Rundenzeiten-Entwicklung: Speed-Prognose für 2023

Rundenzeiten-Entwicklung 2022 vs. 2023
Wie viel schneller werden die Autos?

Veröffentlicht am 29.01.2023
Guanyu Zhou - Alfa Romeo - Formel 1
Foto: Wilhelm

Als Lotus-Gründer Colin Chapman 1978 das Groundeffect-Auto erfand, da purzelten die Rundenzeiten. Im Verlauf von fünf Jahren wurden die Autos damals um 6,58 (Monte-Carlo) bis 13,49 Sekunden (Paul Ricard) pro Runde schneller. Auf den Kilometer gerechnet waren das 1,98 bis 2,35 Sekunden Zeitgewinn. Damals blieb allerdings das Mindestgewicht der Autos weitgehend stabil. Es kletterte zwischen 1978 und 1982 nur von 575 auf 580 Kilogramm.

40 Jahre später ging die Reise beim Comeback der Groundeffect-Autos erst einmal rückwärts. Der größte Zeitverlust auf die Runde wurde auf dem Hungaroring gemessen. Die Pole Position von 2022 war um 2,042 Sekunden langsamer als ein Jahr zuvor. Am geringsten fiel das Delta auf dem Baku City Circuit aus. Da kam die schnellste Trainingsrunde von 1.41,359 Minuten fast an den Wert aus dem Jahr 2021 heran. Es fehlten nur 0,141 Sekunden. Auf den Kilometer gerechnet betrug die Differenz zwischen 0,023 und 0,466 Sekunden.

Max Verstappen - Red Bull - Qualifikation - GP Abu Dhabi 2022
Motorsport Images

Gewicht als größter Speed-Killer

Auf 14 Vergleichsstrecken war die neue Formel 1 im Schnitt um 1,344 Sekunden pro Runde langsamer als die alte. Oder um 0,278 Sekunden pro Kilometer. Der Großteil geht auf das Gewicht. Der Anstieg des Limits von 752 auf 798 Kilogramm bedeutet allein eine Zeiteinbuße von 1,4 Sekunden. Dazu kam, dass mit Ausnahme von Alfa Romeo, Aston Martin und Williams alle Autos übergewichtig unterwegs waren. Zu Saisonbeginn mehr, in der zweiten Saisonhälfte weniger. Es half auch nicht, dass die auf E10-Sprit adaptierten Motoren rund 20 PS verloren.

Die Aerodynamik der 2021er Autos war schon ziemlich ausgereizt. Da steckten fünf Jahre Entwicklungsarbeit drin. Mit dem dreidimensionalen Unterboden, den kastrierten Flügeln vorne und hinten, dem Verbot von Leitblechen und der Rückkehr zu einem konventionellen Fahrwerk haben die Teams absolutes Neuland beschritten. Das führte dann zu unerwarteten Phänomenen wie dem Bouncing. Erst als das gelöst war, konnten die Ingenieure mit der eigentlichen Entwicklungsarbeit beginnen. Da ist noch Luft nach oben.

Die 2022er Autos haben einen deutlich höheren Anteil des Gesamtabtriebs über den Unterboden gewonnen als die Autos davor. Damit war der Anpressdruck auch stärker von der Geschwindigkeit abhängig. Das hohe Gewicht schadete vor allem in den langsamen Passagen, beim Bremsen und Beschleunigen mehr als bei Vollgas. Damit veränderte sich auch das Speedprofil der Autos.

Ferrari - Formel 1 - GP Spanien - Barcelona - 2022
Ferrari

Top-Speed stieg moderat

Der Vergleich der einzelnen Strecken demonstriert ziemlich genau, wo die neuen Autos schneller und langsamer wurden. Auf die Gesamtrundenzeit bezogen, drückt sich das in mehr oder weniger Zeitverlust aus. Am geringsten fällt er in Jeddah (0,689 s), Baku (0,141 s) und Monza (0,602 s) aus. Am größten in Budapest (2,042 s), Barcelona (2,009 s) und Mexiko-City (1,900 s). Alles Strecken, auf denen mit maximalem Abtrieb gefahren wird. Bezogen auf den Kilometer liegen Monte-Carlo, Abu Dhabi und Zandvoort nicht weit dahinter.

Je größer der Anteil an Geraden und schnellen Kurven, desto geringer der Nachteil der Groundeffect-Autos. Würde noch mit dem Mindestgewicht von 2021 gefahren, wäre die neue Generation in Jeddah, Baku, Monza, Paul Ricard, Spielberg und Austin schneller gewesen. Für die anderen Strecken hätte es knapp noch nicht gereicht. Der Top-Speed ist 2022 im Schnitt um 3,86 km/h gestiegen. Dort, wo mit wenig Abtrieb gefahren wurde, war der Speedunterschied am größten. In Jeddah 8,7 km/h, in Monza 11,8 km/h. Dafür betrug der Unterschied in Budapest nur 1,7 km/h und in Mexiko 0,2 km/h.

Bei einer normalen Fahrzeug-Entwicklung müssten die 2023er Autos denen von 2021 schon wieder ziemlich nahekommen. Formel-1-Technikchef Pat Symonds glaubt das auch: "Es kann schon dieses Jahr passieren, dass wir die alten Rekorde erreichen. Jetzt wissen die Ingenieure, welche Faktoren ihre Autos langsam gemacht haben. Die wurden über den Winter ausgebaut. Das große Bild wird aber bleiben. Diese Autos werden immer schneller in schnellen Kurven sein und langsamer in langsamen."

Mercedes - GP Belgien 2022
Wilhelm

Neuer Unterboden kostet Abtrieb

Es gibt allerdings ein paar Unsicherheitsfaktoren in dieser Rechnung. Einer ist der Unterboden, der an den Kanten um 15 Millimeter nach oben gebogen werden muss. Nach Ansicht von FIA-Sportchef Nikolas Tombazis werden die Autos damit 15 bis 20 Punkte Abtrieb verlieren, also zwischen fünf und sieben Prozent. Auf die Rundenzeit umgerechnet entspricht das ungefähr einer halben Sekunde. "Das wird aber durch die übliche Fahrzeug-Entwicklung wieder aufgehoben", beschwichtigt Tombazis. Das hören wir auch von den Teams. Der Verlust wurde bereits wieder wettgemacht.

Das Mindestgewicht bleibt nach einem langen Hin und Her mit zwei Kilogramm weniger bis einem Kilogramm mehr jetzt doch konstant. Es bleibt bei 798 Kilogramm. Von den Motoren darf man nicht mehr viel Zuwachs erwarten. Die neuen Pirelli-Reifen könnten dagegen helfen, etwas Rundenzeit wegzufeilen. Die modifizierte Konstruktion soll die Auflagefläche des Reifens auf dem Asphalt erhöhen, was nicht nur für mehr Grip, sondern auch für eine gleichmäßigere Hitzeentwicklung sorgt. Außerdem hat Pirelli angekündigt, dass man dieses Jahr endlich die absurd hohen Reifendrücke reduzieren will. Weniger Luftdruck bedeutet schnellere Rundenzeiten.

In Summe spricht also viel dafür, dass die Autos in diesem Jahr die Zeiten von 2022 unterbieten werden. Es ist aber zu bezweifeln, ob schon in diesem Jahr auch die absoluten Geschwindigkeitsrekorde gebrochen werden. Vielleicht auf den schnellen Strecken, nicht aber bei allen.