Trainingsanalyse Silverstone: Ferrari schreckt McLaren auf

Trainingsanalyse GP England 2025
Ferrari schreckt McLaren auf

GP Großbritannien 2025
Zuletzt aktualisiert am 04.07.2025

Pünktlich zur Halbzeit der Formel-1-Saison gibt Ferrari ein Lebenszeichen ab. Der Traditionsrennstall, der immer noch seinem ersten Saisonsieg hinterherfährt, bekam schon beim GP Österreich mit einem neuen Unterboden die zweite Luft. Am Ende fehlten in Spielberg noch 20 Sekunden auf die Sieger. Doch nach dem ersten Trainingstag in Silverstone sieht es nun nach mehr Gegenwehr für McLaren aus.

Lando Norris markierte auf heimischen Boden zwar eine überlegene Bestzeit, doch das war die einzige Runde, der Ferrari nichts entgegenzusetzen hatte. Charles Leclerc und Lewis Hamilton drehten ihre besten Runden erst im zweiten Anlauf, weil sie im ersten Versuch über Fehler oder Verkehr gestolpert waren.

Im Longrun waren die Ferrari-Piloten unter dem Strich so gut wie ihre Kollegen von McLaren. Die Tifosi dürfen hoffen, doch Teamchef Frédéric Vasseur bremst: "Hebt uns nicht in den Himmel. Sonst reden wieder alle von einem Desaster, wenn am Ende nur der sechste Platz rausspringt."

Red Bull haderte mit dem Speed über eine Runde. Untersteuern in zwei Kurven bremste Max Verstappen ein. Im Longrun ist der Niederländer bei der Musik. Mercedes dagegen hofft auf weniger Wind und kühleres Wetter. Einmal mehr wurden die Hinterreifen zu heiß. Im Moment sind George Russell und Andrea Kimi Antonelli noch weit davon entfernt, die Pole-Position vom Vorjahr wiederholen zu können.

Lando Norris - McLaren - GP England 2025 - Silverstone - Formel 1
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Sechs Dinge, die Sie wissen müssen:

Hamilton-Faktor oder Ferrari-Renaissance?

Ferrari lebt. "Das war der beste Freitag, den wir in dieser Saison hatten", lobte Teamchef Frédéric Vasseur einen Tag, an dem Lewis Hamilton die Bestzeit im ersten Training aufstellte und Charles Leclerc mit der zweitschnellsten Runde aus der zweiten Sitzung ging. Der Rückstand auf die Bestzeit von Norris betrug 0,222 Sekunden. Lewis Hamilton fehlten 0,301 Sekunden. Hört sich nach viel an, doch im Gegensatz zu den McLaren-Piloten stellten Leclerc und Hamilton ihre persönlichen Bestzeiten erst im zweiten Anlauf mit den Soft-Reifen auf. Im ersten Versuch bauten sie Fehler ein. Und Hamilton klagte in der zweiten Runde über Verkehr.

Lewis Hamilton ist in Silverstone immer für ein bis zwei Zehntel gut. Im ersten Training fuhr der neunfache Silverstone-Sieger wie auf Bestellung Bestzeit. Im zweiten Training reichte es trotz Fehlern und Verkehr zur drittschnellsten Zeit. Den ersten Versuch brach er nach einem Wackler im zweiten Sektor ab. Der Engländer sieht sich für sein Heimspiel gut gerüstet. "Wir hatten im Gegensatz zu McLaren und Red Bull keine Upgrades dabei und sind trotzdem bei der Musik. Das zeigt, dass wir aufgeholt haben. Heute war es noch nicht ganz perfekt, aber ich weiß, was ich am Auto ändern muss."

Die Ferrari hinterließen vor allem in den Longruns einen exzellenten Eindruck. Leclerc drehte deutlich mehr Runden als Max Verstappen, Lando Norris und Oscar Piastri und war im Schnitt trotzdem so schnell wie sie. "Dabei ist Charles den Dauerlauf ein bisschen zu aggressiv angegangen", verrät Vasseur. Hamilton splittete seine Rennsimulation in zwei Portionen. In der ersten mit Medium-Reifen legte er los wie die Feuerwehr, landete aber schnell in den 1.33er-Zeiten. Den zweiten Longrun mit Softs ließ er gemütlicher angehen und wurde immer schneller. Das Timing für die Ferrari-Renaissance passt. Präsident Benedetto Vigna hat seinen Besuch in Silverstone angekündigt.

