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Radikale Formel-1-Autos 2022
Geht ein Auto ohne Seitenkasten?

Die neue Formel 1 begeistert, weil die Teams das Regelwerk so unterschiedlich interpretiert haben. Das radikalste Konzept verfolgt Mercedes. Beim Blick auf den W13 stellt man sich die Frage, ob man überhaupt ein Auto ohne Seitenkasten bauen dürfte.

Mercedes vs. Ferrari - Vergleich - F1 - 2022
Foto: Motorsport Images

Man muss schon weit in die Vergangenheit zurückschauen, um so große Unterschiede wie heute im Formel-1-Feld auszumachen. Das neue Regelwerk hat zehn unterschiedliche Autos hervorgebracht. Von einer solchen Vielfalt hatten nicht mal die Macher im Formel-1-Hauptquartier um Sportchef Ross Brawn und Technikchef Pat Symonds geträumt. Die Form der Autos ist so grundverschieden, dass man jedes Team auch dann benennen könnte, wenn man alle Autos weiß anmalen würde.

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Vor allem die Seitenkästen unterscheiden sich. Grob lassen sie sich in vier Familien unterteilen. Alfa Romeo und Aston Martin unterschneiden sie. Red Bull, Alpha Tauri und Alpine bauen eine Rampe bis vor die Hinterradaufhängung. Ferrari und Haas ziehen den Seitenkasten nach außen und strecken ihn in die Länge – inklusive Mulde. McLaren, Williams und Mercedes versuchen, sie so klein wie möglich zu halten. Der Konstrukteurs-Weltmeister verfolgt dabei das radikalste Konzept.

Mercedes - Formel 1 - Testfahrten - Bahrain 2022
Wilhelm
Mercedes hat mit seinem radikalen Konzept die Konkurrenz aufgeschreckt.

Kühler im Seitenkasten

Mercedes trennt sogar die Crashstruktur vom Seitenkasten, und kleidet sie zu einem Flügel aus. Dabei nutzt man eine Grauzone im Reglement, das den Bereich der Spiegel nicht ausreichend detailliert definiert. Die Mercedes-Konstruktion entspricht den Regeln. Die Frage lautet, ob sie auch dem Geist des Reglements entspricht. Doch kann es ein Zurück geben? Eigentlich nicht. Die FIA hätte einschreiten müssen, als Mercedes seine CAD-Daten versendet hatte – also vor Wochen.

Von oben sieht das vorgezogene Element aus wie eine große Platte mit Spiegel und vier Finnen drauf, welche die Strömung lenken. Diese Lösung schreckt die Konkurrenz auf. Mit dem "Crashstruktur-Flügel" erzeugt der Mercedes wohl zusätzlichen Abtrieb. Mit den Finnen und den nach außen gewölbten Mini-Seitenkästen den Outwash-Effekt. Die Luft wird also nach außen gedrängt. Das macht das Auto in der Theorie schneller. Bei den Testfahrten überdeckte das Bouncing-Problem noch das wahre Potenzial des W13.

Den Seitenkasten hat Mercedes fast eliminiert. Da stellt sich die Frage, was der nächste Schritt wäre. Sehen wir in naher Zukunft ein Auto, das komplett auf Verkleidungsteile an der Seite verzichtet? "Ich glaube, das Reglement würde es aktuell nicht erlauben, dass man gar keine Kühler im Seitenkasten hat. Dafür ist es nicht gedacht", sagt Alfa-Technikchef Jan Monchaux.

Guanyu Zhou - Alfa Romeo - Formel 1 - Test Bahrain - Tag 3 - 12. März 2022
xpb
Alfa-Sauber unterschneidet den Seitenkasten wie Aston Martin und zieht ihn in die Länge.

Monchaux erklärt Konzepte

Der 43-jährige Franzose führt weiter aus: "Es wird sicherlich eine Diskussion mit der FIA und den Teams geben, ob wir es zulassen wollen, dass möglicherweise einer so weit geht, und gar keine Kühler mehr in den Seitenkasten legt. Das wäre ein möglicher nächster Schritt." Also der bewusste Verzicht auf einen Seitenkasten. Fraglich ist, ob das nicht zu sehr der Aerodynamik-Balance schaden würde. "Wir müssen sehen, ob sich das durchsetzt. Ob es tatsächlich die beste Lösung ist. Für Mercedes hat es funktioniert. Sonst hätten sie es nicht ans Auto gebracht."

Der Technikchef von Alfa-Romeo ist einer der besten Erklärer im Fahrerlager. Monchaux versteht es, in einfachen Worten zu beschreiben, und selbst Laien die Technik der Mondraketen auf vier Rädern nahe zu bringen. Große oder kleine Seitenkästen, schlanke oder breite Motorabdeckungen: Was hat es damit auf sich?

