sein McLaren-Pendant Andrea Stella widersprach seinem Kollegen. "Ich glaube nicht, dass der Reifenverschleiß hier in Silverstone so eine große Rolle spielt. Meiner Meinung nach werden wir hier nicht unseren Vorteil beim Abbau ausspielen können." Stella lobte viel mehr den Fortschritt des Konkurrenten. "Mercedes hat verstanden, was sie mit ihrem Auto machen müssen, um besser zu werden. Sie sind nicht nur auf einer bestimmten Strecke schnell, sie zeigen ehrliche Pace."
Und die Konkurrenz muss vor dem wiedererstarkten Imperium gewarnt sein. Schon beim nächsten Rennen in Budapest gibt es die nächsten Updates. Mit diesen hofft Mercedes die letzten Zeitspäne zu Red Bull und McLaren weggefräst zu haben.