Lewis Hamilton & Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP England 2025
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Muss McLaren zittern?

Die Vorstellung der McLaren war trotz der klaren Bestzeit von Lando Norris nicht so souverän wie fünf Tage zuvor in Österreich. Norris gelang wie schon in Spielberg eine Runde, die den Rest des Feldes alt aussehen ließ. Oscar Piastri war mit seiner schnellen Runde nicht zufrieden.

In den Longruns liegen die McLaren-Piloten eng zusammen, aber sie sind im Gegensatz zu sonst nicht allein. Die Ferrari-Piloten und Max Verstappen waren genauso schnell. Unter Einrechnung aller Faktoren war Ferrari sogar besser. McLaren-Teamchef Andrea Stella zeigte sich nicht überrascht: "Wir haben damit gerechnet, dass Ferrari hier stark ist."

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP England 2025
Colin McMaster via Getty Images

Warum kommt Verstappen nicht in Schwung?

Max Verstappen war nur am Schimpfen. Keine Balance. Das Auto will nicht in die Kurven einlenken. Der Wind verweht den Red Bull. Das Resultat waren vier Zehntel Rückstand auf den Soft-Reifen und eine halbe Sekunde auf den Medium-Gummis. Immerhin hatten die Ingenieure für das Nachmittagstraining leichte Verbesserungen am Setup erzielt. Am Morgen fiel der RB21 noch von krassem Untersteuern in genauso extremes Übersteuern.

Für die zweite Trainingssitzung blieb nur noch das Untersteuern. Speziell in den Kurven 6 und 7. Das sind zwei Kurven in einem Geschwindigkeitsbereich von 120 bis 140 km/h. "Dort verlieren wir alles. Im Rest der Runde sind wir so schnell wie Ferrari und McLaren", bestätigte Horner. Er verrät auch: "Der neue Unterboden tut, was er tun soll." Den hat dieses Wochenende nur Max Verstappen am Auto.

Max Verstappen und Yuki Tsunoda traten im zweiten Training auch mit unterschiedlichen Heckflügeln an, die im Vergleich zur Konkurrenz mehr auf Effizienz getrimmt sind. Die Red Bull waren die schnellsten Autos auf den Geraden. "Da müssen wir aufholen, was wir in den Kurven verlieren", spottete Sportchef Helmut Marko.

Im Dauerlauf lief es deutlich besser. "Dabei hatten wir auch da noch Probleme mit Untersteuern. Aber irgendwie hat es den Vorderreifen nicht geschadet. Im Gegensatz zu vielen anderen hatten wir vorne links kein Körnen." Der Grazer hofft, dass sich das Untersteuern noch abstellen lässt. "Wenn es dann am Samstag noch kühler wird, könnte uns das in die Karten spielen."

George Russell - Mercedes - Formel 1 - GP England 2025
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Kann Mercedes den Vorjahressieg wiederholen?

Auf die Spitze fehlen Mercedes fünf bis sieben Zehntel. Das sieht noch nicht nach einer möglichen Pole-Position aus. Den Silberpfeilen war es mit 37 bis 40 Grad auf dem Asphalt zu heiß. Die Balance der Autos passte nicht. Andrea Kimi Antonelli schlug George Russell um zwei Zehntel. Keiner der beiden Mercedes-Piloten war mit seiner Runde zufrieden. Antonelli baute einen Fehler in der Club-Schikane ein, Russell in der ultraschnellen Copse-Kurve.

Auch die Longruns verliefen enttäuschend. Im Schnitt fehlten sechs Zehntel auf die Ferrari, McLaren und Verstappen. Die Wettervorsage aber meint es gut für Mercedes. Die Temperaturen sollen ab Samstag fallen. Russell will sich damit nicht zufriedengeben: "Es darf nicht sein, dass wir jedes Mal auf unser Wetter hoffen müssen."