Lassen wir es Monchaux erklären: "Man kann davon ausgehen, dass jeder Motor grob die gleiche Kühlleistung braucht. Die Frage lautet: Wo packen Sie die Kühler hin? Die einen wollen ihre Kühler im Seitenkästen verstauen. Damit können sie über dem Motor sehr schlank bauen, was normalerweise sehr gut für den Heckflügel ist." Das ist die Lösung von Ferrari und seinen Kunden Haas und Alfa.

Mercedes vs. Ferrari

"Die anderen sind eher der Meinung, dass die Kühler in der Mitte oben besser sind. Auch wenn das für den Schwerpunkt nicht optimal ist." Auf diesen Zug sprang 2021 Alpine mit dem A521 auf. "Dort bekommen sie eine bessere Strömungsqualität. Die Kühler arbeiten effizienter. Dafür bezahlen diese Teams einen Preis am Heckflügel, haben aber mehr Freiheit in den Seitenkästen. Dann haben wir noch diejenigen Teams, die es an beiden Stellen verteilen – wie wir es früher auch gemacht hatten. Ein bisschen in der Mitte, ein bisschen in der Seite."

Auf Fotos ist zu erkennen, dass sich ein Kühler etwa im 45-Grad-Winkel in den Seitenkasten des W13 legt. Beim Vergleich der beiden Extreme, Mercedes und Ferrari, fällt auf, dass der Silberpfeil oben deutlich voluminöser baut. Das schadet dann der Antrömung des Heckflügels. Allerdings ist der Unterboden wegen des Ground Effects deutlich wichtiger. Dort wird die meiste Rundenzeit gewonnen. Auf Bildern sind keine zusätzlichen Kühler zu sehen, wenn die silberne Haube abmontiert ist. Das spricht dafür, dass Mercedes ein ultra-effizientes Kühlkonzept entwickelt haben muss – zum Beispiel über den Ladekuftkühler.

Die Teams spielen mit Simulationen viel herum, um die optimale Lösung für sich zu finden. "Wir, Ferrari und womöglich Haas haben uns für den Weg entschieden: Keine Kühler in der Mitte, dafür super eng. Dann gibt es verschiedene Interpretationen, wie man die Kühler installiert. Sind sie "schwimmend" (floating), sind sie fast senkrecht, sind sie gedreht. Da sieht man X-verschiedene Interpretationen. Dann haben Sie Teams, die es extrem leben – wie den Mercedes."

Lando Norris - McLaren - Formel 1 - Testfahrten - Bahrain
xpb
McLaren hat schlanke Seitenkästen und im Mittelteil eine voluminöse Motorhaube.

Welches Konzept hat meiste Potenzial?

Wer den Seitenkasten schrumpft, schafft viel Freifläche auf der Oberseite des Unterbodens. Kontrolliert damit die Turbulenzen besser, die beim Fußabdruck des Reifens mit dem Asphalt entstehen. Hier spricht man vom sogenannten Nachlauf. Strömt damit vor allem das Diffusordach und den unteren Heckflügel sauberer an. Gewinnt dadurch in den langsamen Kurven. Bei geringen Geschwindigkeiten ist der Mercedes W13, wenn man sich die Konkurrenz anhört, bereits sehr stark. Und dort, in langsamen wie mittelschnellen Kurven, kann man sich am besten von der Konkurrenz abheben. Weil man in diesem Kurventyp mehr Zeit verbringt als in schnellen Ecken.

Auf den Geraden und in schnellen Kurven verlor Mercedes bei den Testfahrten, weil die Ingenieure ihr Auto nicht ins aerodynamische Wohlfühlfenster brachten. Wenn der W13 zu tief eingestellt war, hoppelte er zu stark auf den Geraden. Zu hoch, und es fehlte Abtrieb in schnellen Kurven. Mercedes sucht nach einer Lösung, um den Abtrieb hochzuhalten, ohne ins Bouncing auszubrechen.

Wenn das gelingt, dürfte der Silberpfeil direkt ein paar Zehntel gewinnen. Das heißt aber nicht, dass das Auto über lange Sicht am meisten Potenzial hat. Monchaux: "Für mich ist wichtig zu verstehen, welches Konzept das größte Potenzial für die Weiterentwicklung hat. Ob es das Mercedes-Konzept ist. Oder unseres. Oder das von Red Bull oder Ferrari. Wer erreicht am ehesten oder zuletzt sein Plateau? Was ist das wahre Potenzial von jedem Konzept? Das kann aktuell kein Team wissen oder voraussagen. Vielleicht hört die Reise für ein Konzept nach vier oder fünf Monaten auf, weil es ausgereizt ist. Bei anderen steckt dafür noch mehr drin. Das wird die Zeit sagen."

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