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Charles Leclerc im Interview
„Pole-Positions sind keine Höhepunkte mehr“

Für Charles Leclerc war das Jahr 2023 eine Enttäuschung. Erst am Ende der Saison kam der Vize-Weltmeister von 2022 in Schwung. Der Monegasse erzählt im Interview, wo der Ferrari seine Schwächen hatte und warum in Suzuka der Knoten platzte.

Charles Leclerc - Formel 1 - 2023
Foto: Ferrari

Wie lief diese Saison aus Ihrer Sicht?

Leclerc: Es war keine überragende Saison, weil unser Auto nicht so gut war wie erwartet. Auch der anderen Seite haben wir viel für 2024 gelernt. Und das ist das beste, was du in einem schwierigen Jahr erwarten kannst. Leider konnten wir diese Saison nicht mehr viel ändern, aber mittelfristig sind wir jetzt in der Lage, einen Schritt vorwärtszumachen. Ich selbst bin mit mir einigermaßen zufrieden. Die Charakteristik dieses Autos passte eigentlich nicht zu meinem Fahrstil. Daran haben wir während der Saison gearbeitet und langsam eine Richtung gefunden, die mir besser passt. Speziell der neue Unterboden in Japan hat mir geholfen. Die Vorderachse beißt jetzt wieder besser zu. Auf der Negativseite stehen einige Defekte zu Beginn der Saison und natürlich die Disqualifikation in Austin.

Unsere Highlights

Wie kann es sein, dass ein Upgrade das Auto so ändert, dass mal Sie, mal Carlos Sainz besser damit zurechtkommen?

Leclerc: Ich glaube nicht, dass es von Upgrade zu Upgrade so extreme Ausschläge zu Carlos oder zu mir gibt. Mein Problem zu Beginn des Jahres lag in den starken Reaktionen des Autos. Schon bei leichtem Übersteuern war plötzlich der komplette Grip im Heck weg. Das hat unter dem Strich zu viel Zeit gekostet. Deshalb waren wir gezwungen, das Auto so abzustimmen, dass es untersteuert. Das passt nicht zu meinem Fahrstil. Daran haben wir aber gearbeitet und schließlich auch eine Lösung gefunden. Von dem Moment an habe ich mich viel wohler gefühlt. Ich kann das Auto von der Tendenz her wieder Richtung Übersteuern abstimmen, und es ist immer noch fahrbar.

Sie und Ihr Teamkollege haben sich immer wieder beklagt, dass der Ferrari nur in einem sehr kleinen Fenster funktioniert. Was heißt das aus Sicht des Fahrers?

Leclerc: Wenn wir in der Qualifikation neue Reifen haben, dann kompensiert der extra Grip der Reifen die Schwächen des Autos. Dann sind wir bei der Musik. Sobald die Reifen älter werden und Grip verlieren und wir viel Sprit an Bord haben, beginnen die Probleme. Fahren wir dann noch im Verkehr, kommt Wind auf oder ändern sich die Temperaturen, treten die Schwächen noch stärker hervor. Es wird dann sehr schwierig, das Auto zu fahren.

Charles Leclerc vs. Max Verstappen - Formel 1 - GP Las Vegas 2023
xpb

Im Duell mit Red Bull zog Ferrari zu oft den Kürzeren.

Aber profitiert der Red Bull nicht genauso von frischen Reifen?

Leclerc: Ja, aber er profitiert davon weniger. Bei uns lässt der neue Reifen die Schwächen verschwinden, die uns sonst bremsen würden. Es ist wie gesagt ein ganz schmaler Grat, auf dem das Auto funktioniert. Nehmen Sie den GP Mexiko: Auf den Medium-Reifen waren wir richtig schnell unterwegs. Kaum sind wir auf harten Reifen gefahren, ging nichts mehr.

Sind diese Autos schwerer zu verstehen als die Generation davor?

Leclerc: Das ist für mich schwer zu beurteilen. Es ist das erste Mal in meiner Karriere, dass ich eine komplett neue Fahrzeuggeneration erlebe. Als ich in der Formel 1 angefangen habe, sind wir mit Autos gefahren, die schon sehr ausgereift waren. Sie waren für alle eine bekannte Größe. Diese Autos sind so neu und so anders, dass alle durch einen Lernprozess gehen. Nach nur eineinhalb Jahren Erfahrung damit fühlt es sich schwerer an sie zu verstehen und Vorhersagen zu treffen. Das kann sich aber ändern.

Verlangen die Groundeffect-Autos einen anderen Fahrstil?

Leclerc: Auf jeden Fall in dem Punkt, wie du über die Randsteine fährst. Du versuchst, sie zu vermeiden, wo immer es geht. Die Strömung unter dem Auto ist superwichtig. Wenn du zu hart drüberfährst, wird diese Strömung gestört, und du spürst das auch sofort. Diese Autos sind so viel härter gefedert und reagieren deshalb auch anders. In einigen Kurven musst du aber über die Kerbs und musst damit leben. Andererseits änderst du deinen Fahrstil jedes Jahr. Du musst dich immer an das Auto anpassen, das du gerade fährst.

