Die Testfahrten in Bahrain liefen nicht nach Plan. Das Thermometer schaffte es kein einziges Mal über die 20-Grad-Marke. Auf dem Asphalt herrschten Temperaturen zwischen 18 und 35 Grad. Am ersten Testtag legte ein Stromausfall den Testbetrieb für 70 Minuten lahm, am zweiten hielt Nieselregen die meisten Autos in den Garagen fest. Nur Esteban Ocon drehte einsam drei Runden auf Intermediates. Haas und Aston Martin hatten als einzige Teams Reifen für nasse Verhältnisse bei Pirelli gebucht.
Kenner der Gegend sprachen vom kühlsten Februar seit 50 Jahren. Da hätte man gleich in Europa fahren können, hieß es im Fahrerlager. Die niedrigen Asphalttemperaturen in Verbindung mit dem rauen Streckenbelag ließen noch mehr Fragezeichen zurück als sonst. Die reifenmordende Strecke hatte etwas von ihrem Schrecken verloren.
Deshalb hatten es die Analysten besonders schwer. Die Tagesbestzeiten verteilten sich auf Lando Norris, Carlos Sainz und George Russell. Daraus zu schließen, dass diese Teams auch in Melbourne vorne liegen, wäre Kaffeesatzleserei. "Mit dem Gewicht kannst du hier im Rahmen von fünf Sekunden manipulieren", räumte Sainz ein.

Carlos Sainz drehte im Williams die schnellste Runde der Woche.
Drei Teams mit Bestzeiten
Die Rennsimulationen am zweiten und dritten Tag sind eine verlässlichere Währung. Und da hat McLaren klar die Nase vorn. Am Donnerstag Lando Norris, am Freitag Oscar Piastri. Die Leichtigkeit, mit denen die McLaren-Piloten ihre Runden drehten, hinterließ auch bei der Konkurrenz Eindruck. Ihre schnellsten Anläufe brachen Norris und Piastri nach der letzten Kurve ab. Beide steuerten sofort die Boxengasse an.
Die Körpersprache des Marken-Weltmeisters unterstreicht die Favoritenrolle. Teamchef Andrea Stella streut ganz bewusst Nebel, wenn er sagt: "Ich erwarte mindestens vier unterschiedliche Sieger, vielleicht sogar fünf oder sechs." Fernando Alonso spottete: "Das sagen alle, die das Gefühl haben vorne zu liegen."
McLarens souveräne Vorstellung zählt umso mehr, dass sie an einem Ort gezeigt wurde, der früher einmal zu den Problemstrecken des Autos zählte. Jetzt kann der McLaren auch Traktion, ohne dass er an anderen Stellen etwas dafür geopfert hätte. GPS-Messungen belegen, dass die McLaren nicht nur im Topspeed auf der Zielgerade vorne liegen, sondern auch in allen Kurven.

Swohl Lando Norris und Oscar Piastri hinterließen bei den Dauerläufen einen starken Eindruck.
Was macht McLaren so stark?
Wer dem MCL39 sein Geheimnis entlocken will, tut sich genauso schwer wie beim Vorgänger, der im letzten Jahr immerhin sechs Rennen gewonnen hat. Irgendwie sind die Papaya-Renner unscheinbar. "Es ist sicher nicht der biegsame Frontflügel allein, sondern das Gesamtpaket. McLaren hat die Entwicklungsrichtung des Autos richtig verstanden. Deshalb sehen wir seit zwei Jahren auch keine Rückschritte", urteilt Williams-Teamchef James Vowles.
Auch die neuen S-Schächte neben und hinter dem Cockpit, die extreme Geometrie der Hinterachse und die neue Vorderradaufhängung sind nur Teil des Puzzles. Die Spurstange versteckt sich nicht mehr hinter dem unteren Querlenker, sondern wurde leicht versetzt montiert. Experten vermuten, dass die Strömung durch die Spalte dazwischen effizienter Richtung Venturi-Kanäle gelenkt wird.
Ferrari sieht McLaren zwar auch an der Spitze, lässt sich aber vom Vergleich der Rennsimulationen zwischen Lando Norris und Charles Leclerc nicht nervös machen. Der reichte je nach Reifenmischung von drei Zehnteln bis eine Sekunde zugunsten von McLaren. Ferrari glaubt, dass die moderaten Asphalttemperaturen McLaren entgegenkamen und das rote Auto mehr Gewicht mit sich herumschleppte. Ferrari ließ sämtliche Messinstrumente bis zum letzten Testtag an Bord.

