Das kam überraschend. Am Dienstagabend (6.5.) flatterte eine kurze Pressemitteilung von Alpine herein: Das Formel-1-Team verkündete darin, dass der bisherige Teamchef Oliver Oakes von seinen Aufgaben zurückgetreten sei.
Die in Enstone beheimatete Truppe habe das Angebot des Engländers akzeptiert und seinen Rücktritt angenommen. Man verabschiedete sich mit folgenden Worten bei Oakes: "Das Team möchte sich bei Oliver für seinen Einsatz seit seinem Arbeitsbeginn im Sommer 2024 und für seinen Beitrag zum sechsten Platz in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft bedanken."
Seine Aufgaben übernimmt vorerst Flavio Briatore, der aber offiziell weiter die Funktion des Teamberaters innehat. Inwieweit es sich beim Oakes-Aus wirklich um einen freiwilligen Rückzug oder eine eher unfreiwillige Entlassung handelte, lässt sich nicht sagen. Die dünne Mitteilung endet mit dem Satz: "Das Team wird keine weiteren Kommentare dazu abgeben."
Streit um Fahrerfrage?
Oakes hatte erst im Juli vergangenen Jahres den Posten bei Alpine übernommen. Der 37-Jährige kam mit der Empfehlung seines erfolgreichen Hitech-Teams, das in der Formel 2 und Formel 3 startet, in die Königsklasse. Von Oakes versprach sich Renault-CEO Luca de Meo frischen Wind beim ehemaligen Weltmeister-Rennstall. Und tatsächlich schaffte das zu Saisonbeginn schlechteste Formel-1-Team noch die Wende und schnappte sich mit einem starken Finish Platz sechs.
Auch abseits der Strecke stellte die neue Doppelspitze Oakes/Briatore die Weichen für eine erfolgreichere Zukunft. Schon kurz nach der personellen Umstrukturierung kamen Gerüchte auf, dass Alpine keine eigenen Motoren mehr für das neue Reglement ab 2026 bauen werde. Trotz des großen Widerstands der Belegschaft setzte Luca de Meo diese Idee um. Die Ingenieure des Werks in Viry-Châtillon mussten die Entwicklung der neuen Power Unit einstampfen. Alpine tritt ab nächster Saison mit dem Mercedes-Aggregat an und verspricht sich davon eine bessere Performance als von der Eigenkonstruktion.
Briatore und Oakes bauten das Team auch auf personeller Seite um. Der schnelle, aber nicht mehr wohlgesonnene Esteban Ocon verließ Alpine noch vor dem letzten Grand Prix der Saison 2024. Für ihn verpflichtete man den eigenen Nachwuchsmann Jack Doohan. Der Australier stand jedoch vom ersten Rennen 2025 unter gehörigem Druck. Briatore wollte unbedingt Williams-Mann Franco Colapinto und verpflichtete den Argentinier als Ersatzfahrer. Allen im Fahrerlager war klar: Liefert Doohan nicht, ist er schnell wieder raus aus dem Cockpit.

Flavio Briatore (links) übernimmt vorerst die Aufgaben von Oliver Oakes (rechts).
Alpine-Teamchef-Posten gleicht einem Schleudersitz
Dieser Fall trat nun ein. Nur wenige Stunden nach dem Rücktritt von Oakes kam am Mittwochmorgen (7.5.) die offizielle Bestätigung, dass Colapinto die nächsten fünf Grands Prix an der Seite von Pierre Gasly bestreiten wird. Das heikle Thema könnte auch Anlass für die Trennung von Oakes gewesen sein. Letztgenannter hatte mit Paul Aron einen eigenen Junior-Fahrer als Ersatzpilot bei Alpine platziert. Am Ende musste Oakes aber einsehen, dass Briatore die wichtigen Entscheidungen trifft.
Schenkt man Oliver Oakes Glauben, war das aber nicht der Grund für die Trennung. Auf dem offiziellen Instagram-Account des Teams und von Briatore wurde er wie folgt zitiert. "Es ist eine persönliche Entscheidung, zurückzutreten. Flavio war wie ein Vater für mich, hat mich immer unterstützt und mir die Chance als Teamchef gegeben."
Sein Lehrmeister ließ es sich nicht nehmen, seine Sicht der Dinge darzustellen. "Oli und ich haben ein sehr gutes Verhältnis und hatten langfristige Ziele. Sein Wunsch zurückzutreten, hat nichts mit dem Team zu tun, sondern stammt aus persönlichen Gründen." Auch zu den vermeintlichen Spannungen äußerte sich Briatore: "In den letzten 24 Stunden wurde viel falsch dargestellt, dass wir unterschiedliche Ansichten hätten. Das ist aber komplett falsch und weit von der Wahrheit entfernt."
Oakes war nicht mal ein Jahr beim ambitionierten Werksteam. Seine Vorgänger hatten ebenfalls nur eine kurze Halbwertszeit. Seit der markeninternen Umbenennung 2021 von Renault zu Alpine standen einige Chefs auf der Kommandobrücke: unter anderem Marcin Budkowski, Otmar Szafnauer, Laurent Rossi, Bruno Famin. Das Ziel, endlich wieder WM-Titel nach Enstone zu holen, konnte Alpine aber nie erreichen.
Ob und wann ein neuer Teamchef ans Ruder kommen soll, gab der Rennstall nicht bekannt. Bis dahin muss Briatore den Tanker auf Kurs bringen. Momentan liegt man mit nur sieben Punkten auf Rang neun. Williams auf P5 ist bereits um 30 Zähler enteilt. Sportlich läuft es also wieder nicht rund.