Aston Martin: Fehlentwicklungen führen in die Krise

Gründe für die Aston Martin-Krise
Technikchef stolpert über Unterboden-Flops

Zuletzt aktualisiert am 18.11.2024

Schlimmer konnte es nicht kommen. Aston Martin brachte aus Austin, Mexiko-City und São Paulo null Punkte mit. Dafür jede Menge Schrott nach zwei schweren Unfällen in der Qualifikation von Interlagos. Lob verdienten nur die Mechaniker. Sie schafften es in drei Stunden, zwei stark ramponierte Autos rennbereit zu machen.

Der WM-Fünfte muss sich plötzlich noch Sorgen um seine Position in der WM machen. Alpine, Haas und Toro Rosso sind nur zwischen 37 und 42 Punkte weit weg, und sie haben aktuell die besseren Autos. Alpine hat gezeigt, dass es nur ein Chaosrennen braucht, und schon sind solche Lücken geschlossen.

Fallows verliert Technikchef-Posten

Aston Martin hat jetzt auf die jüngste Ergebnisflaute reagiert. Technikdirektor Dan Fallows wurde degradiert. Der frühere Red Bull-Aerodynamiker bleibt Teil des Technik-Teams, wird aber nicht mehr die Entwicklung des Autos leiten. Diese Position übernimmt ab März 2025 ohnehin Adrian Newey. Enrico Cardile wird nach der Freigabe von Ferrari die Organisation im Konstruktionsbüro übernehmen.

Die Entwicklung des Aston Martin AMR24 steht im krassen Gegensatz zu den Ansprüchen des Rennstallbesitzers. Lawrence Stroll will, dass sein Team spätestens 2026 um den Titel mitkämpft. Anfang 2023 wähnte er sich noch auf einem guten Weg. Fernando Alonso war Stammgast auf dem Podest. Das grüne Auto gab seinen Fahrern Vertrauen. Der vom Windkanal versprochene Abtrieb kam auch auf der Rennstrecke an.

Doch kaum legten die Ingenieure Hand an den AMR23, ging es mit jedem Upgrade rückwärts. Weil es zwischendrin immer mal Highlights mit Podestplätzen in Montreal, Zandvoort und Interlagos gab, fiel der negative Trend lange nicht auf.

Dan Fallows - Aston Martin - Formel 1 - 2024
Aston Martin

Zwei Unterboden-Familien

Die Ingenieure hatten schließlich die Unterboden-Entwicklungen von Montreal, Zandvoort und Austin für die starken Formschwankungen im Verdacht. Also schraubte Aston Martin beim Finale in Abu Dhabi den Boden vom Saisonstart ans Auto. Mit dem Ergebnis, dass beide Fahrer immerhin in den Punkterängen ins Ziel kamen.

Chefingenieur Tom McCullough erklärt, warum das Technikbüro die erfolgreichste Version vom Saisonbeginn 2023 trotzdem ausmusterte und für 2024 in eine andere Richtung umschwenkte: "Wir sind mit dem ersten Boden irgendwann an ein Limit gestoßen. Egal, was wir machten, es kam kein Abtrieb dazu. Deshalb mussten wir andere Routen einschlagen."

Doch keines der Alternativkonzepte war, in Relation zur Konkurrenz, wieder so gut wie das Urmodell. In den ersten 21 Rennen der Saison 2024 setzte Aston Martin fünf Unterboden-Spezifikationen ein. Der vom Saisonstart folgten neue Varianten in Suzuka, Imola, Budapest und Austin.

Laut McCullough handelt es sich um zwei unterschiedliche Familien, die je nach Streckentyp eingesetzt wurden. Weil der Transport der riesigen Carbonplatten logistische Probleme mit sich bringt und außerdem richtig Geld kostet, wollte die Technikabteilung unter Fallows mit der jüngsten Variante in Austin eine Version aus dem Hut zaubern, die auf allen Strecken funktioniert.

Fernando Alonso & Lance Stroll - Aston Martin - Formel 1 - GP Brasilien 2024
Aston Martin

In Austin kehrte das Bouncing zurück

Es war wie so oft ein Schuss in den Ofen. Erstens kam das Bouncing wieder zurück, und zweitens war der Abtrieb beim Bremsen, Beschleunigen und in Kurvenfahrt noch instabiler als vorher. Neben dem Mercedes ist der AMR24 das Auto mit der geringsten Bodenfreiheit. Die Aerodynamik ist auf ein kleines Fenster zugeschnitten.

Die bedingungslose Jagd nach guten Abtriebszahlen machte aus den grünen Autos schwer zu fahrende Monster. Den Ingenieuren fehlte der Mut, den Fehler einzugestehen und dem großen Boss Stroll einen Schritt rückwärts vorzuschlagen, damit danach wieder ein Schritt vorwärts gelingt. Stattdessen bog man auf der falschen Grundlage immer weiter falsch ab.

