Formel-1-Feld 2022 in fünf Klassen zersplittert

Formel 1 in fünf Klassen zersplittert
Falscher Plan?

Zuletzt aktualisiert am 11.08.2022

Die neuen Regeln versprachen mehr Chancengleichheit. Und weniger Abstände zwischen den Teams. In der Theorie musste das so passieren. Alle zehn Team begannen bei Null. Groundeffect-Autos waren etwas, was in den Technikbüros nur Dinosaurier wie Adrian Newey noch kannten. Für alle galt in der Entwicklungsphase der 2021er Autos der Budgetdeckel von 145 Millionen Dollar. Haas startete als Erster mit der Entwicklung im Januar. Red Bull als Letzter im Herbst.

Ideale Voraussetzungen also für ein bunt durchgemischtes Feld, in dem sich die Teams auf den Füßen stehen. Doch schon nach den Testfahrten war klar: Red Bull und Ferrari fahren in einer eigenen Welt. Sie sind überlegener als es Mercedes und Red Bull 2021 je waren. Das zeigt sich an der Verteilung der Siege, Pole Positions, der schnellsten Runden, Führungskilometer und Podiumsplätze. Nur Mercedes darf hin und wieder eine Pole Position oder Führungsrunden verbuchen, einigermaßen regelmäßig immerhin Podestplätze. Aber nur, wenn Red Bull und Ferrari etwas übriglassen.

Lando Norris - GP Emilia Romagna - Imola - 2022
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Nur Lando Norris bekam Trophäe

Mercedes ist erst seit Silverstone in den Dunstkreis der zwei Teams geraten, die diese Saison bislang dominiert haben. Der Rückstand der Silberpfeile betrug in den schlimmsten Tagen eine Sekunde. Jetzt ist er auf zwei bis drei Zehntel geschrumpft. Man braucht aber immer die Fehler der Konkurrenz, um irgendeinen Pokal mitzunehmen.

Die Fehlerquote an der Spitze ist relativ groß. Umso verwunderlicher ist, dass außer den drei Topteams nur Lando Norris zwei Mal etwas von den Trophäen abbekam. In Imola wurde er Dritter, in Monte Carlo fuhr er die schnellste Runde.

An Überraschungen wie die Siege von Pierre Gasly im Alpha Tauri und Sergio Perez im Racing Point 2020 oder von Esteban Ocon im Alpine und Daniel Ricciardo im McLaren 2021 ist gar nicht zu denken. Das große Verfolgerfeld kommt nicht mal in die Nähe der Top 3. Zum Zeitpunkt des ersten Reifenwechsels fahren sie schon außerhalb deren Boxenstoppfensters. Lando Norris kam beim GP Ungarn 78 Sekunden hinter dem Sieger ins Ziel. Alle anderen waren überrundet.

Start - Formel 1 - GP Ungarn 2022
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Neue Autos schwerer zu verstehen

Warum hält die Wirklichkeit nicht, was die Papierform versprochen hat? Auf das gesamte Feld bezogen hatten die Planer der Formel 1 und der FIA Recht. Im Q1 liegen die 20 Autos selten mehr als 2,5 Sekunden auseinander. Das ist ein gutes Zeichen. Es gibt keine Ausreißer mehr nach unten. Erschreckend groß ist dafür der Abstand der Spitze zum Rest der Truppe.

Red Bull und Ferrari kommen auf unterschiedlichen Wegen zum Ziel. Das ist das rätselhafte an ihren Vorsprung. Normalerweise haben bei einem neuen Reglement die führenden Teams etwas gefunden, was den anderen verborgen blieb. Aber entgegengesetzter als der Ferrari F1-75 und Red Bull B18 geht gar nicht. Da ist kein gemeinsamer Trick erkennbar. Mercedes glaubt zwar, dass die Geheimwaffe der beiden Spitzenteams eine Spalte zwischen Schutzplanke und Unterboden und Chassis ist, doch da schwingt auch die Hoffnung mit, die Technische Direktive schließe mit einem Schlag die Lücke. In Spa werden wir es wissen.

Der Zeitverlust, den Mercedes erwartet, ist mit zwei bis drei Zehnteln immer noch zu gering, um zu erklären, warum das Mittelfeld so weit abfällt. Der Grund für die Aufsplitterung des Feldes liegt wohl eher darin, dass die neuen Autos viel schwerer zu verstehen sind als die alten. Weil man im Windkanal nicht alles nachstellen kann, zählen Erfahrung, Intuition und der richtige Ansatz. Ferrari zum Beispiel hat ein Auto gebaut, das in allen Lebenslagen gutmütig ist. Das schafft beim Fahrer Vertrauen, und das war bei Groundeffect-Autos schon immer wichtiger als die letzten Punkte Abtrieb.

Max Verstappen - Red Bull - Formel 1 - GP Ungarn 2022 - Budapest - Rennen
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Das Quartett am Ende des Feldes

Im Verfolgerfeld gab es anfangs keine klare Linie. Außer, dass jeder einmal vorne liegen konnte. Von McLaren bis Haas. Und Williams war nicht mehr einsames Schlusslicht. Auch hier spielte das Verständnis der Ingenieure die entscheidende Rolle. In die eine wie die andere Richtung. Deshalb hat es Haas auch gar nicht so geschadet, dass es mit dem ersten Upgrade bis zum GP Ungarn dauerte. Nichts am Auto zu ändern, zwingt die Ingenieure dazu, ihr Auto besser kennenzulernen. Mercedes-Teamchef Toto Wolff hatte Recht mit seiner Feststellung: "Ein gutes Setup ist oft besser als ein Upgrade."

Nach 13 Rennen ist das Peloton der Formel 1 in drei Gruppen zerfallen. Vorne kämpfen McLaren und Alpine um den 4. Platz. Sie haben sich vom Rest abgesetzt und tun es mit unterschiedlichen Mitteln. Während McLaren in größeren Abständen umfangreiche Ausbaustufen an den Start bringt, bessert Alpine bei jedem Rennen nach. Die beiden Strategien neutralisieren sich irgendwie. Alpine ging mit vier Punkten Vorsprung in die Sommerpause.

Hinter den beiden Kombattanten um den Titel "Best of the rest" hat sich Aston Martin als Einzelkämpfer etabliert. Die grünen Autos sind auf eine Runde so langsam wie Alfa-Sauber, Alpha Tauri Haas und Williams, aber im Rennen so schnell wie Alpine und McLaren. Das Auto ist zu nett zu den Reifen. Schlecht am Samstag, gut am Sonntag. Es reicht dann wegen der schlechten Startplätze meistens nur für kleine Punkte.

Alfa-Sauber, Alpha Tauri, Haas und Williams sind in den letzten Rennen in Club für sich geworden. Seit zwei Rennen gab es keine Punkte mehr für das Quartett. Alfa-Sauber und Alpha Tauri warten schon vier Rennen vergeblich. Die einen bringen große Upgrades, die anderen kleine. Das Resultat ist das gleiche. Entweder sie schlagen nicht an oder erst mit großer Verspätung. Keines von den vier Teams operiert am Kostenlimit. Und keines hat 800 Mitarbeiter wie Alpine oder McLaren. Bei aller Gleichheit gibt es halt doch noch Unterschiede. Und liegen meistens in der Qualität der Leute.