Alpine schreibt die Schlagzeilen. Nicht auf der Rennstrecke, denn dort kämpft der französische Rennstall aktuell mit Haas, Williams und Sauber um die letzten Plätze im Feld. Und das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben. Alpine kündigte an, dass vor der Sommerpause keine Upgrades mehr an das Auto kommen.
Dafür ist hinter den Kulissen der Teufel los. Alpine spielt mit dem Gedanken, ein Kundenteam zu werden und in Konsequenz die eigene Motorenentwicklung in Viry-Chatillon nach 48 Jahren aufzugeben. Teamchef Bruno Famin wollte zwar bei der Pressekonferenz am Freitag (21.6.) in Barcelona keine Stellung zu den Gerüchten nehmen, doch im Fahrerlager ist es ein offenes Geheimnis, dass der Alpine-Teamchef praktisch jedem Motorenhersteller in der Formel 1 den Hof gemacht hat.
Alpine holt sich Absagen
Es ist kein guter Zeitpunkt, auf dem Motorenmarkt nach einem Lieferanten zu suchen. Die Hersteller stehen 2026 technisch vor einer riesigen Herausforderung, die viele Kapazitäten bindet. Da will man sich zu Beginn des neuen Reglements-Zyklus keinen zusätzlichen Klotz ans Bein binden und seinen Kundenstamm ausweiten. Doch wenn Alpine für 2026 keinen Motor bekommt, muss man ihn selber bauen. Und das lohnt sich nicht für eine Saison.
Honda bedauert, dass man im ersten Jahr der neuen Regeln keine Kapazitäten habe, ein zweites Team zu beliefern. Da die Japaner wie Audi offiziell neu im Geschäft sind, entfällt die Verpflichtung, bei Bedarf, einen weiteren Rennstall zu beliefern. RB Powertrains würde sich am Anfang ebenfalls gerne die Extra-Arbeit ersparen, drei Teams zu beliefern. Man müsse erst einmal Lieferketten aufbauen, heißt es aus Milton Keynes.
Ferrari hat sie und scheint trotzdem nicht interessiert. "Ein drittes Team wäre eine große Herausforderung", meinte Teamchef Frédéric Vasseur auf Nachfrage. Das hört sich wie eine Absage an. Bliebe Mercedes. Alpine wäre neben McLaren und Williams der dritte Kunde. Angesichts der technischen Mammutaufgabe kann das leicht zum Overkill werden. Weder Mercedes noch Ferrari müssen Alpine Motoren liefern. Sie haben bereits genug Kunden.
Sportliche Bankrotterklärung
Famin beteuert, dass die Entwicklung des 2026er-Antriebs in Viry-Chatillon wie geplant weiterlaufe. Doch wie muss den Mitarbeitern in Renaults Motorenfabrik zumute sein, wenn sie überall lesen können, dass die Teamleitung über den Einkauf eines Motors nachdenkt?
Finanziell macht ein solcher Schritt Sinn. Renault würde sich 130 Millionen Dollar Entwicklungskosten im Jahr sparen. Doch mit dem Ausstieg ginge auch ein gewaltiger Imageschaden einher. Es würde aussehen wie eine Kapitulation. Sportlich wäre der Schritt vom Werksrennstall zum Kundenteam eine Bankrotterklärung.
In den ersten beiden Jahren des neuen Reglements wird die Formel 1 wie 2014 wieder vom Antrieb dominiert. Da macht man lieber alles selbst, statt sich auf andere zu verlassen. Vor allem, weil die Technik ab 2026 viel komplexer ist, als sie es 2014 war. In der nächsten Ära sprechen auch noch die Spritpartner und Batterielieferanten ein Wörtchen mit. Und auf die hat man nur Einfluss, wenn man selbst den Antrieb baut.
Mit kleineren Autos, aber größeren und schwereren Antriebseinheiten mit höherem Kühlaufwand wird die Verpackung im Chassis zu einer noch größeren Aufgabe als heute schon. Werksteams können heute bereits planen. Kunden müssen warten, bis sie die Abmessungen von ihrem Motorlieferanten bekommen. Und sie müssen mit dem leben, was ihnen angeboten wird. Ein klarer Nachteil in einem Spiel, bei dem alle bei null beginnen.
Verkauf nur mit Kundenmotor
Die Planspiele von Alpine machen nur unter einem Gesichtspunkt Sinn. Das Team soll für einen Verkauf fit gemacht werden. Keiner kauft ein Team mit einem Motor, den man selbst entwickeln muss. In diesem Fall wäre die Motorenfabrik in Viry-Chatillon ein Rucksack, der für jeden potenziellen Käufer zu schwer ist.
Schon im letzten Jahr hat der Rennstall Anteile verkauft. 24 Prozent gingen für 200 Millionen Dollar an eine Investorengruppe um Hollywood-Star Ryan Reynolds. Präsident Luca de Meo hat zwar kürzlich gesagt, dass Alpine die Mehrheit des Teams trotz großem Interesse nicht abtreten will, doch das kann man auch als Versuch werten, den Preis nach oben zu treiben. Wer sein Team öffentlich anbietet, muss zum Ramschpreis verscherbeln. Und noch ein Punkt spricht für einen Verkauf. Alpine hat Flavio Briatore als Chefberater verpflichtet.
Famin beteuert, dass Briatore dem Team helfen soll, wieder wettbewerbsfähig zu werden. Bei allem Respekt vor dem Mann, der Benetton und Renault zu je zwei WM-Titeln geführt hat: Briatore ist seit 15 Jahren raus aus dem Geschäft. Die Formel 1 von heute ist eine andere als die von gestern. Wenn es aber einen Mann gibt, der den Rennstall zum bestmöglichen Preis verkaufen kann, dann ist Briatore die beste Wahl.