Charles Leclerc - Formel 1 - 2023
Ferrari

Persönlich kann Leclerc mit seiner Saison zufrieden sein. Die Fehlerquote war gering.

Wann in der Saison haben Sie gespürt, dass 2023 eine weitere harte Saison für Sie wird?

Leclerc: Mir war das gleich nach den Wintertests klar. Carlos fuhr am ersten Morgen bei nahezu Windstille und er war recht zufrieden. Ich bin am Nachmittag in das Auto gestiegen, und der Wind hat zugelegt. Das Auto war plötzlich extrem schwer zu fahren. Anfangs war ich noch unsicher, weil ich noch nicht wusste, wie die anderen Autos darauf reagieren. Als Red Bull am letzten Testtag mit vollen Tanks eine Rennsimulation gefahren ist, wurde uns klar, dass die im Renntrim weit vor uns liegen. Da kannst du nicht bluffen. Volle Tanks sind volle Tanks.

Und dann?

Leclerc: Am Anfang hat uns verwirrt, dass wir in der Qualifikation gut mit ihnen mithalten konnten. Bei uns passte der Speed auf eine Runde mit dem Renntempo nicht zusammen.

Wie hart ist es so eine Situation als Fahrer zu akzeptieren?

Leclerc: Du musst es akzeptieren, wie es ist. Es bleibt dir gar nichts anderes übrig. Ich fühlte mich irgendwie an 2020 erinnert. Nach einer guten Saison 2019 mit meinen ersten Siegen wollte ich mehr, und dann kam dieser Rückschlag. Von damals haben wir gelernt, dass es super wichtig ist, nicht die Motivation zu verlieren, wenn es mal nicht so läuft. Die Reaktion des Teams dieses Jahr war unglaublich und sehr anders als 2020. Keiner hat sich aufgegeben. Es ist ein viel größerer Wille da, noch während der Saison etwas zu ändern. Als wir Schritt für Schritt unsere Schwachpunkte verstanden haben, hat sich die Fabrik voll reingelegt, gewisse Upgrades früher fertigzustellen, um vielleicht noch dieses Jahr etwas zu verbessern. Ja, wir haben ein paar Fortschritte gemacht, aber es war nicht genug, den Vorsprung von Red Bull aufzuholen. Um das zu schaffen, müssten andere Dinge am Auto geändert werden, was leider während der Saison nicht möglich ist.

Ferrari scheint sein Auto in der zweiten Saisonhälfte viel besser zu verstehen. Was brachte die Wende?

Leclerc: Die Wende kam in Zandvoort. Wir haben komplett unterschiedliche Dinge mit den beiden Autos probiert und daraus viel gelernt. Im ersten Teil der Saison haben wir auch viel experimentiert. Manches hat geholfen, manches nicht. Mal war Carlos gut, mal ich. Mal ging gar nichts. Deshalb sah es so aus, als wüssten wir nicht, was wir tun. Doch wir haben aus jedem dieser Schritte gelernt. Zandvoort war dann eher der Moment, an dem wir das bis dahin gewonnene Verständnis durch spezielle Tests abgesichert haben.

Charles Leclerc - Formel 1 - 2023
Ferrari

In der zweiten Saisonhälfte ging es aufwärts. Das gibt Hoffnung für die neue Saison.

Wenn Sie hinter Verstappen herfahren, sehen Sie dann, wo der Red Bull besser ist?

Leclerc: Ich habe mich nach Mexiko mit Lewis [Hamilton] unterhalten, wo er mir erzählt hat, dass er genau sehen kann, wo das Auto von Max besser ist. Vielleicht trifft das auf ihn zu, aber ich muss Ihnen sagen, dass ich die Details unmöglich erkennen kann. Wir reden da von Unterschieden von Millimetern in der Bodenfreiheit oder im Federweg. Du kannst natürlich sehen, ob ein Auto weicher oder härter gefedert ist und an welchen Stellen er Zeit auf dich gewinnt. Ich schaue mir lieber die Aufnahmen der Bordkameras an. Da erkennst du schon am Helm des Fahrers, was das Auto auf der Strecke macht und was nicht.

Ist es unfair zu sagen, dass Verstappen mit diesem Auto ein leichtes Leben hat?

Leclerc: Das wäre sehr unfair. Natürlich ist er heute in einer komfortablen Situation, aber um dort hinzukommen, musste er sehr viel Arbeit investieren. Und sie haben einfach einen guten Job gemacht, um dorthin zu kommen, wo sie jetzt sind. Das respektiere ich. Jetzt müssen wir einen gleich guten Job erledigen, um sie einzuholen.

Es gab in diesem Jahr eine Chance, Red Bull zu schlagen und Ferrari hat sie genutzt. Wie hart war es für Sie, dass es ausgerechnet Ihrem Teamkollegen gelungen ist?

