Das erste Training ging an Lando Norris, das zweite an Charles Leclerc. Das Duell McLaren gegen Ferrari setzte sich am Freitag (14.3.) auf allen Ebenen fort. Im Longrun war Norris zwar im Schnitt zwei Zehntel schneller als Leclerc, doch wenn man alle Faktoren mit einrechnet, wie die unterschiedlichen Stint-Längen, dann lag der Ferrari-Fahrer sogar vor seinem Kontrahenten.
Max Verstappen ließ Red Bull besser aussehen, als das Auto ist. Die Wahrheit zeigt sich immer beim zweiten Fahrer. Red-Bull-Neuling Liam Lawson landete beide Mal im hinteren Drittel des Feldes. Und bei Verstappens Formel-1-Auto wurde viel am Setup und an den Aerodynamik-Spezifikationen herumgedoktert. Die Instabilität des RB21 bleibt eine Baustelle.
Mercedes entzog sich einem direkten Vergleich mit der Konkurrenz dadurch, dass George Russell und Andrea Kimi Antonelli als einzige Fahrer im Feld mit harten Reifen in die Longruns geschickt wurden. Weder Mercedes noch Pirelli konnte sagen, in welchem Ausmaß sich die unterschiedlichen Reifentypen auf die Rundenzeiten ausgewirkt haben.
Im Formel-1-Verfolgerfeld hinterließ Williams die beste Figur. Toro Rosso glänzte mit wenig Sprit im Tank und einem aggressiven Motor-Modus. Alpine tauchte mit Bremsproblemen und einem seltsamen Programm ab. Aston Martin und Sauber sind besser als gedacht, Haas so schlecht wie befürchtet.
Wahrscheinlich sind alle Rundenzeiten am Sonntag Makulatur. Der Wetterbericht kündigt Regen an. Die Schlechtwetter-Front soll gegen Mittag eintreffen und dann dauerhaft bis zum späten Nachmittag über Melbourne hinwegziehen. Nach manchen Prognosen soll so viel Wasser vom Himmel fallen, dass man gar nicht fahren kann. Im Moment gibt es bei der FIA noch keinen Plan B wie letztes Jahr in Brasilien, als der Start vorgezogen wurde. Melbourne ist berühmt dafür, dass sich das Wetter selten an Vorhersagen hält.

Ferrari überzeugte am ersten Trainingstag in Melbourne und ärgerte McLaren.
Sechs Dinge, die Sie wissen müssen:
1) Ist McLaren doch schlagbar?
Die McLaren standen auf allen Tippzetteln ganz oben. Schon allein wegen ihrer sagenhaften Longruns. Auf eine Runde landeten Oscar Piastri und Lando Norris auf den Plätzen zwei und drei, eine gute Zehntelsekunde hinter Tagessieger Charles Leclerc. Viele Experten glauben, dass McLaren nur blufft. Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur klammert sich nicht nur an Charles Leclercs Bestzeit. "Wir waren auch im Longrun nicht weit weg von McLaren."
Gleichstand herrschte auch bei den Topspeeds. Sie lagen nur 0,5 km/h auseinander. Leclerc war in allen drei Sektoren um jeweils ein paar Hundertstelsekunden schneller als Norris. Die Rennsimulationen gingen mit leichtem Vorsprung an die Papaya-Autos. Norris war mit einem Schnitt von 1.21,903 Minuten über elf Runden auf Medium-Reifen der Schnellste.
Leclerc legte drei Runden mehr zurück und kam auf ein Mittel von 1.22,140 Minuten. Allerdings drehte er bei den letzten beiden Runden die Power hoch. Bei den Teamkollegen ergibt sich ein ähnliches Bild. Piastri fuhr elf Runden mit einer durchschnittlichen Zeit von 1.22,110 Minuten. Hamilton kam über 13 Runden auf einen Schnitt von 1.22,228 Minuten.

