Selbst Colton Herta ist von dem Hin und Her mittlerweile genervt. Der gebürtige Kalifornier, der mit gerade einmal 24 Jahren in seine siebte IndyCar-Saison geht, erklärte im Zuge der Indy-Medientage: "Ein halbes Jahrzehnt mache ich dieses Spielchen schon mit. Das Thema Formel 1 hängt wie eine Karotte vor meiner Nase." Der leichte Frust ist verständlich. Gleich mehrfach wurde er mit einer nahen F1-Zukunft in Verbindung gebracht.
Los ging es im Jahr 2021, als Michael Andretti länger am Sauber-Team baggerte – nur um dann im Endspurt zu scheitern. Immerhin hat Colton Herta erste Simulator-Runs bei den Schweizern abspulen dürfen. Laut einem viel zitierten Interview mit Mario Andretti sei der Youngster hierbei schneller als die Stammpiloten Antonio Giovinazzi und Kimi Räikkönen gewesen.
Geholfen hat es nicht. Reale Kilometer, wie sie über die Kooperation mit Ferrari anfangs angedacht waren, fielen ebenfalls aus. Erfüllt wurde der Wunsch dann von McLaren im Juli 2022: Herta testete zwei Tage in Portimão. Bereits im März wurde er in den Papaya-Förderkader aufgenommen. Zwischenzeitlich zeigte sich auch Red Bull interessiert an den Diensten des Sohns von IndyCar-Rennsieger Bryan Herta. Dem Dosenkonzern schwebte ein gigantischer Marketing-Aufschlag in den USA vor.

Erstmals seit vielen Jahren vergrößert sich durch Cadillac der Kreis der aktiven F1-Fahrer. Colton Herta war bislang eines der Opfer der geschlossenen Gesellschaft.
Ewiges Superlizenz-Drama
Auch dieser Traum platzte schließlich. Um eine echte Chance beim B-Team Toro Rosso zu bekommen, hätte die FIA bei den fehlenden Superlizenz-Punkten ein Auge zudrücken müssen. Der Weltverband zeigte sich in diesem Punkt jedoch pedantisch und schoss damit einen Plan ab, der sogar vorsah, dass Colton Herta bei einem Alpine-Test eingebucht wird. Weil parallel die Bemühungen von Michael Andretti immer mehr in eine Sackgasse gerieten, schien sich das F1-Fahrerkarussell plötzlich ohne Herta zu drehen.
Letzten November kam dann die Kehrtwende: Andretti startet 2026 unter neuen Vorzeichen – und ohne Rolle für Michael Andretti – in der Königsklasse. Mehr oder weniger hatten die Geldgeber, Dan Towriss und Mark Walter (TWG Global), das Projekt zusammen mit GM bzw. Cadillac gekapert. Patriarch Mario Andretti wird als Berater den Familiennamen hochhalten. Der Weltmeister des Jahres 1978 gilt bis heute als riesiger Fan von Colton Herta. Ginge es nach ihm, wäre der Zweite der abgelaufenen IndyCar-Saison für ein Cockpit gesetzt.
Diese Zuversicht teilt Herta allerdings nicht. Seine Botschaft gegenüber den IndyCar-Journalisten war eindeutig: "Mich ermüdet die Situation, denn ich will mich einfach nur auf das Rennfahren konzentrieren und meinen Fokus für den Meisterschaftskampf bewahren. Falls daraus eine Formel-1-Möglichkeit erwächst, muss ich in mich gehen. Es ist nicht so, als ob ich in der ersten Sekunde der Wahl sofort zucke."

Lange kämpfte Michael Andretti für sein Ziel eines eigenen Formel-1-Teams. Die Lorbeeren streichen nun andere ein.
Der Wille wäre da, aber...
Mittlerweile hat sich der in Nashville beheimatete Herta nämlich auch menschlich weiterentwickelt. "Alle meine Freunde und die Familie sind in den USA zu Hause. Dort, wo ich für das Projekt hinziehen müsste, kenne ich keinen. Das ist eine große Lebensentscheidung." Es wäre aber nicht das erste Mal, dass Herta in Europa lebt. 2015 trat er in der Britischen Formel 4 an, 2016 fuhr er mehrere Formel-3-Formate auf dem Alten Kontinent.
Obwohl Herta kein Überflieger war, blitzte sein Talent immer wieder auf. Beispielsweise lieferte er sich in der F4 mehrmals Duelle mit Lando Norris. Würde er sich eine Neuauflage also zutrauen? "Ich habe hinsichtlich meines Alters und anderen Faktoren keine Sorge." Parallel schwingt wiederholt die Frage der Superlizenz mit. Damit alle Fragen endgültig ausgeräumt sind, muss Herta am Ende der IndyCar-Saison ein Resultat in der Tabellenspitze einfahren.
"Ich mache mir nicht einmal die Mühe, die Mathematik dahinter zu verstehen. Wenn es klappt, wunderbar! Dann werde ich eine Entscheidung treffen. Sollte es nicht reichen, kann ich mit dem Verbleib in der IndyCar gut leben. So oder so passt die Zukunft!" Für Herta startet am 2. März in St. Petersburg (Florida) Mission IndyCar-Titel-Nummer-1.

Laut Cadillac-Berater Mario Andretti gehört Mick Schumacher zu den Optionen. Konkret wurde er jedoch nicht.
Perez, Zhou und Mick als Alternativen?
Auch sonst dürfte der Fahrermarkt den Caddy-Oberen viele Kopfschmerzen bereiten. Zwar werden sich Top-Piloten eher nicht für die 1902 begründete Marke entscheiden. Eine Riege darunter gibt es aber trotzdem etliche spannende Optionen. Sergio Perez und Valtteri Bottas könnten sich als Elder Statesmen bewerben, ähnliches gilt für Daniel Ricciardo. Routine dürfte beim anhaltenden Aufbau des Werksteams extrem wichtig sein. Einen Mittelweg würden die Mittzwanziger Mick Schumacher und Guanyu Zhou darstellen.
Der Deutsche ist erfahrener Simulator-Pilot und hält sich dank Alpine in der WEC rennfit. Für Zhou sprechen der Punktesieg über Bottas und die Wichtigkeit des chinesischen Markts. Außerdem ist Graeme Lowdon, ein enger Vertrauter des Ex-Sauber-Piloten, neuer Cadillac-Teamchef. Spannende Außenseiter finden sich einmal in der Formel 2 und gleich dreimal in der IndyCar. Bester US-Amerikaner des F1-Unterbaus war 2024 Jak Crawford durch den fünften F2-Rang. Sollte er 2025 für DAMS abliefern, wäre ein goldenes Ticket denkbar.
In der IndyCar finden sich zwei weitere Andretti-Piloten unter den Kandidaten für den F1-Aufstieg. Der 26-jährige Kyle Kirkwood kletterte furios die US-Formelleiter herauf und sammelte zuletzt in der höchsten Meisterschaft immer mehr Erfolge. Marcus Ericsson absolvierte fünf F1-Saisons (2014 bis 2018) und half Andretti bei der Suche nach neuer Simulator-Technik. Der Schwede betonte, dass er es nicht im Auftrag von Cadillac tat. Auch an Ganassi-Pilot Álex Palou führt eigentlich kein Weg vorbei. Der dreifache Champion absolvierte sogar schon einen Le-Mans-Start für Cadillac.