Einstiegspläne: Formel 1 lässt Andretti warten

Vor oder nach Concorde Agreement?
Andretti-Einstieg unter Zeitdruck

Zuletzt aktualisiert am 09.02.2023

Der Streit um den möglichen Einstieg des US-Rennstalls Andretti zusammen mit Motorenpartner Cadillac schwelt immer noch hinter den Kulissen der Königsklasse. FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem hatte den Plänen bereits seinen Segen gegeben und einen schnellen Abschluss des offiziellen Bewerbungsprozesses in Aussicht gestellt.

Doch auf Seiten der Formel-1-Bosse tritt man eher auf die Bremse. Obwohl Andretti alle Kriterien für einen Einstieg zu erfüllen scheint, ist bei den Rechteinhabern von Liberty Media keine große Euphorie zu spüren. Auch bei den Teams hält sich die Begeisterung darüber in Grenzen, dass man den Prämientopf künftig mit einem weiteren Konkurrenten teilen muss. Obwohl die Entschädigung von 20 Millionen Dollar pro Team den Verlust von vier bis fünf Millionen Dollar pro Jahr mittelfristig kompensieren würde. Bis auf McLaren und Alpine lehnen angeblich alle Rennställe den potenziellen Neueinsteiger ab.

Die Fronten sind in dieser Angelegenheit schon seit längerer Zeit verhärtet. Das F1-Management zeigte sich irritiert, dass man nicht eingeweiht wurde, bevor Andretti und Cadillac Anfang Januar mit ihren Plänen in einer großen Pressekonferenz an die Öffentlichkeit gingen. Für Verstimmung sorgten auch ein paar forsche Aussagen von Rennstall-Boss Michael Andretti. Der US-Amerikaner hatte den anderen Teams öffentlich Gier vorgeworfen.

Michael Andretti & Mohammed ben Sulayem - F1 2022
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Formel 1 vs. FIA

Mit der FIA stehen die F1-Bosse ebenfalls auf Kriegsfuß, seit Präsident Ben Sulayem ein mögliches 20-Milliarden-Dollar Preisschild für die Königsklasse als zu hoch bezeichnet hatte und Mitspracherecht bei einem möglichen Verkauf einforderte. Die F1-Justiziare schickten daraufhin einen bösen Brief zum Weltverband nach Paris, in dem mitgeteilt wurde, dass man derartige Einmischungen in kommerzielle Angelegenheiten nicht dulde.

Der Knackpunkt in dieser Streitsache liegt darin versteckt, dass der Weltverband bei einem Besitzerwechsel kein Veto mehr einlegen darf. Nach Informationen von auto motor und sport wurde die entsprechende "Don-King-Klausel" im Zuge der Komplettübernahme durch Liberty im Jahr 2017 aus den Verträgen entfernt. Die neuen Eigentümer könnten das Geschäft also ohne Rücksprache veräußern, wenn sie wollten.

Auch beim Thema Andretti-Einstieg wurde gestritten. Ben Sulayem hatte öffentlich behauptet, dass es keine anderen Bewerber geben würde. Doch auch das wurde umgehend von den Formel-1-Verantwortlichen dementiert. Man wolle allen Interessenten die gleichen Chancen einräumen, hieß es offiziell. Hinter vorgehaltener Hand wurde von mindestens zwei weiteren ernsthaften Kandidaten mit Motorsport-Erfahrung gesprochen. Darüber hinaus soll es sogar noch Interesse von zwei weiteren Bewerbern geben. Sie werden allerdings kaum die Kriterien erfüllen, die der Weltverband allen Neulingen auferlegt hat.

Stefano Domenicali - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2022
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Entscheidung verzögert sich

Die Frage lautet nun, wie lange die Entscheidung noch hinausgezögert wird. Bei Andretti hatte man sich die Antwort, wie von der FIA zunächst in Aussicht gestellt, noch vor Saisonbeginn erhofft. Im offiziellen Anmelde-Prozess, der von der Sportbehörde Anfang Februar ins Leben gerufen wurde, wird bei fristgerechter Bewerbung (bis 30.4.) ein Abschluss der Prüfung bis Ende Juni versprochen.

Die FIA hat für die Saison 2025 offiziell zwei weitere Plätze ausgeschrieben. Dass diese besetzt werden, ist aber selbst bei positiver Bewertung seitens des Verbandes nicht garantiert. Die Pariser Behörde hat in ihrem Anforderungskatalog zugegeben, dass eine endgültige Entscheidung auch von der Zustimmung des F1-Managements und der anderen Teams abhängt. Aus dem F1-Hauptquartier in London ist zu hören, dass man mit der Entscheidung über mögliche Neueinsteiger lieber warten will, bis das neue Concorde-Agreement für die Saison 2026 steht.

Der Formel-1-Rahmenvertrag, den die Rechteinhaber mit den zehn Teams abschließen, regelt nicht nur die Verteilung der Prämien, sondern bestimmt auch, wie hoch die sogenannte "Anti-Dilution-Fee" ausfällt. Diese Einschreibe-Gebühr müssen Neulinge an die anderen Teams als Kompensation für die zu erwartenden Einnahmen-Verluste bezahlen. Momentan liegt sie noch bei 200 Millionen US-Dollar. Experten erwarten, dass sich dieser Betrag wegen der Wertsteigerung der Teams und des Booms der Formel 1 verdreifachen könnte.

Aber nicht nur die neue Einschreibe-Gebühr könnte für Andretti zum Problem werden. Auch die Zeit ist ein Faktor, der gegen das US-Team spricht. Bis alle Teams dem Concorde-Agreement zugestimmt haben, können noch ein bis zwei Jahre ins Land gehen. Man rechnet frühestens Ende 2023, eher aber Mitte 2024 mit einer Einigung. Damit wäre ein Einstieg zur großen Regelreform in der Saison 2026 fast schon ausgeschlossen. So lange kann Andretti aber nicht warten.

Die US-Amerikaner haben schon jede Menge Personal für das neue F1-Projekt verpflichtet. Ohne ein festes Einstiegsdatum drohen die angeheuerten Mitarbeiter wieder abzuspringen. Außerdem verschlingen die Belegschaft und der bereits begonnene Ausbau der Infrastruktur viel Geld. Solange man in der Formel 1 nicht antreten darf, gibt es aber keine Einnahmen.

Man kann also nur hoffen, dass Andretti einen langen Atem hat. Oder dass die Bewerbung einfach so überzeugend ist, dass die drei Parteien im Juni nicht mehr ablehnen können. Erst nach Ausfüllen des Antrags wird man wissen, was Andretti und Cadillac wirklich in die Waagschale werfen können.