Austin zeigte die Schwächen des Konzepts auf. Der Aston Martin präsentierte sich genau in den zwei mittelschnellen Kurven nach dem Highspeed-Geschlängel konkurrenzfähig, konnte sich in den schnellen Kurven noch einigermaßen behaupten, war aber in den langsamen Passagen das absolute Schlusslicht.

Die Fahrer rapportierten Untersteuern beim Einlenken, Übersteuern am Kurvenausgang. Darunter litt die Traktion. Das killte wiederum die Reifen. Bei eingeschlagenen Rädern verlieren die grünen Autos bis zu 50 Prozent Abtrieb. Ein Problem, das Aston Martin schon lange mit sich herumschleppt, nur nicht in der zuletzt gezeigten Dimension.

Mike Krack - Aston Martin - Formel 1 - 2024
Aston Martin

Rekordwerte kommen nicht an

Nico Hülkenberg kommt die Geschichte bekannt vor: "Genau das Gleiche hatten wir letztes Jahr. Die Aerodynamik hat nur in einem Kurventyp funktioniert und war auf dem ganzen Rest schlecht." Haas hat über den Winter die Notbremse gezogen. Das Aerodynamik-Kennfeld ist jetzt wieder ein sanfter Hügel. Bei Aston Martin ist es ein spitzer Berg.

Bis Saisonmitte waren die grünen Autos wenigstens noch klar die fünfte Kraft im Feld. In Austin fuhr nur noch Sauber langsamer. Danach mussten sich die Aerodynamiker die Kritik gefallen lassen, dass sie mehr auf Rekordzahlen im Windkanal fokussiert waren als auf nutzbaren Anpressdruck, der den Fahrern wieder Vertrauen gibt.

Deshalb wurde der GP Mexiko zum Test deklariert. In der Garage stapelten sich drei Spezifikationen von Unterböden: Stand Austin, Budapest und Suzuka. Die älteste Version machte am Ende das Rennen. Fernando Alonso und Lance Stroll berichteten, dass ihr Auto mit dem Suzuka-Boden wieder berechenbarer wurde. Dann kommt eines zum anderen. Die Fahrer geben mehr Gas, und wenn sie mehr Gas geben, sind die Reifen in ihrem Temperaturfenster.

Alonso und Stroll hätten in Mexiko den Aufstieg ins Q3 geschafft, hätten sie nicht die rote Flagge nach dem Tsunoda-Unfall gestoppt. Im Rennen verpasste Stroll den letzten WM-Punkt um 6,4 Sekunden gegen Pierre Gasly, der aber sechs Positionen vor ihm gestartet war. Chefpilot Alonso konnte nach seinem Ausfall in Runde 16 kaum Feedback geben. Der Spanier war wegen Magenproblemen stark geschwächt und musste unfreiwillig anhalten.

Adrian Newey & Fernando Alonso - Aston Martin 2024
Aston Martin

Kommt die Kehrtwende zu spät?

Auch in Brasilien setzte Aston Martin seine Unterboden-Experimente fort. Teils gezwungen, weil unerwartet viele Bodenwellen die Teams dazu zwangen, ihre Autos höher zu setzen. Und das ist Gift für den AMR24. Der Rückgriff auf verstaubtes Material sollte der Start in bessere Zeiten werden. "Wir müssen in den letzten Rennen dieses Jahres lernen, welche Fehler wir 2025 nicht mehr machen dürfen", forderte Teamchef Mike Krack.

Aston Martin ist mit dem Problem nicht allein. Ferrari, Mercedes und Toro Rosso kämpften auch mit faulen Unterböden. Dort wurde die Kehrtwende aber schneller eingeleitet. Ferraris Misere begann in Barcelona. Vier Rennen gingen durch den Reset verloren, bei Mercedes sechs, bei Toro Rosso zehn. Teilweise sind die Probleme immer noch nicht ganz gelöst, man ist aber auf dem richtigen Weg.

Ferrari baute einen neuen Unterboden mit Korrekturen im hinteren Teil. Mercedes setzte zwischendurch wieder die Imola-Version ein, um in Austin mit einer Neukonstruktion die Schwachstellen auszubessern. Die Frage, ob man damit Erfolg hatte, ist wegen Unfällen und Wetterchaos noch nicht eindeutig geklärt. Toro Rosso arbeitete sich auf der Basis des Miami-Bodens wieder an eine Lösung heran, die mehr nutzbaren Abtrieb liefert.

Der Sprint in São Paulo war für Aston Martin mit den Plätzen 18 und 19 eine Ernüchterung. Danach wurde das Setup ein weiteres Mal umgebaut. Im Regen lief es gar nicht so schlecht. Trotz Unfällen qualifizierten sich Alonso und Stroll für das Q3. Im Rennen bewegte sich Alonso die meiste Zeit in den Punkterängen, bis ein schmerzhaftes Bouncing und Bremsprobleme das Fahren nahezu unerträglich machten.

Der Oldie fuhr das Rennen nur zu Ende, um sich bei seinen Mechanikern zu bedanken. Im Ziel wartete schon der Physiotherapeut, um dem Piloten zu helfen. Den könnten auch die Autos gebrauchen.