Der Sachsenring ist eine Rennstrecke mit Historie. Das sieht man der 3,671 Kilometer langen Strecke gar nicht an, wenn man sich der Motorsport-Arena 20 Kilometer westlich von Chemnitz nähert. Sie sieht eher so aus, als wäre sie eine dieser vielen modernen Rennstrecken, die in den letzten 30 Jahren die alten Schauplätze verdrängt haben.
Kompakt, mit viel Auslauf und einer modernen Boxenanlage ist der Sachsenring die Anlaufstelle vor allem für Zweiradfans. Seit 1998 findet auf der hügeligen Achterbahn mit ihren zwölf Kurven der Große Preis von Deutschland für Motorräder statt. Zwischen 1996 und 2001 war die DTM, seit 2007 ist das ADAC GT Masters in Sachsen zu Hause.
Nur wenige Besucher machen sich die Mühe, nach den Spuren der alten Rennstrecke zu graben. Dabei ist das in diesem Fall nicht besonders schwer, denn der alte Sachsenring führte wie das alte Spa, der Bremgartenring oder die Targa Florio über öffentliche Straßen, die zum Großteil noch heute vorhanden sind.

Schnelle Natur-Rennbahn
Geboren wurden Motorsportveranstaltungen auf den 8,618 Kilometern südlich der A4 von Gera nach Chemnitz schon 1927, damals noch unter der Bezeichnung "Badberger Vierecksrennen". Erst zehn Jahre später bekam das Viereck den Namen Sachsenring. Der Kurs blieb bis zu seiner Schließung 1990 weitgehend unverändert. Erst im letzten Jahr des Rennbetriebs baute man am Ortseingang von Hohenstein-Ernstthal eine Schikane ein. Auch auf dem ehemaligen Ring waren die Motorräder die Stars. Es gab aber auch Rennen der Formel Junior und Formel 3 sowie für Tourenwagen.
Die alte Zielgerade lag im Bereich der neuen. Von ihr ist heute nichts mehr zu sehen. Das erste Stück historischer Asphalt findet sich hinter der Mauer, die den neuen Kurs im Bereich der Sachsenkurve abschirmt. Das war bis vor 30 Jahren noch alles grünes Land. Inzwischen hat sich Hohenstein-Ernstthal bis an die Streckenumrandung gefressen. Die Kurven in der Stadtpassage waren verdammt schnell und führten bis zur Badberg-Kurve hinab, die dann über einen scharfen Linksknick in einen steilen Anstieg übergeht.
Ab dem Ortseingang wird es wieder ernsthaft schnell. Der Verlauf mit seinen sanften Bögen rauf und runter erinnert an Spa. Auch die Durchschnittsgeschwindigkeiten. Rekordhalter Peter Rubatto schaffte mit einer Bimota einen Schnitt von 181 km/h.

Gefährlicher Ritt
Entgleiste Rennautos oder Motorräder landeten in Bäumen, Hecken, Telefonmasten oder Gräben. Leitplanken hatten Seltenheitswert. Strohballen waren oft die letzte Instanz. Einen guten Eindruck von der alten Strecke vermitteln exzellente Aufnahmen des DDR-Fernsehens vom Formel-Easter-1300-Lauf im Jahr 1986. Das Sachsenring-Feeling kann man heute noch auf YouTube genießen.
Die MTS-Kurve vorbei an einem Tümpel nimmt es durchaus mit der Stavelot-Kurve von Spa auf. Von dort geht es an der Autobahn immer Vollgas entlang, bis die Jugendkurve den Höllenrhythmus unterbricht. Die Linkskurve führt das Asphaltband wieder zurück über Start und Ziel. Drei Kilometer lang schlängelt sich die Strecke durch Wald und Wiesen und fällt kurz vor der Queckenberg-Kurve in ein tiefes Loch, um aus der Kompression himmelwärts auf die ehemalige Zielkurve zuzuführen.
Beim Wandeln auf alten Spuren wundert man sich nicht, dass der Sachsenring zu den gefährlichsten Strecken seiner Zeit zählte. Als es 1928 im zweiten Jahr zu 41 Unfällen kam, musste das Rennen erst einmal wieder sechs Jahre lang pausieren.
Drei tödliche Unfälle 1990 waren schließlich der Sargnagel für das alte Monster. Insgesamt 20 Rennfahrer verloren auf dem Straßenkurs ihr Leben, 17 davon auf dem Motorrad. Prominentestes Opfer war der Brite Bill Ivy, der 1969 auf der Anfahrt zur Badberg-Kurve stürzte. Ivy hatte sich gerade auch auf vier Rädern einen Namen gemacht.
Zu viel Westen für die DDR
Drei Jahre nach seinem Todessturz brach der internationale Motorradzirkus seine Zelte ab. Von 1961 bis 1972 fand am Sachsenring der Grand Prix der DDR statt. Den Parteigenossen missfiel jedoch, dass heimische Fahrer und Motorräder gegen die westliche Technik und ihre Teilnehmer keine Chancen hatten.
Außerdem ließ es sich nicht vermeiden, dass man bei westdeutschen Siegern die deutsche Nationalhymne spielen musste, so wie 1971, als Dieter Braun das Rennen der 250er-Klasse gewann. Ab 1973 waren folgerichtig nur noch Starter aus Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs erlaubt. Die Veranstaltung fand weiter regelmäßig statt. Mit Motorrädern, Tourenwagen und Formel-Autos der Klassen Formel E1300 und E1600.
Streckendaten:
- Lage: 20 km, westlich von Chemnitz
- Länge: 8,618 km (1927–1990), 3,517 km (1996–1997), 3,508 km (1998–2000), 3,704 km (2001–2002), 3,671 km (2003–heute)
- Breite: 8,0 m
- Rechtskurven: 6
- Linkskurven: 9
- Schnellster Teil: ca. 300 km/h
- Langsamster Teil: ca. 50 km/h