Die Zahlen weisen auf das Problem hin, das Alpine mit seinem neuen Programm "Rac(H)er" angeht. Demnach waren in der 72-jährigen Geschichte der Formel 1 von 885 Rennfahrern nur sechs weiblich. Ein halbes Dutzend oder nicht einmal ein Prozent: Dabei fliegen Frauen in den Weltraum oder pilotieren Kampfjets. Die körperlichen Voraussetzungen sind gegeben.
Der französische Sportwagenbauer, der zu Renault gehört, und sein Formel-1-Rennstall wollen dafür sorgen, dass es in Zukunft eine Rennfahrerin bis in die Formel 1 schafft. Einfach so zaubert man die nicht aus dem Hut. Alpine will das Problem bei der Wurzel packen, und ein Förderprogramm aufgleisen, das aufstrebende Mädchen ans Rennfahren heranführt.
Weg mit Stereotypen
Talentförderung im Motorsport ist teuer. Ohne ein reiches Elternhaus, ohne zahlungskräftige Sponsoren oder ohne einen Hersteller im Rücken ist der Aufstieg vom Kartsport über die Formel 4, Formel 3 und Formel 2 nicht mehr zu bewerkstelligen. Weil es Millionen verschlingt. Mit Rac(H)er will Alpine die Voraussetzungen schaffen, dass auch Frauen auf ihrem Weg gefördert werden. Dafür gründet man einen Fonds, in den jeder Förderer einzahlen kann. "Alpine setzt sich dafür ein, das richtige Finanzierungspaket zu schnüren und auch Sponsoren zu finden."
Die Franzosen wollen mit Stereotypen aufräumen. Zusammen mit dem "Paris Brain Institute" will man wissenschaftlich verstehen lernen, was es tatsächlich braucht, um ein erstklassiger Rennfahrer zu werden – ob weiblich oder männlich. Eine fundierte Studie soll die pseudo-wissenschaftlichen Hürden aus dem Weg räumen, wonach Frauen körperlich und vom Kopf her in einem Rennauto im Nachteil seien.
"Wir werden mit mehreren Trainingsorganisationen zusammenarbeiten, und ein spezifisches Entwicklungsprogramm ausarbeiten – finanziell untermauert –, um die erste Frau in einen beständigen Formel-1-Wettbewerb zu führen", heißt es in der Ankündigung. Alpine beschränkt sich mit "Rac(H)er" jedoch nicht allein darauf, Nachwuchsfahrerinnen auszubilden und sie über Jahre hinweg an die Königsklasse des Motorsports heranzuführen. Es soll auch sonst ein kultureller Wandel stattfinden.
Alpine stärkt Leistungsprinzip
Alpine will die Dynamik in der Sportwagenabteilung und im Formel-1-Team anfachen, um sich selbst von außen und innen heraus zu stärken. Die Franzosen rechnen vor. 12 Prozent der Belegschaft seien Frauen. Im Formel-1-Team seien es sogar nur zehn Prozent, was im Durchschnitt der Motorsport-Industrie liegt. In den nächsten fünf Jahren will Alpine den Anteil von Frauen von 12 auf 30 Prozent erhöhen. Ab sofort sollen neuangestellte Trainees oder Hochschulabsolventen zur Hälfte Frauen und Männer sein.
Das Umdenken beginnt im Kopf. Dafür werden Manager und Führungskräfte geschult. Alpine gibt mit Stolz an, dass die Betriebsleitung bereits aus 50 Prozent Frauen bestehe. Und zwar nicht, weil man eine Quote erfüllen möchte, sondern weil sie die besten auf ihrem Gebiet seien.
Das Leistungsprinzip wird nicht außer Kraft gesetzt. Im Gegenteil. "Das Rac(H)er-Programm soll die Leistungsgesellschaft über die Geschlechter hinweg in allen Bereichen des Unternehmens stärken, von technischen Funktionen bis hin zu Rennsport und Wettbewerb. Auf diese Weise wird Alpine die vollständigen und sich ergänzenden Fähigkeiten der verfügbaren Arbeitskräfte voll ausschöpfen." Oder anders: Erfolg soll auf Leistung basieren, und nicht auf Privilegien.
Diversität, Vielfalt und Chancengleichheit: Alpine packt es an. Um neue Mitarbeiterinnen zu finden, und bereits Schülerinnen für Ingenieursberufe zu begeistern, werden Botschafter des Unternehmens in Schulen gehen. Bildung ist ein Schlüssel zu mehr Vielfalt – ob in der Automobilbranche, im Rennsport oder auf der Welt allgemein. Botschafter, das sollen auf Wunsch des Unternehmens bald alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sein.
Alpine-CEO Laurent Rossi erklärt: "Unsere Rolle als Formel-1-Team und als Marke der Renault-Gruppe besteht darin, uns dafür einzusetzen, unser Ökosystem integrativer zu gestalten und Vielfalt zu unserer Stärke zu machen. Wir sind uns der Notwendigkeit einer tiefgreifenden Transformation sowohl des Sports als auch der Branche bewusst, damit alle Talente in Zukunft gedeihen können. Durch den Start von Rac(H)er, diesem langfristigen Transformationsprogramm, hoffen wir, dass sich alle Akteure der Branche anschließen. Denn nur gemeinsam können wir tatsächliche Fortschritte erzielen. Und das wäre unser eigentlicher Erfolg."