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Kalte Reifen bremsen Verstappen
Zitterpartie für Red Bull

GP Imola 2024

Lange erinnerte der GP Emilia Romagna an die übliche Verstappen-Show. Doch 20 Runden vor Schluss begann Lando Norris die Lücke zu schließen. Kalte Reifen ließen Red Bull zittern. Verstappens Reifendrama hatte eine lange Vorgeschichte.

Zitterpartie für Red Bull
Foto: xpb

Bis zur 43. Runde lief bei Max Verstappen alles nach Plan. Der Weltmeister dominierte den ersten Stint auf Medium-Reifen, und er legte auch auf den harten Sohlen einen Sicherheitsabstand von 7,5 Sekunden zwischen sich und seine Verfolger. Doch plötzlich begann Lando Norris und anfangs auch noch Charles Leclerc am Vorsprung des Holländers zu knabbern.

Innerhalb von 14 Runden schloss Norris die Lücke bis auf 1,6 Sekunden. Leclerc verabschiedete sich auf halbem Weg aus der Aufholjagd. Am Ferrari wurden die Reifen zu heiß. Verstappen klagte am Funk, dass die Vorderreifen an Grip verloren. "Ich bringe das Auto nicht mehr in die Kurven rein."

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Lando Norris war kurz davor, Max Verstappen noch abzufangen.

Zwei Runden Vorsprung eingefroren

Sechs Runden vor Schluss schien der zweite McLaren-Sieg in Folge greifbar nahe. Doch dann zeigte Verstappen wieder mal, dass er jeden Cent seiner Gage wert ist. Trotz der Schwierigkeiten mit den Reifen gelang es ihm für zwei Runden den Vorsprung quasi einzufrieren. Den Jäger traf das Aufbäumen des Gejagten psychologisch im dümmsten Moment.

Die zwei gekauften Runden waren der Schlüssel zum Sieg, denn ab der 59. Runde wurde der McLaren im Rückspiegel des Red Bull mit der Startnummer 1 wieder größer. Der Abstand fiel von 1,8 auf 1,4, dann auf 1,2 und 1,0 Sekunden. Bei der vorletzten Zieldurchfahrt lag Norris im DRS-Fenster. Zu spät. Es gab bis ins Ziel keine Gelegenheit mehr, den DRS-Vorteil zu nutzen.

Verstappen und Norris flogen in einem Abstand von 0,725 Sekunden über die Ziellinie. Das Herzschlagfinale und die Geschichte des Wochenendes von Imola waren ein weiterer Beweis dafür, dass der Vorsprung von Red Bull auf McLaren und Ferrari praktisch aufgebraucht ist. Verstappen gewann nur, weil er in den entscheidenden Momenten seine Klasse aufblitzen ließ.

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Verstappen rettete einen Vorsprung von 0,725 Sekunden ins Ziel.

Der Fehler mit zu viel Abtrieb

Red Bull ist unter Druck gekommen. Und da läuft dann auch beim Weltmeister-Team, das in den letzten beiden Jahren das Gewinnen so einfach aussehen ließ und das scheinbar ohne jeden Fehler agierte, nicht mehr alles nach Plan. Schon am Freitag zeigte sich, dass Red Bull kein normales Wochenende bevorstehen würde.

Der RB20 bockte. Das Technik-Upgrade konnte noch nicht zeigen, was es wert war. Die Fahrer klagten über wenig Grip und eine Fahrzeugbalance, die ständig schwankte. Mal passte vorne der Grip und hinten nicht, mal war das Gegenteil der Fall. Verstappen fehlte eine halbe Sekunde auf die Konkurrenz. Auf eine Runde und über die Distanz.

Jetzt waren die Ingenieure gefordert. "Wir mussten erst einmal herausfinden, woher die Probleme kamen", verrät Technikchef Pierre Waché. Ergebnis der Analyse: "Wir hatten ein Problem mit zu viel Luftwiderstand und eines mit der Balance, und wir entschieden uns, erst das eine, dann das andere zu lösen."

Aus Angst, die Reifen könnten körnen, setzten die Red-Bull-Ingenieure am Freitag auf zu viel Abtrieb. Als das Auto dann nicht in die Gänge kam, versuchte man an den beiden Enden des Fahrzeugs zu reagieren und machte alles nur noch schlimmer. Der Red Bull fiel vom Unter- ins Übersteuern und umgekehrt.

Max Verstappen - Red Bull - GP Emilia-Romagna 2024 - Imola - Formel 1 - Qualifying - 18. Mai 2024
Motorsport Images

Max Verstappen hatte in den Trainings am Freitag stark mit seinem Red Bull RB20 zu kämpfen.

Dank an Simulatorfahrer Buemi

Teamchef Christian Horner dankte nicht nur seinen Ingenieuren an der Strecke und in der Fabrik, sondern auch Simulatorfahrer Sébastien Buemi: "Er hat alle Setup-Änderungen durchprobiert und im Simulator verifiziert." Die Arbeit des dreifachen Le-Mans-Siegers war am Freitagabend noch nicht beendet. Das Auto zeigte sich im dritten Training in verbesserter Form, doch der Longrun war laut Verstappen immer noch keine Offenbarung. Also stand noch einmal Feintuning an. Das wirkte.