Bei kühlen Bedingungen wie in Bahrain war Mercedes schon letztes Jahr stark.
Noch keine Entwarnung für Mercedes
Mercedes lag im Dauerlauf auf Augenhöhe mit Ferrari. Andrea Kimi Antonelli verlor nur im letzten Stint Zeit auf Leclerc. George Russell war einen Tag später bei etwas wärmeren Wetter im ersten Stint langsamer als sein neuer Teamkollege, im zweiten gleich schnell und am Ende flotter unterwegs. Gegen den gleichzeitig fahrenden Piastri blieb auch Russell chancenlos.
Die Anzeichen sprechen zwar dafür, dass der Mercedes seine Launen abgelegt hat, doch sicher ist man sich nicht. Das Streckenlayout der Strecke in Bahrain ist wenig aussagekräftig und die kühlen Temperaturen könnten den Silberpfeilen in die Karten gespielt haben. "Das waren schon im letzten Jahr unsere Bedingungen", gab Teamchef Toto Wolff zu.
Red Bull ist noch schwer zu bewerten. Intern rechnet man mit drei bis vier Zehnteln Rückstand auf McLaren. Mit Liam Lawson im Cockpit ist man die Nummer vier, mit Verstappen-Faktor aber auf jeden Fall ein Kandidat für die Podestplätze. Noch muss der Weltmeister technische Defizite mit seiner Klasse kompensieren. Auf dem Papier sollte der neue Red Bull drei Zehntel schneller sein als der alte. McLaren hat aber offenbar eine halbe Sekunde gefunden und damit seinen Vorsprung vom letzten Jahr ausgebaut.

Red Bull rückte am letzten Testtag mit Upgrade-Teilen aus.
Red-Bull-Unterboden floppt
Red Bull flog für den letzten Testtag einen neuen Frontflügel und modifizierten Unterboden an den Arabischen Golf. Der Flügel funktionierte, der Unterboden nicht. Er brachte ein nervöses Fahrverhalten zurück und wurde im Verlauf des letzten Tages wieder gegen das alte Modell getauscht.
Die vier Topteams sind also wieder unter sich, aber nicht so deutlich wie im Vorjahr. McLaren vielleicht ausgenommen. Auch wenn Williams und Alpine ihre Autos für die schnellen Runden am Freitag abgetankt hatten, muss man diese Rundenzeiten erst einmal fahren. Und wenn dann 20 Kilogramm Benzin weniger im Tank sind, dann beträgt der Unterschied zu Russell und Verstappen gewichtsbereinigt acht statt sieben Zehntel. Das ist keine Welt mehr.
Der Geheimfavorit für den fünften Platz ist ausgerechnet das Team, das vor einem Jahr einen kapitalen Fehlstart hinlegte. Alpine überraschte, obwohl man sein eigenes Programm fuhr und auf echte Rennsimulationen verzichtete. Die blau-pinken Autos machten jedoch unter allen Umständen eine respektable Figur "Wir sind im Augenblick die fünfte Kraft und steigen dort ein, wo wir letztes Jahr aufgehört haben", hieß es optimistisch im Team.
Nicht-Techniker Flavio Briatore übersetzte die Aussagen seiner Piloten in eine normale Sprache. "Die Fahrer klagen weder über Untersteuern noch über Übersteuern. Und wenn sie nichts zu jammern haben, ist das ein gutes Zeichen."
Der von Alpine-Chef Luca de Meo angeheuerte Sanierer gibt den fünften Platz als realistisches Saisonziel aus. Wenn der Renault-Motor nicht drei bis vier Zehntel kosten würde, könnte Alpine sogar die Topteams ärgern, rechnet Briatore hoch. Den größten Gegner sieht er in Williams. "Die haben mit Sainz einen exzellenten Fahrer und ein ordentliches Auto. Ich verstehe nicht, warum ihn nicht mehr Teams auf der Liste hatten."

Williams setzte schnelle Zeiten, allerdings mit wenig Sprit im Tank.
Williams setzt voll auf 2026
Williams verbuchte immerhin die absolute Bestzeit, die nur zwei Zehntel über der letztjährigen Pole Position lag. Teamchef Vowles gab zu, dass Carlos Sainz bei seinen schnellen Runden mit wenig Benzin im Tank unterwegs war. Der Neuzugang von Ferrari spricht bei seinem FW47 von einem Schritt in die richtige Richtung, warnt aber davor euphorisch zu werden. "Das reicht noch nicht aus, die Top 4 einzuholen."
Die Teamleitung will an ihrem Plan festhalten, egal wie gut man in die Saison einsteigt. "Bei uns hat 2026 Vorrang. Auch wenn wir merken sollten, dass der fünfte Platz plötzlich möglich ist, werden wir keine Entwicklungszeit für das 2026er Auto opfern", sagt Vowles. Zumal Williams in dieser Saison streng haushalten muss, um im Budgetdeckel zu bleiben. "Die 20 Unfälle letztes Jahr haben uns reingeritten. Wir bezahlen auch in dieser Saison noch dafür."
Für Sainz ging es hauptsächlich darum, seine neue Umgebung kennenzulernen. Das Auto, die Abläufe, die Mannschaft. "Ich komme von einem Team, das ich nach vier Jahren in- und auswendig kannte. Hier kann ich froh sein, wenn ich im ersten Jahr auf 95 Prozent komme. Der Rest ist bei einem Teamwechsel der schwierige Teil." Rennsimulationen hatten für Sainz deshalb die geringste Priorität. "Ich habe sie nicht mehr geschafft, weil mir die Zeit ausgegangen ist."

