So schnell kann es gehen. Am Rennwochenende in Silverstone wurden von englischer Seite noch alle Gerüchte dementiert, dass Christian Horners Position bei Red Bull wackelt. Drei Tage später wurde der 51-jährige Engländer mit dürren Worten von seinen Aufgaben bei Red Bull entbunden. Um es klar zu machen: Horner ist immer noch bei Red Bull angestellt. Er hat nur nichts mehr zu sagen. Und das mit sofortiger Wirkung. Wie lange dieser Zustand bis zur endgültigen Trennung anhält, müssen jetzt die Anwälte klären.
Der Erdrutsch beim Meister-Team spricht für den Entscheidungsdruck, der auf den Hauptquartieren in Milton Keynes, Salzburg und Bangkok gelastet hat. Und das hat nicht nur mit der inzwischen fast aussichtslosen Lage in der WM zu tun. Sondern auch mit der Dringlichkeit, Max Verstappen zu halten und das angeschlagene Image des Rennstalls zu polieren.
Der Mann unter dessen Leitung acht Fahrer-Titel, sechs Konstrukteurs-Meisterschaften und 124 Grand Prix gewonnen wurden, wurde aufs Abstellgleis geschickt, weil alle Gesellschafter des Getränkekonzerns der Meinung sind: Das Maß ist voll. Die augenblickliche Formschwäche ist hausgemacht. Zu viele Schlüsselpersonen sind in den letzten zwei Jahren gegangen. Zu viel Macht an einem Ort führte in eine Sackgasse.

Frederic Vasseur sitzt nicht mehr ganz so fest im Sattel. Angeblich hat es schon Gespräche zwischen Ferrari und Horner gegeben.
Ist Horner ein Mann für Ferrari?
Christian Horner bleibt trotzdem eine Schlüsselfigur auf dem Markt. Er hat 21 Jahre Formel-1-Erfahrung, ist bestens vernetzt mit FIA und der Formel 1, weiß wie man einen Rennstall der Größe von Red Bull leitet und was es zum Gewinnen braucht.
So ist er auch für das ein oder andere Team interessant, bei dem sich gerade eine Vakanz auftut. Allerdings nicht sofort. Horner ist erst frei, wenn er sich mit Red Bull auf die Trennungs-Modalitäten geeinigt haben. Der Ex-Teamchef hat einen langjährigen Vertrag mit Red Bull, der bis 2030 reicht.
Der erste Reflex geht Richtung Ferrari. Aus Maranello hatte Horner schon einmal in den 2010er Jahren ein Angebot. Er zog sein Amt bei Red Bull dem Schleudersitz bei Ferrari vor. Angeblich hat es auch in jüngerer Vergangenheit Gespräche mit John Elkann gegeben. Horner schwor auch da seinem Rennstall die Treue. Weil er in Milton Keynes sein eigener Herr war und Schalten und Walten konnte, wie er es wollte. Bis es den anderen Gesellschaftern zu bunt wurde.

Schlechtes Timing: Horner-Kumpel Flavio Briatore hat mit Steve Nielsen gerade erst einen Mann verpflichtet, der das Tagesgeschäft bei Alpine führen soll.
Alpine hat Lücke schon geschlossen
Bei Ferrari ist die Zukunft noch nicht geklärt. Laut italienischen Zeitungsberichten soll Frédéric Vasseur auf dem Prüfstand stehen. Es ist aber auch möglich, dass Vasseur von sich aus seinen Vertrag nicht verlängert. Die Wogen haben sich zwar mit dem Besuch von Ferrari-Präsident Benedetto Vigna in Silverstone wieder etwas geglättet, doch bei diesem Rennstall weiß man nie. Ruhe herrscht nur, bis der nächste ins Wespennest sticht.
Aus Italien kommen auch die Gerüchte, dass im Ernstfall eher WEC-Chef Antonello Coletta der wahrscheinlichere Nachfolger für Vasseur wäre als Horner. Gegen den Ex-Red Bull-Chef spricht, dass er nicht Italienisch spricht, in Maranello keine Verbündeten hat, in Italien leben müsste und mit seinem Gehalt vermutlich anecken würde. Horner soll zuletzt 15 Millionen Pfund bei Red Bull verdient haben.
Alpine hat seine Lücke nach dem Abgang von Oliver Oakes bereits geschlossen. Nachfolger auf dem Teamchef-Posten wird Steve Nielsen. Es ist sehr unwahrscheinlich dass Chef-Sanierer Flavio Briatore die Entscheidung rückgängig macht, auch wenn er und Horner gut miteinander können. Dazu kommt: Zwei Alpha-Tiere in einem Team geht nicht.

Grame Lowdon führt aktuell das F1-Projekt von Cadillac an. Er hat aber nicht das Format eines Christian Horner.
Cadillac braucht ein Gesicht
Bleibt als dritte Möglichkeit noch Cadillac. Über diese Variante wurde in Silverstone bereits hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Horner wäre für den US-Rennstall der ideale Mann in übergeordneter Funktion. Auch da werden parallel ein Team und ein Motorenhersteller aufgebaut. Horner hat das alles schon einmal erlebt.
Bei aller Wertschätzung des aktuellen Teamchefs Graeme Lowdon. Der bringt Marussia als Referenz mit, Horner Red Bull. Lowdons Gesicht kennen nur Formel-1-Nerds, das von Horner dank Netflix die Welt. Mit ihm an der Spitze bekäme das Projekt eine ganz andere Wertschätzung. Und politisch in der Szene mehr Gewicht.