Wie Alpine seine Formel-1-Gegner überholte

Das Alpine-Geheimnis
Ein Upgrade als Matchwinner

Zuletzt aktualisiert am 18.12.2024
Pierre Gasly - Alpine - GP Las Vegas 2024 - Formel 1
Foto: xpb

Die Zahlen erzählen die Story von Alpine. Bis zum GP USA hatte der französische Rennstall 13 Punkte auf dem Konto. Fünf Rennen später waren es 65. Damit gelang innerhalb von nur sieben Wochen der Sprung von Platz neun auf Rang sechs. Zu Saisonbeginn war der Alpine A524 das schlechteste Auto im Feld. Am Ende hatten nur die vier Top-Autos einen besseren Speed.

Beim GP Brasilien sammelten Esteban Ocon und Pierre Gasly mit zwei Podestplätzen 35 Punkte ein. Da half nicht nur das Wetter und das richtige Boxenstopp-Timing mit. Die Alpine-Piloten waren auf nasser Piste schnell, weil sie Vertrauen in ihr Auto hatten. Es war das Resultat einer neuen Entwicklungsrichtung, die das Team unter dem neuen Technikchef David Sanchez eingeschlagen hatte.

Alpine bestätigte die Sternstunde von Interlagos mit Gaslys drittem Startplatz in Las Vegas, Rang fünf des Franzosen im Kampf mit Carlos Sainz in Katar und dem gewonnenen Duell von Gasly gegen Nico Hülkenberg in Abu Dhabi. Dieser A524 war nicht mehr mit dem Auto zu vergleichen, das neun Kilogramm übergewichtig in die Saison gestartet war.

Flavio Briatore - Alpine - Formel 1 - Saison 2024
xpb

Neue Leute, neue Strukturen

Das Gewicht hatte Alpine schon in Miami abgespeckt. Die aerodynamischen Defizite blieben. Die beiden größeren Upgrades in Shanghai und Spa brachten nur marginal Besserung. Auf einigen Rennstrecken ließ das blaue Auto seine gute DNA durchblitzen, doch keiner konnte sich erklären warum. Auch weil die Strecken, auf denen das Auto funktionierte, so unterschiedlich waren. Montreal, Barcelona, Spa.

In der Zwischenzeit hatte sich im Team viel verändert. Alpine-Chef Luca de Meo installierte Flavio Briatore als Sanierer, und der frühere Meistermacher fegte gleich mal mit dem eisernen Besen durch Enstone. In Spa trat Oliver Oakes als neuer Teamchef an. Schon zuvor bekam die Technikabteilung mit dem früheren Ferrari-Aerodynamikchef David Sanchez einen neuen Kopf.

Sanchez änderte die Strukturen und besetzte die Führungspositionen neu. Mitte des Jahres stießen der Aerodynamiker Michael Broadhurst und Fahrzeug-Performance-Leiter Vin Dhanani von Red Bull, sowie Chefingenieur Jacopo Fantoni von Ferrari dazu. Sie alle machten den Unterschied.

Pierre Gasly - Alpine - Formel 1 - GP Mexiko - 2024
xpb

Upgrade für 2025

In Austin lieferte die neu formierte Truppe ihre erste Arbeitsprobe ab. Unterboden, Motorabdeckung und Heckflügel waren neu. In Katar wurden an Gaslys Auto noch eine neue Fahrzeugnase samt Frontflügel hinterhergeschoben. Die neue schlankere Nase dockt jetzt am ersten Flap und nicht mehr am Hauptblatt an.

Sanchez zeigte sich über die gute Form des Autos bei den letzten Rennen nicht überrascht: "Wir wussten, was das Auto kann. Es hat uns den Speed gebracht, den wir uns anhand der Zahlen von ihm erwarten durften. Was wir nicht wussten war, wie unsere Mitbewerber abschneiden würden. Deshalb kam der dritte Startplatz in Las Vegas für Außenstehende vielleicht ein bisschen überraschend."

Das neue Selbstvertrauen spricht für die Qualität der Werkzeuge in Enstone. "Du lernst da nie aus. Es gibt immer mal wieder Probleme mit der Korrelation, aber solange du verstehst, was diese Probleme verursacht, kannst du darauf reagieren", erzählt Sanchez.

Für Oberboss Briatore war wichtig, dass der letzte Entwicklungschef des Jahres wegweisend für 2025 ist. "Ich habe Sanchez gesagt, dass wir das Upgrade nur bringen, wenn wir auch im nächsten Jahr davon profitieren. Für ein bisschen mehr Rundenzeit in den letzten Rennen hätte es sich nicht gelohnt."

Pierre Gasly - Alpine - GP Abu Dhabi 2024 - Yas Marina - Formel 1
xpb

Praktisch ein neues Auto

Die letzten beiden Eingriffe am A524 stehen für eine neue Konstruktionsphilosophie. Weg von neuen Abtriebsrekorden, hin zu nutzbarem Anpressdruck. "Mehr Abtrieb macht dich schneller", philosophiert Sanchez, "aber nur, wenn er am richtigen Platz ist und zur entsprechenden Zeit auf der richtigen Achse wirkt. Das macht das Auto berechenbar und schafft Vertrauen beim Fahrer. Deshalb bestand unser erstes Ziel darin, das Auto fahrbarer zu machen."

Die Groundeffect-Autos machen es den Ingenieuren schwer. In den langsamen Kurven hätten sie gerne mehr Abtrieb auf der Vorderachse, in den schnellen mehr hinten. Da muss man heute mit biegsamen Frontflügeln nachhelfen. Sanchez sieht den Kunstgriff, der unter dem Fachbegriff "aerodynamische Elastizität" ziemlich harmlos daherkommt, pragmatisch: "Es gibt einen Test und es gibt Regeln. Beides erfüllen wir. Also sind wir legal. Wir wissen, wie weit wir gehen können."

Der Schlüssel, so der neue Alpine-Technikchef war, die Probleme des Autos zu verstehen und auf der Basis die richtige Richtung einzuschlagen. "Das macht Mut für nächstes Jahr. Die Leute merken langsam, dass wir es ernst meinen", pflichtet Briatore bei. Obwohl die Änderungen optisch nur für Experten wahrnehmbar sind, behauptet Sanchez: "Die Version von heute ist im Vergleich zu Singapur praktisch ein neues Auto."