In den Anfangsjahren der Formel 1 zählten zunächst nur die Motorleistung und die mechanische Zuverlässigkeit. Doch über die Zeit wurde die Aerodynamik immer mehr zum Matchwinner. Mit der Einführung der modernen Groundeffect-Autos im Jahr 2022 hat das Thema noch einmal richtig Fahrt aufgenommen. Nur wer das Spiel mit der Luft versteht, kann das Auto effizient auf den Asphalt saugen lassen.
Dabei kämpfen die Aerodynamiker schon immer mit einem kleinen Problem. Luft ist leider durchsichtig, die Strömung rund um das Auto damit nicht sichtbar. Erst mit Hilfe von CFD-Programmen und Testläufen im Windkanal kommt man dem Geheimnis etwas auf die Spur. Moderne Simulationstechnik hat die Aero-Entwicklung in den letzten Jahren erheblich erleichtert.
Trotzdem werden die Ingenieure auf der Rennstrecke immer wieder negativ überrascht. 60-Prozent-Modelle im Windkanal verhalten sich nämlich immer etwas anders als das Auto im Original-Format. Alles lässt sich nicht in der Fabrik simulieren. Das Bouncing-Problem der Groundeffect-Autos ist ein gutes Beispiel. Von dem Effekt wurden 2022 viele Teams auf dem falschen Fuß erwischt.

FloViz kommt als Pulver, das mit Wasser angerührt und dann aufgetragen wird.
Messgitter und FloViz-Farbe
Um die Daten aus dem Windkanal und den Computer-Simulationen in der Realität zu überprüfen, greifen die Teams bei den Testfahrten tief in die Trickkiste. Die Autos werden immer wieder mit Aluminium-Gittern auf die Strecke geschickt, an denen Staudrucksensoren befestigt sind. Aus den während der Fahrt aufgezeichneten Daten lässt sich anschließend mit cleverer Software ein Strömungsbild errechnen.
Die Messgitter sind allerdings sehr teuer, die Montage und der Abbau jedes Mal zeitaufwändig. Und nicht für jedes Teil des Autos lässt sich eine mechanische Lösung finden, um dem Luftstrom auf die Spur zu kommen. In diesen Fällen kommt die sogenannte FloViz-Farbe ins Spiel. Hierbei handelt es sich Farbpigmente in Pulverform, die vor dem Einsatz mit Wasser angemischt werden.
Der Name setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern "Flow" und "Visualization", was übersetzt bedeutet, dass der Luftfluss sichtbar gemacht wird. Die Flüssigkeit wird mit einem Pinsel oder mit einem Drucksprühgerät auf die Carbon-Oberflächen aufgetragen. Das Muster, in dem die Farbe verläuft, gibt den Ingenieuren dann Erkenntnisse über die Strömungsrichtung. Damit lassen sich zum Beispiel ungewollte Luft-Verwirbelungen oder gar ein Abriss der Strömung sichtbar machen.

FloViz gibt es in verschiedenen Farben - je nach Vorliebe der Ingenieure.
FloViz liefert schnelle Ergebnisse
FloViz ist bei den Teams auch deshalb so beliebt, weil es Erkenntnisse in sehr kleinteiligen Bereichen, wie zum Beispiel den Bremshutzen oder der Unterbodenkante, liefert. Der Verlauf der Farbe zeigt auf einen Blick, ob die Aerodynamik in einem Bereich so funktioniert, wie es die Ingenieure vorgesehen haben.
Zur Auswertung der FloViz-Tests machen die Techniker nach den Runs in der Garage jede Menge Fotos von den "angemalten" Bereichen. Damit sich der Verlauf der Flüssigkeit gut sichtbar von der Oberfläche absetzt, handelt es sich bei den eingesetzten Pigmenten um fluoreszierende Farbe. Sie gibt es in verschiedenen grellen Tönen – von Neongelb über Neongrün bis Neonpink. Hier hat jedes Team seine speziellen Vorlieben, die auch immer von der jeweiligen Autofarbe abhängig sind.
Mercedes versprüht neben Neongelb regelmäßig auch noch eine bläulich-weiße FloViz-Flüssigkeit. Sie setzt sich auf den ersten Blick gar nicht so gut vom Untergrund ab, besonders bei Verwendung auf helleren Flächen. Sie hat allerdings den Vorteil, dass auch die Konkurrenz nicht sofort sieht, wie die Luft um den Silberpfeil fließt. Ihr Geheimnis enthüllt die Spezial-Farbe erst durch einen Trick.

Schwarzlicht lässt die FloViz-Farbe leuchten. Die Fotos werden dann von den Aero-Spezialisten in der Fabrik analysiert.
Silberpfeil strahlt unter UV-Licht
Durch die Bestrahlung mit Schwarzlicht beginnt die fluoreszierende Farbe plötzlich zu leuchten. Es handelt sich um den gleichen Effekt, den der ein oder andere vielleicht noch aus der Disco kennt. Kommt die Geheim-Farbe zum Einsatz, müssen die Ingenieure beim Abfotografieren also gleichzeitig UV-Licht auf die entsprechenden Flächen richten.
Am zweiten Testtag konnten wir in der Silberpfeil-Garage beobachten, dass die Übung nicht ganz einfach ist. Vor allem in schwer zugänglichen Bereichen unter dem Boden musste sich der Mercedes-Ingenieur ordentlich verrenken, um gleichzeitig die Schwarzlichtlampe und die Kamera auf das Objekt der Begierde zu richten. Die dabei entstandenen Fotos können wir leider nicht liefern. In der Galerie zeigen wir Ihnen aber, wie das Schauspiel von außen aussah.