Problem Dirty-Air: Das Geheimnis der Ferrari-Pace

Problem mit Dirty-Air
Das Geheimnis der Ferrari-Pace

GP Saudi-Arabien 2025
Zuletzt aktualisiert am 22.04.2025

Der McLaren ist ein schnelleres Auto als der Red Bull. Und er geht schonender mit seinen Reifen um. Trotzdem fuhr Max Verstappen seinem Beschatter Oscar Piastri am Ende des ersten Stints davon. Der Ferrari ist ein langsameres Auto als der McLaren, Red Bull und Mercedes. Trotzdem drehte Charles Leclerc zeitweise schnellere Rundenzeiten als Verstappen und Piastri.

Das Geheimnis liegt in der Position auf der Strecke. Wer sich an der Spitze eines Pulks befindet, profitiert in doppeltem Sinn. Er fährt in sauberer Luft. Damit kann die Aerodynamik optimal arbeiten. Das ist nach Einschätzung der Ingenieure ein Bonus von mindestens zwei Zehntelsekunden. Wer andere Autos vor sich hat, bekommt schlechtere Anströmung. Das Auto beginnt zu rutschen, die Reifen heizen sich auf und verlieren schneller Grip.

Gute Autos können sich das Hinterherfahren länger leisten als schlechte. Doch auch sie erwischt es irgendwann. 15 Runden lang hielt sich Oscar Piastri im DRS-Bereich von Max Verstappen. Dann nahm der Spitzenreiter seinem Verfolger drei Zehntel pro Runde ab. Im zweiten Stint genoss Piastri den Luxus der freien Fahrt. Bis er Schritt für Schritt auf seinen Teamkollegen aufschloss, der mit harten Reifen antizyklisch unterwegs war. Ab einer Distanz von 2,5 Sekunden spürte Piastri plötzlich Untersteuern. Da fuhr er schon in der verwirbelten Luft von Lando Norris.

Max Verstappen - GP Saudi-Bahrain 2025
Lars Baron via Getty Images

Ein Grand Prix mit zwei Rennen

Im vierten Jahr der Groundeffect-Ära ist die Aerodynamik praktisch ausgereizt. Da können kleine Störungen in der Strömung große Auswirkungen haben. Deshalb ist es wichtiger denn je, möglichst kein Auto vor sich zu haben. Somit bekommt die Startaufstellung, der Start und das Timing der Boxenstopps noch mehr Bedeutung als zuvor.

Bei vier der fünf Grands Prix gewann der Fahrer das Rennen, der nach der ersten Kurve die Nase vorne hatte. Das wäre vermutlich auch in Jeddah so gewesen, hätte sich Verstappen nicht eine Fünf-Sekunden-Strafe eingefangen, weil er beim Start seine Position durch Abkürzen der ersten Schikane verteidigt hat.

So wurde es ein Grand Prix mit zwei Rennen. Im ersten dominierte Verstappen, im zweiten Piastri. Der Weltmeister verkürzte zwar einen 4,8 Sekunden Rückstand auf 2,8 Sekunden, doch Piastri fuhr nur so schnell, wie er musste. In der allerletzten Runde zeigte er seinem Verfolger mit seiner persönlich schnellsten Runde, wer der Chef im Ring war.

Start - Formel 1 - GP Saudi-Arabien 2025
xpb

Viel Risiko in der ersten Kurve

Verstappen und Piastri wussten, dass die erste Kurve entscheidet. Deshalb gingen beide hohes Risiko am Bremspunkt. Das von Verstappen war größer, weil der Fahrer auf der Außenspur gemäß den Überhol-Richtlinien immer im Nachteil ist. Er braucht am Scheitelpunkt eine halbe Wagenlänge Vorsprung, damit die Kurve ihm gehört. Für den, der innen fährt, reicht gleiche Höhe.

Überholen war trotz drei DRS-Zonen schwer. Es gab wegen unterschiedlicher Strategien immerhin 32 Positionswechsel. Wer es nicht gleich schaffte, machte sich die Reifen kaputt. Deshalb war es Piastri nach seinem Boxenstopp so wichtig, so schnell wie möglich an Lewis Hamilton vorbeizukommen. Er riskierte es in der DRS-Zone im Highspeed-Geschlängel.

Fahrer, die im Pulk stecken, müssen taktisch fahren. Lieber drei Sekunden Abstand lassen und erst am Ende des Stints aufdrehen. Für die Teams wird es beim Timing der Boxenstopps immer wichtiger, die Lücken im Feld zu finden, um einen Undercut oder Overcut wirken zu lassen. Esteban Ocon machte in Bahrain mit seinem frühen Boxenstopp sechs Positionen gut, weil er dort, wo er reinfiel, zehn Sekunden Abstand zum Vordermann hatte.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Saudi-Arabien 2025
Thaier Al-Sudani via Getty Images

Overcut verschafft Leclerc freie Bahn

In Jeddah machte Ferrari mit dem Overcut von Charles Leclerc alles richtig. Der WM-Fünfte drehte im ersten Stint im Abstand von zwei bis drei Sekunden zu George Russell seine Runden. Trotzdem klagte er über leichtes Untersteuern, hervorgerufen durch die verwirbelte Luft, die der Mercedes vor ihm abstrahlte.