Haas schwimmt weiter im Mittelfeld mit. Im Fokus stand die Performance des neu zusammengestellten Einsatzteams.
Haas muss sich noch eingrooven
Haas ließ erst am letzten Testtag etwas die Hosen runter. Zwei Tage lang quälten sich die Fahrer mit viel Benzin an Bord um einen Kurs, der mit vielen Bremspunkten und Beschleunigungsstellen besonders gewichtsempfindlich ist. Der Grund für die Zurückhaltung war ein anderer als im letzten Jahr, als man herausfinden wollte, ob das Auto pfleglicher mit den Reifen umgeht.
"Vor einem Jahr ging es darum, das Auto und das Reifenmanagement zu verbessern, diesmal um die Abläufe an der Strecke zu optimieren. Wir haben neue Ingenieure und Strategen in der Garage, und die trainiert man am besten, wenn man Rennen simuliert", erklärte Teamchef Ayao Komatsu.
Die Windkanaldaten gaben dem US-Team das Vertrauen, mit dem Haas VF-25 wieder ein Auto für WM-Punkte gebaut zu haben. Sie wurden nicht enttäuscht. Als Haas Sprit abtankte, fehlte Esteban Ocon nur noch etwas mehr als eine Sekunde auf die Bestzeit.

Aston Martin scheint von der Mittelfeld-Konkurrenz überholt worden zu sein.
Aston Martin mit Alternativ-Programm
Aston Martin ist derzeit kein Kandidat für die Mittelfeldkrone. Die Prominenten-Truppe mit dem dicken Geldbeutel spulte ein Programm ab, aus dem keiner schlau wurde. Keine Zeitenjagd mit wenig Benzin an Bord, keine Rennsimulationen. "Wir haben viele Setup-Experimente durchgeführt, um herauszufinden, wie wir das Maximum aus dem Auto herausholen. Unser Pensum ist offensichtlich ein anderes als das der anderen Teams", erklärte ein erstaunlich gelassener Fernando Alonso.
Intern hört man, dass die grünen Autos jetzt einfacher zu fahren aber nicht schneller geworden sind. Alonso bestätigt das indirekt: "Alle sind an einen Punkt gekommen, an dem es schwierig geworden ist, mehr Abtrieb zu finden ohne sich Instabilität einzuhandeln."
Toro Rosso sieht sich mittendrin im Verfolgerfeld hinter den vier Topteams. "Auf einer Ebene mit Williams, etwas schlechter als Alpine, etwas besser als Haas", urteilt Sportdirektor Alan Permane nach dem Vergleich der Dauerläufe. Geschäftsführer Peter Bayer scherzte: "Wenn das Auto so schnell ist, wie es gut aussieht, müssten wir ganz vorne fahren."

Bei Sauber ist noch Arbeit nötig, um die rote Laterne abzugeben.
Sauber muss noch nachbessern
Sauber liegt in allen Tabellen am Ende des Feldes. Der C45 ist ein Schritt vorwärts, doch die anderen Teams haben sich auch verbessert. Die Zahlen aus dem Windkanal wurden auf der Strecke bestätigt, und trotzdem tut das Auto nicht das, was man sich erwartet hat. "Wir müssen ein paar Fahreigenschaften noch verstehen", urteilte Formel-1-Projektleiter Mattia Binotto.
Nico Hülkenberg stellte fest, dass der neue Sauber ein anderes Auto ist als der, den er letztes Jahr noch in Abu Dhabi getestet hatte. Deshalb ging es in Bahrain hauptsächlich darum, was der C45 anders macht und warum. In den schnellen Runden fehlte die Konstanz. Dafür war Hülkenberg von den Longruns am letzten Tag positiv überrascht.
Der Deutsche sprach am letzten Testtag nach Umbauten am Setup von einem spürbaren Fortschritt. Technikchef James Key verspricht, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist: "Das war nur zu 80 Prozent das neue Auto. Der Rest kommt in Melbourne."
Team-Ranking nach den Bahrain-Tests
Hier kommt unser Teamranking nach den Testfahrten in Bahrain. Wegen der widrigen Bedingungen ist der Unsicherheitsfaktor dieses Mal aber größer als in den vergangenen Jahren.
- McLaren
- Red Bull
- Ferrari
- Mercedes
- Alpine
- Williams
- Haas
- Aston Martin
- Toro Rosso
- Sauber