Leclerc: Das tut gerade in einer Saison wie dieser, in der es nur diese eine Chance gab, besonders weh. Ausgerechnet da habe ich die Qualifikation nicht optimal hinbekommen, was mir am Ende das Rennen verloren hat. Für das Team war es aber absolut wichtig. Weil wir als Team alles richtig gemacht haben.

War es extra hart, den Wasserträger für Carlos Sainz spielen zu müssen und mit den weichen Reifen ins Rennen zu gehen, um beim Start an Russell vorbeizukommen und dann den Manndecker für ihren Teamkollegen spielen zu können?

Leclerc: Das mit den weichen Reifen war meine Idee. Nicht um Carlos zu helfen, sondern weil es für unser Rennen das Beste war. In solchen Momenten musst du akzeptieren, dass das Team an erster Stelle steht. Sie würden das gleiche auch für mich machen, wenn ich vorne läge.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Las Vegas  - 18. November 2023
xpb

Leclerc startete fünfmal von der Pole-Position. Die Siegerpokale räumten am Ende aber immer andere ab.

Was war Ihr persönliches Highlight in diesem Jahr?

Leclerc: Normalerweise sind das die Siege. Eine Pole-Position fühlt sich natürlich gut an, aber davon habe ich schon 23. Und das Ganze wird natürlich dadurch getrübt, dass ich schon am Samstag weiß, dass der Sonntag viel schwieriger wird. Deshalb sind die Pole-Positions kein wirklicher Höhepunkt mehr. Deshalb war das Beste für mich in diesem Jahr, dass ich mitgeholfen habe, das Auto zu verstehen und in eine Richtung zu transformieren, die besser ist und uns mittelfristig zum Erfolg zurückführt. Vor allem, weil es so schwierig war, zu diesem Verständnis zu gelangen. Meistens geht es immer nur darum, ein paar Punkte Abtrieb mehr zu finden. Diesmal ist es viel komplexer, und es ist viel schwieriger, den Zusammenhang zwischen einer Änderung und der Rundenzeit herzustellen.

War das große Bild in diesem Jahr wichtiger für Sie, als den Teamkollegen zu schlagen oder in der Fahrerwertung Fünfter oder Sechster zu werden?

Leclerc: Die WM-Position ist für mich als Fahrer immer wichtig. Aber ob ich nun Vierter oder Siebter werde, ist zweitrangig im Vergleich dazu, ob wir bald wieder zu einem konkurrenzfähigen Auto zurückfinden, so wie wir das in der ersten Saisonhälfte 2022 hatten.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie dort schon nächstes Jahr wieder hinkommen?

Leclerc: Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass wir nächstes Jahr einen Schritt vorwärtsmachen. Leider ist alles in diesem Sport relativ. Wenn Red Bull eine weitere Sekunde findet, sehen alle alt aus. Sicher kann man sich nie sein. Wir reden im Vergleich zu Red Bull nicht von einem Zehntel, das wir im Renntrim aufholen müssen, sondern von vielen Zehnteln. Das bedeutet viel Arbeit, und das ist auch jedem bewusst. Ich vertraue diesem Team, weil wir uns nicht anlügen. Deshalb glaube ich auch daran, dass wir aufholen werden. Ich kann Ihnen aber keinen Zeitrahmen sagen.

Wie groß ist Ihre Geduld mit Ferrari?

Leclerc: Ich bin älter und reifer geworden. Wenn ich etwas bei Ferrari gelernt habe, dann ist es Geduld. Der Traum meines Lebens ist Weltmeister mit Ferrari zu werden. Das kann man nicht erzwingen. Dieser Langzeitraum ist es wert, geduldig zu sein.

Ferrari ist ein spezielles Team. Pannen werden heftiger kritisiert als bei anderen. Ist das fair?

Leclerc: Andere kommen damit vielleicht einfacher durch, aber damit müssen wir leben. Ferrari ist Ferrari aus einem Grund. Da herrscht einfach eine ganz andere Leidenschaft. Jeder, der einen Vertrag mit Ferrari unterschreibt, egal ob Fahrer oder in irgendeiner anderen Funktion, muss akzeptieren, dass er mehr unter Druck steht als andere. Ich habe damit kein Problem. Ich glaube, wir gehen damit besser um als in der Vergangenheit.

Wir haben derzeit viele Diskussionen um Streckenlimits, Delta-Zeiten in der Qualifikation, Abnutzung von Schutzplanken: Sind die Regeln zu kompliziert?

Leclerc: Wir brauchen Regeln. Manchmal sogar sehr spezielle, um konstantere Urteile zu bekommen. Jeder Fall ist anders. Für mich sind die Regeln nicht zu kompliziert. Sie brauchen nur hier und da Verbesserungen. Speziell bei den Streckenlimits, über die wir nun schon viel zu lange diskutieren. Aber bei der Technik muss es Regeln geben. Auch wenn wir wie bei uns in Austin über minimale Abweichungen von Zehntel Millimetern reden, sind die Regeln schwarz und weiß. Drüber ist drüber. Das muss man akzeptieren.

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