George Russell (Mercedes) konnte im Longrun mit Lando Norris im McLaren mithalten.
2) Wo steht Mercedes?
Mercedes-Teamchef Toto Wolff schätzt die Lage so ein: "Vorne steht McLaren. Dann kommen alle anderen auf einer Linie." Bei Ferrari muss sich der Österreicher möglicherweise korrigieren. Wie stark die Silberpfeile selbst sind, lässt sich auch nach dem ersten Trainingstag schwer einschätzen. Mercedes fuhr mit harten Reifen im Longrun gegen den Trend.
Die Ingenieure wunderten sich, dass alle anderen sich auf Medium-Reifen versteiften. Sorgen macht man sich deshalb nicht. Für Sonntag ist Dauerregen angesagt. "Da brauchen wir sowieso nur Regenzeiten oder Intermediates."
George Russell egalisierte auf den harten Gummis bis auf wenige Hundertstel die Longrun-Bestzeit von Norris. Andrea Kimi Antonelli schlug sich für seinen ersten Dauerlauf unter Ernstfall-Bedingungen ordentlich. In seiner schnellsten Runde hinkte der 18-jährige Italiener dem Teamkollegen noch vier Zehntel hinterher.
Erklärung: "Es war das erste Mal, dass ich mit C5-Reifen gefahren bin. Ich habe sie nicht perfekt ins Fenster gebracht." Generell hatten die Mercedes-Fahrer Mühe mit Pirellis weichster Mischung. "Wir haben da nicht so viel Zeit gewonnen, wie wir sollten. Möglicherweise hing das mit den Asphalttemperaturen von über 40 Grad zusammen", analysierte Russell.
Eine andere Erklärung ist, dass beide Mercedes-Fahrer ihre schnellen Runden zu forsch angingen und dann im letzten Sektor mit zu heißen Hinterreifen bezahlten. Ein bescheidener Motor-Modus kostete auf den Geraden zusätzlich 0,35 Sekunden auf die Konkurrenz.

Red Bull verschlechterte den Red Bull von Max Verstappen zwischen den beiden Trainings.
3) Muss sich Verstappen Sorgen machen?
Mit dem ersten Training war der Formel-1-Weltmeister ganz zufrieden. Er rangierte mit vier Zehnteln Abstand hinter Lando Norris auf dem fünften Platz, obwohl er auf seiner Runde von Carlos Sainz aufgehalten wurde. Auch im Nachmittagstraining hatte der Niederländer keine saubere Runde. Nach einem Fehler in Kurve 3 brach er den Versuch ab. Später arbeitete er sich mühsam auf den siebten Platz vor. Rückstand auf die Spitze: 0,624 Sekunden.
Dann stand der Champion 13 Minuten lang in der Box, bevor er seinen Longrun auf Medium-Reifen in Angriff nahm, der bei neun Minuten Restzeit zu einem Shortrun verkümmerte. In der Pause wurde das Setup umgebaut. Es kamen auch unterschiedliche Frontflügel zum Einsatz. "Wir haben das Auto im Vergleich zum ersten Training verschlechtert", bedauerte Sportchef Helmut Marko.
Die Instabilität in einigen Kurven kehrte zurück. Nach eigenen Berechnungen hat McLaren mit drei Zehnteln die Nase vorne. Dann folgen demnach Ferrari und Verstappen. Ein Indiz dafür, dass der Red Bull RB21 noch seine Launen hat, ist der große Rückstand von Liam Lawson. Der Neuseeländer verlor sechs Zehntel auf eine Runde und 1,2 Sekunden im Longrun auf seinen Teamkapitän. "Das dürfte gerne etwas weniger werden", hoffte Marko.