Die Mercedes-Piloten kämpften im englischen Sommer mit den üblichen Problemen. Sowohl auf eine schnelle Runde als auch über die Distanz überhitzten die Hinterreifen. Immer links hinten an der Innenschulter. Deshalb experimentierten beide Piloten mit ihrem Fahrstil. Es ging darum, in welcher der schnellen Kurven man am wirkungsvollsten die Hinterreifen schonen kann. Mal nahmen sie in Kurve 1 etwas Fahrt raus, mal in Kurve 15. Eine zufriedenstellende Lösung hat man bis jetzt nicht gefunden.

Oliver Bearman - Haas - GP England 2025
Sam Bagnall via Getty Images

Was können die Upgrades von Aston Martin und Haas?

Aston Martin und Haas sitzen im gleichen Boot. Beide brachten einen neuen Unterboden mit modifizierten Seitenkästen nach Silverstone. Bei Haas hat der Kühleinlass jetzt auch einen Überbiss. Es sind die letzten großen Entwicklungsschritte für die beiden Teams. Damit müssen sie den Rest der Saison leben.

Der siebte Platz von Lance Stroll gibt Hoffnung. Teamkapitän Fernando Alonso war vier Zehntel langsamer. Der Spanier schaffte keine saubere Runde. Auf dem Medium-Reifen sah die Aston-Martin-Welt weniger rosig aus. Da rangierten Stroll und Alonso in der zweiten Tabellenhälfte. Dafür passten die Longruns. Alonso startete vorsichtig in den Dauerlauf und wurde mit jeder Runde schneller. Bei Stroll war es umgekehrt.

Für Haas begann das Wochenende wie üblich. Man tut sich schwer, aus dem Stand das richtige Setup zu finden. Außerdem war man mit einem Vergleichstest beschäftigt. Esteban Ocon testete das Upgrade, Oliver Bearman war mit der alten Version unterwegs. Wenn alle mit offenem DRS fahren, fehlt den Haas weiter zu viel Topspeed. Diese Schwäche hat auch das Upgrade nicht abgestellt.

Trotzdem verbuchte Teamchef Ayao Komatsu die neuen Teile als Erfolg: "Sie funktionieren, wie erwartet. Wir müssen nur noch etwas mehr aus ihnen herausholen." Ocon sieht noch Raum für Verbesserung. "Wegen des starken Windes war es schwer herauszufinden, wie viel besser das Upgrade wirklich ist." Die Haas-Piloten fuhren am Nachmittag gegen den Trend mit harten Reifen. Deshalb sind ihre Longruns mit dem Rest des Feldes schwer zu vergleichen.

Paul Aron - Sauber - Formel 1 - GP England 2025
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Hält das Sauber-Hoch an?

Die Einzelrunden sprechen nicht dafür. Gabriel Bortoleto und Nico Hülkenberg landeten auf den Medium-Reifen nur auf den Plätzen 16 und 17. Auf die Bestzeit fehlten 1,4 Sekunden. Auf den Soft-Reifen sah es mit den Plätzen 13 und 17 etwas besser aus. Der Rückstand auf die Spitze schrumpfte auf eine Sekunde.

Hülkenberg, der am Vormittag für Rookie Paul Aron aussetzen musste, gab eine Teilschuld dem starken Wind: "Das Auto wird hin und hergeworfen." Bortoleto urteilte optimistisch: "Wir haben mit der Balance die richtige Richtung eingeschlagen." Formel-1-Projektleiter Matia Binotto war auch zufrieden. "Wir haben unsere Leistung von den letzten drei Rennen konsolidiert. Das zeigt vor allem der starke Longrun von Nico."

Hülkenberg war mit seiner Rennsimulation über neun Runden schneller als die Toro Rosso und Williams und lag gleichauf mit Aston Martin. Sauber brachte ein weiteres Upgrade an den Start. Der Unterboden bekam noch ein paar Retuschen, der Frontflügel neue Flaps in Anpassung an einen Heckflügel, der zum ersten Mal zum Einsatz kommt, früher aber schon mal getestet wurde. Binotto warnte jedoch davor, Wunderdinge zu erwarten. "Das ist im Vergleich zu den Upgrades vorher ein kleiner Schritt, der aber in die gleiche Entwicklungsrichtung zielt."