Wie dominant waren die McLaren in China?
Die Sorge im Formel-1-Fahrerlager vor einem McLaren-Durchmarsch war nach dem Saisonauftakt in Melbourne groß. Zu überlegen hatten sich die MCL39 von Lando Norris und Oscar Piastri präsentiert. Nur der Regenschauer am Ende vereitelte einen Doppelsieg.
Diesen holten die McLaren-Boys in Shanghai beim zweiten Grand Prix der Saison nun nach. Oscar Piastri überquerte vor Lando Norris die Ziellinie. Nach der Pole-Position am Samstag (22.3.) exekutierte der 23-Jährige das Rennen perfekt. Nach dem GP blieb der Australier aber gewohnt cool. "Es war ein unglaubliches Wochenende von Anfang bis Ende. Das Auto hat sich super angefühlt. Das Team hat einen super Job gemacht. Es war ein verdienter Sieg nach letzter Woche."
Teamkollege Lando Norris hatte am Start sofort George Russell (Mercedes) überholen können. Zwar musste der Australien-Sieger Russell wegen eines Undercuts seinen englischen Landsmann kurz ziehen lassen, rückte das kleinere Malheur auf der Strecke aber wieder gerade. Danach setzten sich die beiden McLaren-Piloten vom Rest des Feldes ab. Doch bei Norris ging kurz vor Rennende die Sorge um, noch seinen zweiten Platz zu verlieren. Ein Bremsproblem an seinem Auto beschäftigte die Ingenieure an der Box. Nach dem Rennen schnaufte der WM-Leader durch: "Das ist ein Albtraum, wenn die Bremsen nachlassen. Es war angsteinflößend, aber es hat ja hingehauen am Ende."
Auch wenn McLaren auf und davon fuhr, wollte Teamchef Andrea Stella nicht von einem dominanten Rennen sprechen. "Die Abstände waren nicht so groß. Ich habe eine andere Meinung, was die vermeintliche Dominanz angeht. Außerdem hatten wir nicht damit gerechnet, dass George (Russell) an Lando vorbeikommt." Trotz der Aussagen bleibt festzuhalten: Gegen die McLaren ist momentan kein Kraut gewachsen.

Sowohl Charles Leclerc als auch Lewis Hamilton kassierten in China eine Disqualifikation.
Warum wurden beide Ferrari disqualifiziert?
Das sah am Samstag (22.3.) noch anders aus. Da jubelte Lewis Hamilton noch über seinen ersten Sprint-Sieg und Erfolg für Ferrari, am Sonntag fuhren Charles Leclerc und Hamilton auf den Plätzen fünf und sechs ins Ziel.
Zwar überholten beide am Start Max Verstappen (Red Bull), doch Leclerc fuhr sich ausgerechnet beim Teamkollegen die linke Endplatte seines Frontflügels ab. Der Monegasse erklärte im Anschluss die Situation. "Ich glaube nicht, dass jemand von uns was falsch gemacht hat. Ich war innen und dachte Lewis bleibt außen, aber er kam dann doch nach innen vor Kurve 2. Ich hatte damit nicht gerechnet, das ist ein bisschen dumm gelaufen." Leclerc verlor laut eigener Aussage 30 Punkte Abtrieb. Trotzdem entschied man sich bei Ferrari, die Nase nicht zu wechseln. Der Zeitverlust wäre zu hoch gewesen.
Im Anschluss des Rennens kam dann der Schock: Das Auto war zu leicht. Und das lag nicht nur am Frontflügel, der leichter wurde wegen des fehlenden Gewichts. Die FIA-Inspektoren stellten fest, dass das Auto mit einem Ersatzflügel und abgetankt 799 Kilogramm wog. Damit war man ein Kilo unter dem Limit und wurde disqualifiziert. Ferrari unterlief der gleiche Fehler wie George Russell in Spa 2024. Dort verlor der Reifen wegen der unerwarteten Ein-Stopp-Strategie zu viel Gummi und machte den Mercedes damals zu leicht.
Und um das Desaster abzurunden, disqualifizierte die Rennleitung auch noch Lewis Hamilton. Die Schutzblöcke an seinem Unterboden waren zu stark verschlissen. Normalerweise müssen diese mindestens neun Millimeter dick sein. An Hamiltons Rennwagen waren sie auf der linken Seite und in der Mitte nur 8,6 Millimeter sowie rechts 8,5 Millimeter dick. Ferrari verlor auf einen Schlag 18 Punkte in Shanghai. Ebenfalls disqualifiziert wurde Pierre Gasly. Sein Alpine war nach Ablassen des Sprits ein Kilogramm zu leicht.