Die Williams-Piloten Alex Albon und Carlos Sainz legten einen guten Start ins Wochenende hin.
4) Wie gut sind Toro Rosso und Williams?
In der Auftaktsession setzte Williams mit den Plätzen eins und sechs für Carlos Sainz und Alexander Albon seine Show von den Testfahrten fort. Teamchef James Vowles warnte: "Wir sind deutlich besser als im Vorjahr, aber nicht so gut wie es aussieht." In der zweiten Sitzung platzierten sich Sainz und Albon als Elfter und Zwölfter mit exakt der gleichen Rundenzeit knapp außerhalb der Top-10.
Im Longrun gaben die blauen Autos eine unterschiedliche Figur ab. Albon ging zwei Mal für je fünf Runden auf die Reise und sah entsprechend gut aus. Sainz landete bei den Dauerläufen auf dem siebten Platz. Fünf Zehntel Rückstand auf die McLaren sind aus Sicht eines Williams-Fahrers kein Beinbruch.
Während in der ersten Sitzung Williams überraschte, setzte in der zweiten Toro Rosso die Akzente. Yuki Tsunoda beendete das Training als Vierter, nur 0,345 Sekunden hinter der Bestzeit. Auch Rookie Isack Hadjar überzeugte. Platz sechs trotz Behinderung.
Der Franzose machte schon am Vormittag eine gute Figur. Doch die exzellenten Zeiten wurden mit weniger Benzin und einem höheren Power-Modus erkauft. Hadjar sollte im Qualifikations-Trim üben. Bei den Testfahrten war dazu keine Zeit. Marko schätzt: "Williams liegt vor uns."

Oliver Bearman konnte wegen seines Unfalls im ersten Training nicht an FP2 teilnehmen. Der Haas war nicht rechtzeitig repariert worden.
5) Hat Haas verzockt?
Das war eine echte Klatsche für Haas. Oliver Bearman zerstörte im ersten Training bei einem Highspeed-Unfall in der 220 km/h schnellen Schikane sein Auto. Es wurde für das zweite Training nicht mehr fertig. Esteban Ocon wurde in beiden Sitzungen Vorletzter. Mit 1,6 Sekunden Abstand zur Spitze und drei Zehnteln zum Rest.
Der Franzose klagte über Balanceprobleme. Einen Teil davon konnten die Ingenieure zwischen den beiden Trainingssitzungen lösen. "Aber da muss noch mehr kommen", forderte Ocon. Den US-Ferrari ist das Untersteuern offenbar nicht ganz auszutreiben. Bis jetzt half kein Setup-Trick. Da müssen wahrscheinlich die Aerodynamiker ran.
Sauber zeigte sich im Vergleich zum Test verbessert, was Nico Hülkenberg mit Platz acht unterstrich. Auch die Rennsimulation des Deutschen konnte sich sehen lassen. Mit einem Mittel von 1.22,592 Minuten lag der Sauber-Pilot im Sandwich der Toro-Rosso-Piloten. Gabriel Bortoleto wurde mit einem alternativen Setup mit deutlich mehr Anpressdruck auf die Reise geschickt. Es war ein Fehlschlag. Fazit: Die neuen Teile beginnen zu funktionieren. Das Auto ist deutlich konstanter geworden.

Die Formel-1-Autos der Generation 2025 sind in Melbourne deutlich schneller unterwegs als im Vorjahr.
6) Sind die Autos oder die Strecke so schnell?
Im ersten Training wurde die Zeit vom Vorjahr um 1,2 Sekunden unterboten, im zweiten um acht Zehntel. Der Grund dafür liegt in der Strecke und dem Asphalt. Die Fahrer berichteten, dass der Streckenbelag von Anfang an mehr Grip bot als früher.
Da spielten die vielen Rahmenrennen eine positive Rolle, die Gummi auf die Bahn im Albert Park legten. Die restliche Zeit geht auf die Entwicklung der Autos. Sauber-Technikchef James Key bestätigt: "Diese Autos sind echte Monster. Wir haben in der Formel 1 noch nie so viel Abtrieb wie heute gesehen."