Als alle Fahrer vor dem Ferrari an die Boxen abgebogen waren, lag Leclerc in Führung. Und der legte plötzlich Rundenzeiten auf die Bahn, die Freund und Feind erstaunten. Leclerc wurde auf uralten Medium-Reifen schneller statt langsamer. Zwischen den Runden 21 und 28 steigerte er sich von 1.33,9 auf 1.33,3 Minuten. Seine neuen Verfolger auf frischen harten Reifen waren kaum schneller. Leclerc hielt es bis Runde 29 aus und hatte so ein Reifen-Delta von zehn Runden zu Piastri, neun Runden zu Russell und acht Runden zu Verstappen.

Noch wichtiger aber war: Leclerc hatte acht Runden freie Fahrt, bis er im DRS-Bereich von George Russell auftauchte. Da fuhr der Mercedes-Pilot schon längst mit dem Rücken zur Wand. Er hatte beim Versuch, den Spitzenreitern zu folgen, seine Reifen überfordert. Die Vorderreifen wurden so heiß, dass sie Blasen zogen. So war Russell für Leclerc und Norris leichte Beute.

Lewis Hamilton - Ferrari - GP Saudi-Arabien 2025
Andrea Diodato via Getty Images

Hamilton schwach, trotz freier Fahrt

Russell konnte sich noch nicht einmal über Verkehr beklagen, dass seine Reifen so dramatisch in die Knie gingen. "Der Speed im Rennen war höher, als wir erwartet hatten. Und wir haben die Abstimmung etwas zu frontlastig ausgelegt", klärten die Strategen auf.

Andrea Kimi Antonelli hatte zwar auch mit heißen Reifen zu kämpfen, doch in einem geringeren Ausmaß als Russell. Im zweiten Stint profitierte der Italiener davon, dass er ab der 30. Runde die Strecke für sich allein hatte. Das Duell mit Isack Hadjar davor hatte zwar Reifengummi gekostet, doch dann nutzte Antonelli die ruhige Phase dazu, seinen Reifen eine Erholung zu gönnen. Es zahlte sich aus. Als Hamilton von hinten näher rückte, hatte er eine Antwort. Es war noch Leben in seinen Reifen.

Auch Sicht von Lewis Hamilton brachte der fünfte WM-Lauf eine Ernüchterung. Der Rekordsieger war über weite Strecken des Rennens allein unterwegs und profitierte dennoch nicht. Er war schlicht zu langsam. Mit seiner persönlich schnellsten Rennrunde lag er nur auf Platz 7. Da hätte angesichts guter Bedingungen mehr dabei herauskommen müssen.

Auch die Williams wurden von ihrem Kommandostand gut im Feld platziert. Carlos Sainz und Alexander Albon mussten sich nur kurz mit Esteban Ocon herumschlagen, der schon in der Safety-Car-Phase am Anfang auf harte Reifen gewechselt hatte. Dann konnten die Williams-Piloten ungehindert Tempo machen, um in Isack Hadjars Boxenstopp-Fenster zu kommen. Was auch gelang. Hadjar hatte es nach seinem späten Stopp in Runde 34 mit zwei Williams zu tun und stand auf verlorenem Posten, weil der eine dem anderen DRS spendete.

Safety-Car - Formel 1 - GP Saudi-Arabien 2025
Mark Sutton via Getty Images

Safety-Car als Freund und Feind

Lando Norris und Isack Hadjar haben gezeigt, dass es eine gute Entscheidung war, gegen den Trend mit härteren Reifen zu starten. Das brachte sie automatisch irgendwann in saubere Luft. Norris hatte 32 Runden lang freie Fahrt, Hadjar 21 Runden.

Hätte sich Norris nicht zwei Mal von Hamilton mit dem DRS auf der Zielgeraden austricksen lassen, hätte er später im Duell mit Leclerc mehr Zeitreserven gehabt. Hadjar verzweifelte zwei Mal an Albon. Im ersten Stint fuhr er sechs Runden im Getriebe des Williams, im zweiten zwölf. Beides tat den Reifen nicht gut.

Wer mit einer anderen Reifenfolge versucht, sich freie Fahrt zu verschaffen, spielt mit dem Feuer. Man kann einen Volltreffer landen oder eine Niete ziehen, Ferrari versuchte es in Bahrain und wurde vom Safety-Car betrogen. Es kam aus Sicht von Ferrari zu früh. Norris, Hadjar, Stroll und Hülkenberg hätten sich in Jeddah ein Safety-Car nach der 23. Runde gewünscht. Das hätte ihnen einen Gratis-Boxenstopp geschenkt.