Im Rennen hielten die Reifen besser als erwartet. Die Ein-Stopp-Strategie erwies sich in China als bessere Wahl.
Wieso hielten die Reifen besser als erwartet?
Es war das Thema vor dem GP in China: Wie lange halten die Reifen im Rennen? Bereits im einzigen Training am Freitag klagten die Piloten über Graining. Vor allem das linke Vorderrad stand bei den schnellen Rechtskurven im Fokus. Keiner hatte damit gerechnet, nur mit einem Stopp die 56 Runden zu bewältigen. Im Rennen entwickelte sich dann alles anders. George Russell funkte bereits im ersten Renndrittel, dass er glaubt, er könne mit nur einem Stopp zu Ende fahren. Und das, obwohl der Drittplatzierte in Runde 14 vom Medium auf den harten Pneu gewechselt hatte.
Die Mercedes-Strategen klärten auf: "Wir hatten gesehen, dass der C3 sich im ersten Stint besser entwickelt hat, als wir erwartet hatten. Und es war klar, dass der harte Reifen ohnehin robuster sein würde." Dennoch war es bei den Silberpfeilen eine knappe Entscheidung, die Ein-Stopp-Strategie durchzuziehen. Der Lohn war der zweite Podestplatz für Mercedes und Russell in Serie. Der 27-Jährige jubelte deshalb: "Es ist ein super Resultat. Wir sind zufrieden mit P3, wir wussten, dass McLaren schneller ist als wir. Insgesamt hat sich das Auto richtig gut angefühlt, ich bin sehr glücklich auf dem Podium zu stehen."
Sieger Oscar Piastri war ebenfalls verwundert, wie gut die Pirelli-Gummis im Rennen funktionierten. "Auf dem Medium war es zu Rennbeginn etwas schwierig, aber der harte Reifen hat gut funktioniert. Viel besser, als wir gedacht hatten." Nur Lewis Hamilton stoppte als einziger Pilot im Rennen zwei Mal und blieb bei der erwarteten Strategie.

Im Red-Bull-Lager sind die Sorgenfalten groß. Max Verstappen kam in Shanghai nicht über Rang vier hinaus.
Wo steht Red Bull nach dem zweiten Grand Prix?
Bei Red Bull betrieb man in Shanghai Schadensbegrenzung. Max Verstappen beendete das Rennen auf dem vierten Platz. Der Niederländer hatte zwar am Start die Ferrari nicht halten können, fing dann aber beide Gegner noch ab. Trotzdem schrillen bei Red Bull die Alarmglocken. Motorsport-Chef Helmut Marko versuchte nach dem China-GP die positiven Dinge herauszuarbeiten. "Die Rundenzeiten in der zweiten Hälfte des zweiten Stints waren so gut wie die der Spitze." Den Verstappen-Start bezeichnete Marko als "unglücklich". Danach nistete sich der Weltmeister auf dem sechsten Rang ein. Erst gegen Rennende wachte der Red-Bull-Star auf. Nachdem Hamilton zum zweiten Mal an die Box gefahren war, reduzierte Verstappen sukzessive den Abstand zu Leclerc und kam noch vorbei.
Aber vierte Plätze werden zur Titelverteidigung nicht reichen. Das wissen alle bei Red Bull. Marko gab die Marschroute für die kommenden Wochen aus. "In Milton Keynes gibt es ein Meeting diese Woche. Da wird besprochen, wie wir den Rückstand aufholen können. Bis dahin müssen wir so viele Punkte wie möglich holen. Wir sind besorgt, aber wir werfen die Flinte nicht ins Korn."
Wie kam es zum Haas-Wunder nach Australien?
Nachdem die Ferrari disqualifiziert wurden, rückten Esteban Ocon und Oliver Bearman auf die Ränge fünf und acht vor. Damit hatte bei Haas nach der Klatsche in Melbourne keiner gerechnet. Teamchef Ayao Komatsu lobte die Moral seiner Truppe: "Was für eine Reaktion! Ich bin so froh, wie wir nach dem Schock gearbeitet haben."
Kurz geschockt war auch Oliver Bearman während des Rennens. Der Engländer war auf den harten Reifen gestartet und holte sich in Runde 26 den Medium-Gummi ab. "Als sie die Reifen draufsteckten, dachte ich nur 'Oh nein, das wird hart.' Aber die Reifen waren zum Glück besser als gedacht." Ocon schwärmte von seiner Truppe: "Was für ein Turnaround des Teams."