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F1 Lotus 79 unterm Hammer
Mario Andrettis „Black Beauty“

Mit dem legendären Groundeffect-Renner Lotus 79 krönte Mario Andretti seine Karriere und wurde zum zweiten US-Weltmeister nach Phil Hill. Im Rahmen des GP Abu Dhabi 2023 verkauft das Auktionshaus Bonhams das prestigeträchtige Titelträger-Chassis 79/4.

Bonhams Verkauf - Lotus 79 (1978) - Groundeffect - Weltmeisterauto Mario Andretti
Foto: Motorsport Images

Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Und wahrscheinlich auch keine auf den zweiten. Noch heute berichtet Mario Andretti nachtragend über das Debüt des Lotus 79 beim sechsten WM-Lauf in Zolder 1978: "Ich musste die ganze Zeit pumpen, um Bremswirkung zu haben. Ich habe trotzdem gewonnen. Colin Chapman wollte nichts davon hören. Auf dem Ohr war er taub. Hauptsache, wir hatten das schnellste Auto."

Und obwohl das Problem – Hitze vom Getriebe hat auf die Bremsen abgestrahlt und die Bremsflüssigkeit zum Kochen gebracht – den Typ 79 auch anschließend begleitete, waren Andretti und sein Kollege Ronnie Peterson kaum zu stoppen. Am Steuer der Weiterentwicklung siegte der Amerikaner anschließend in Jarama, Le Castellet, Hockenheim und Zandvoort.

Unsere Highlights

Zusammen mit dem Auftakterfolg in Buenos Aires gewann Andretti am Ende ein Drittel der Rennen im F1-Jahr 1978. Peterson triumphierte noch im Vorjahreswagen in Kyalami und dann mit dem Typ 79 in Spielberg. Kombiniert fuhr das Vollgas-Duo in der gesamten Saison vier Doppelsiege und elf Pole-Positionen ein.

Bonhams Verkauf - Lotus 79 (1978) - Groundeffect - Weltmeisterauto Mario Andretti
Motorsport Images
Mario Andretti und Ronnie Peterson feierten vier Doppelsiege. Besonders dominant waren sie in der Qualifikation.

Groundeffect-Wunder mit fremden Lorbeeren

Die Basis für eine der dominantesten Leistungen der Formel-1-Geschichte wurde schon im Vorjahr mit dem revolutionären Typ 78 gelegt. Der Groundeffect-Denkanstoß stammte allerdings von der Konkurrenz, wie Mario Andretti mittlerweile zugeben kann. "Die Idee entstand aus meinen Erfahrungen mit dem March 701 von 1970 heraus. Seine Seitenkästen sahen wie Flügel aus."

"Bei einem Test in Kyalami haben wir die Seitenkästen abgenommen, um den Luftwiderstand zu verringern. Plötzlich wurde das Auto vorne leicht. Was uns gezeigt hat, dass die Seitenkästen ganz offensichtlich Abtrieb produziert haben. Wir mussten vorne mit viel mehr Flügel fahren, um das zu kompensieren, was aber unseren Plan konterkarierte, weil wir ja Luftwiderstand einsparen wollten."

Im Jahr 1976 teilte der Racer aus Nazareth, Pennsylvania, dann seine Erfahrung mit den Lotus-Mechanikern. "Die Seitenkästen des March waren relativ kurz. Colin Chapman kam mit dem Vorschlag, dass wir einen großen Seitenkasten über die gesamte Länge des Radstands bauen und ihn zur Straße hin versiegeln, um die Luft auf das Flügelprofil zu leiten. Das erste Groundeffect-Auto war also nicht eine geniale Idee, sondern die Evolution einer Idee, die March schon viele Jahre vorher hatte."

Der auch John Player Special MkIII genannte Rennwagen wurde bei Tests weiter verbessert. Um die Kanten der Seitenkästen bei steigenden Geschwindigkeiten näher an den Asphalt zu bringen, experimentierte man unter anderem mit Plastikstreifen und Bürsten herum. Am Jahresende standen fünf Siege (viermal Andretti und einmal Gunnar Nilsson), aber auch zahlreiche Ausfälle in der Ergebnisliste. Für den finalen Sprung an die Weltspitze fehlte also noch etwas.

Lotus 78 (1977) - Mario Andretti - Österreich
Motorsport Images
Der Lotus 78 gilt als das erste wirklich funktionierende Groundeffect-Auto der Formel 1. Sein Konzept hatte aber noch Schwächen.

Schlechte Bremsen, unschlagbarer Speed

Das Team Lotus feilte dementsprechend weiter am diffizilen Luftführungskonzept und profitierte dabei von den Fortschritten bei der Windkanal-Technik. Neben beweglichen Schürzen entwickelte die Chapman-Crew so einen verbesserten Diffusor und schraubte an der Bodenfreiheit.