Die GPS-Analyse verrät, dass der Red Bull ab der Qualifikation ein anderes Auto war: "Wir waren plötzlich im zweiten Sektor schnell, wo am Freitag noch gar nichts ging", lobte Horner. Mit Verstappen am Steuer reichte das für die Pole-Position. Auch weil er geschickt den Windschatten von Hülkenberg nutzte und im ersten Sektor eine Zwischenzeit vorlegte, die alle anderen demoralisierte.

Waché wollte dem Frieden trotzdem nicht trauen. Selbst der Simulator gab keine endgültige Antwort darauf, ob die getroffenen Setup-Einstellungen auch über die Distanz funktionieren würden. Umso größer die Erleichterung, als Verstappen seinen Gegnern im ersten Stint auf den Medium-Reifen um 6,5 Sekunden davonlief.

Formel E - Mexiko 2024 - Sébastien Buemi - Envision-Jaguar
Motorsport Images

Formel-E-Pilot und Red-Bull-Simulatorfahrer Sébastien Buemi hatte maßgebenden Anteil am Verstappen-Sieg.

Verstappen stand kurz vor einer Strafe

Auch auf den harten Reifen ging es in dem Stil weiter. "Wir hatten alles Kontrolle bis ab der 40. Runde die Reifentemperaturen in den Keller fielen", erzählte Horner. Verstappen litt Höllenqualen im Cockpit. "Ich hatte einfach keinen Grip mehr, bin nur noch herumgerutscht. Es war wie auf Eis. In Tosa hatte ich das Gefühl, dass ich in der Tribüne lande, wenn ich es übertreibe. Lando kam immer näher, und ich konnte nichts tun. In der Phase ging es nur darum, keinen Fehler zu machen und so gut es ging, um die Probleme herumzufahren."

Der Eiertanz wurde noch dadurch erschwert, dass Verstappen bei der Rennleitung vorgemerkt war. Der Niederländer hatte wegen der Schwierigkeiten bereits drei Mal die Streckenlimits überschritten. Ein weiteres Mal, und eine Strafe wäre fällig gewesen. Und die hätte auf jeden Fall den Sieg gekostet.

Der Weltmeister glaubt, dass ihn am Ende der gute Topspeed gerettet hat, den Red Bull nach dem Umbau des Autos wiedergefunden hatte. Dazu kam natürlich auch, dass bei Norris die Reifen unter der Aufholjagd gelitten hatten. Sie wurden zu heiß, und der McLaren-Pilot musste ihnen zwei Runden lang eine Erholungsphase gönnen.

xpb

McLaren schließt die Lücke auf Red Bull. Teamchef Christian Horner warnt vor dem Traditionsteam.

Innen zu kalt, außen zu heiß

Doch warum trat bei Red Bull das Gegenteil ein? "Es lag am Setup, nicht am Verschleiß. Wir sind mit den Reifen aus dem Arbeitsfenster gefallen", ist sich Waché sicher. Mit dazu beigetragen hat wohl auch, dass Verstappen bei dem beruhigenden Vorsprung ein bisschen zu viel die Reifen geschont hat. Und das tat den Reifen mit der gewählten Abstimmung nicht gut.

Ganz offenbar wurden die Vorderreifen nicht stark genug belastet, was die Temperaturen im Mantel sinken ließ. Pirelli-Reifenchef Mario Isola erklärt, was dann leicht passieren kann. "Der Fahrer merkt Gripverlust, versucht das zu kompensieren, rutscht herum und erzeugt auf der Oberfläche damit zu viel Temperatur. Das wird dann zum Teufelskreis. Das ist aber nur eine Vermutung. Wir haben so kurz nach dem Rennen noch keine Daten, die das bestätigen."

Die Kombination innen zu kalt und außen zu heiß ist ein Zustand, aus dem man sich kaum noch befreien kann. Horner übte Selbstkritik. "Wir hätten vielleicht am Freitag mal die harten Reifen probieren sollen, statt uns zwei Sätze für das Rennen aufzuheben. Dann hätten wir bessere Informationen über diesen Reifentyp gehabt."

Der Engländer zog nach dem fünften Sieg im siebten Rennen Bilanz: "Wir werden in Zukunft mehr Rennen mit knappem Ausgang sehen. Das ist ein normaler Prozess, wenn die Regeln stabil bleiben. McLaren hat sich bei der Philosophie seines Autos stark an uns angelehnt. Wir haben an einem Wochenende, an dem nicht alles glattlief, gezeigt, dass wir auf Schwierigkeiten eine Antwort wissen. Das zeigt, wie stark unser Team ist."

Max Verstappen verließ Imola als Doppelsieger. In der realen Welt gewann er auf Red Bull den Grand Prix der Emilia-Romagna. Schon vorher holte er sich als SIM-Racer in einem BMW M3 den Sieg bei den 24 Stunden am Nürburgring.

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