Andretti blickt zurück: "Die beiden Kanäle in den Seitenkästen wurden konsequent freigeschaufelt, um eine saubere Strömung durch das ganze Auto zu bekommen. Die hinteren Bremsen zum Beispiel waren zwar schon innen montiert, aber sie standen beim Lotus 78 noch zu sehr im Luftstrom. Beim 79er-Lotus hat Colin die Bremssättel direkt am Getriebegehäuse montiert." Mit den bereits erwähnten Folgen.

Die aerodynamisch aufgeräumtere "Black Beauty" war trotz ihrer Makel schließlich der Konkurrenz entwachsen. Zwar gab es mit dem Ferrari 312T2/3 und dem Brabham BT46B ("Ventilator-Auto") zwei ikonische Rivalen. Beide hatten jedoch nicht das Zeug zu dauerhaften Herausforderern.

So war die Scuderia trotz immerhin fünf Siegen stets zur Abstauberrolle verdammt, der BT46B wurde hingegen nach seinem dominanten Debüt-Sieg in Anderstorp von den Regelmachern einkassiert. Gordon Murrays Luftabsaugtrick – oder wie er argumentierte: Motorkühlung – war selbst für die damalige Zeit einen Schritt zu weit gegangen.

Brabham BT46B (1978) - Anderstorp (Schweden)
Motorsport Images
Das beste Auto der Saison war womöglich ein anderes: Der Brabham BT46B war dank seines Ventilators beim Debüt in Schweden unschlagbar. Laudas Erfolg blieb ein Einzelfall – die Regelmacher schritten ein.

Peterson-Tod überschattet Titel

Mangels konstanter Gegner krönte sich Mario Andretti dann im Zuge des drittletzten Laufs zum zweiten US-Champion nach Phil Hill – passenderweise mit einem drei Liter großen Ford-Cosworth-DFV-V8. Sein Quasi-Heimspiel in Monza – Andretti kam in Istrien (damals noch Königreich Italien) auf die Welt – wurde vom tragischen Unfall von Ronnie Peterson überschattet. Der Andretti freundschaftlich verbundene Schwede wurde in der Anfahrt zur ersten Kurve in eine Massenkarambolage verwickelt und blieb zunächst in seinem brennenden Wrack stecken. James Hunt, Clay Regazzoni und Patrick Depailler konnten ihn allerdings zügig aus dem Lotus 78 befreien, auf den er nach einem Trainingsunfall wechseln musste.

Peterson wurde daraufhin mit zahlreichen Beinbrüchen in ein Krankenhaus gebracht, wo die Ärzte eine durch die Frakturen ausgelöste Fettembolie feststellten. Ein Nierenversagen am Montag führte zum Tod des anhaltend verehrten Schweden – unter anderem trägt der letztjährige Indy-500-Sieger Marcus Ericsson einen Tribut-Helm.

Weltmeister Andretti erzählte später ESPN über den Verlust seines Freundes: "Es war so unfair, dass eine Tragödie mit dem eigentlich glücklichsten Tag meiner Karriere verbunden ist. Ich konnte nicht feiern, aber ich wusste dafür, dass die Trophäe für immer mir gehört. Und ich wusste, dass Ronnie sich für mich gefreut hätte." Der Familienvater aus Örebro wurde posthum zum zweiten Mal Vize-Weltmeister. Sein Anteil am Konstrukteurstitel schlägt sich im Slogan "Mario and Ronnie Train" nieder.

Bonhams Verkauf - Lotus 79 (1978) - Groundeffect - Weltmeisterauto Mario Andretti
Bonhams / Francis Vermeulen
Das Weltmeister-Chassis 79/4 wird im Rahmen des GP Abu Dhabi vom Auktionshaus Bonhams verkauft.

Verkauf als Teil einer neuen F1-Kooperation

45 Jahre nach den historischen Ereignissen der zweiten Groundeffect-Saison steht Andrettis "Black Beauty" nun wieder im Rampenlicht. Das Auktionshaus Bonhams hat angekündigt, das Titelträger-Chassis 79/4 im Rahmen des GP Abu Dhabi 2023 zu verkaufen.

In ihm gewann der US-Amerikaner Zandvoort und fuhr in Monza die letzten notwendigen Punkte heraus. Der Lotus ist das Highlight des ersten gemeinsamen Events mit dem neuen Partner F1 Paddock Club. Bonhams gibt einen Schätzrahmen von 6,5 bis 9,5 Millionen Dollar an. Das würde locker für einen Platz in der Top-Ten-Liste der teuersten F1-Renner aller Zeiten reichen.

Da Hills legendärer "Sharknose"-Ferrari laut des Auktionshauses von Ferrari eingestampft wurde, ist das Andretti-Chassis die einzige Möglichkeit, ein Auto zu besitzen, das von einem US-Amerikaner siegreich zum Titel pilotiert wurde. Die Auktion findet vor Ort beim F1-Saisonfinale statt und soll von Formula 1 TV übertragen werden.

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